Würdet ihr einen Tagebuchblog lesen?
Ich habe im Internet einen Blog gefunden, der wie ein Tagebuch verfasst wird. Der Autor schreibt wirklich über sehr private Sachen, Beziehungen und sein Leben im Allgemeinen. Es liest sich wie ein Tagebuch, aber er hat seinen Blog öffentlich, ohne Passwort und er will auch, dass es gelesen wird, weil er bi ist und das in unserer Gesellschaft ja oftmals ein Problem ist. Gerade am Anfang hätte ich ihm am liebsten eine Nachricht geschrieben, dass man so etwas doch nicht öffentlich machen kann, aber mittlerweile lese ich es recht gerne, weil er einen guten Schreibstil hat und irgendwie ist man ja auch neugierig. Würdet ihr so einen doch recht persönlichen Blog lesen? Wie würdet ihr euch dabei fühlen?
Sicherlich würde ich so einen persönlichen Blog lesen, wenn er mich interessieren würde und spannend ist. Ich finde es eigentlich gut, wenn es Leute gibt, die einen anderen Lebensstil leben und dies öffentlich machen, da solche Lebensstile ja wirklich noch oft ein Problem in unserer Gesellschaft darstellen. Aber, wenn der Blog wirklich zu privat ist und die Person, die den Blog verfasst hat, auch wirklich alle privaten Dinge dort veröffentlicht, dann frage ich mich auch, ob das nicht etwas zu privat wäre und, ob man sein Leben nun nicht etwas privat halten möchte.
Ich finde, dass die Privatsphäre eigentlich eine große Rolle im Leben spielt und ich persönlich könnte mir nicht vorstellen mein Leben, meine Probleme, meine Liebe und desgleichen in einem Blog zu veröffentlichen. Und, wenn der Blog dann auch noch für jeden zugänglich ist, würde ich das auch nicht toll finden. Ich würde es merkwürdig finden, dass es Leute gibt, die meinen Blog lesen und sich für mein Leben interessieren, wobei diese Leute mich doch gar nicht kennen.
Ich persönlich würde es auch komisch finden einen Blog zu lesen, der so privat ist. Ich würde mich da irgendwie komisch fühlen private Dinge einer Person zu lesen, die ich so gar nicht kenne. Vielleicht würde ich aus Neugierde diesen Blog verfolgen, aber ich bin mir nicht ganz sicher.
Ich war auch einmal auf einer Seite im Internet angemeldet, wo man anonym Tagebuch schreiben konnte. Man konnte sich das Tagebuch in Form eines Blogs selbst gestalten und auch darüber entscheiden, ob das Tagebuch öffentlich oder nur für einen selbst einsehbar sein sollte. Dabei konnte man jedoch natürlich trotzdem recht anonym bleiben, auch wenn man das Tagebuch öffentlich hatte, da man ja nicht dazu gezwungen war, bei der Wahrheit zu bleiben, persönliche Fotos einzufügen oder eindeutige persönliche Angaben zu machen. Von daher hat es mir auch nichts ausgemacht, zu der Zeit öffentlich Tagebuch zu schreiben und es hat mich selbst auch immer animiert, über meine Gefühle zu schreiben, da ich wusste, dass das auch andere Leute lesen würden. Von daher hat mir das Schreiben wirklich gut geholfen.
Als ich auf der Seite angemeldet war, habe ich dann natürlich auch andere Tagebücher gelesen. Das fand ich immer extrem spannend und ich konnte es manchmal kaum erwarten, bis meine liebsten Schreiber wieder einen neuen Eintrag machten. Immerhin habe ich bei manchen Sachen richtig mit gelitten und manche Sachen haben mich wiederum sehr gefreut. Von daher hatte ich immer das Gefühl, einen tiefen Einblick in das Leben von jemandem zu haben und ich habe mich dadurch auch immer sehr mit einer Person verbunden gefühlt. Immerhin bekommt man ja einen Einblick in die Gefühle, Ängste und Wünsche von jemandem und da ist es eigentlich selbstverständlich, dass man dadurch glaubt, eine Person richtig zu kennen. Von daher kann man sich dann vielleicht auch so richtig mit ihr identifizieren und bei mir war es dann auch so, dass ich einige Leute richtig lieb gewonnen habe, obwohl ich sie eigentlich gar nicht persönlich kannte. Allerdings hatte ich das Gefühl, sie ewig zu kennen, auch wenn sie vielleicht nicht einmal etwas von meiner Existenz wussten.
Seitdem ich auf dieser Seite selbst nicht mehr Tagebuch geschrieben habe, habe ich dann jedoch auch nicht mehr daran gedacht, andere Tagebücher zu lesen. Allerdings könnte ich mir das für die Zukunft durchaus wieder vorstellen. Immerhin ist es im Prinzip nichts anderes, als wenn man ein Buch liest. Man kann in eine Geschichte und eine völlig andere Welt eintauchen, ohne die Person richtig zu kennen. Dabei bleibt es jedoch immer wieder spannend, da man nie weiß, wie die Geschichte ausgehen wird. Zudem bekommt man auch immer nur einen Eintrag, so dass man dann immer ganz gespannt ist, wann der nächste Eintrag kommen wird. Auf diese Weise ist so ein Blog natürlich auch extrem interessant und da man weiß, dass die Person real ist, ist man natürlich auch irgendwann wild darauf, immer mehr von der Person zu erfahren.
Ramones hat geschrieben:Gerade am Anfang hätte ich ihm am liebsten eine Nachricht geschrieben, dass man so etwas doch nicht öffentlich machen kann
Wieso nicht? Solange er keine realen Namen verwendet und intime Details über seine Mitmenschen ausplaudert oder andere Personen beleidigt oder bloßstellt, sollte das doch kein Problem darstellen. Abgesehen davon kann doch jeder von sich selber erzählen, was er möchte. Selbst, wenn er sich dabei zum Affen machen würde, das Recht, über sich selber zu bestimmen, und darüber, was er öffentlich macht, hat jeder Mensch.
Ich selber hätte jedenfalls kein Problem, Tagebuchblogs zu lesen. Genau genommen habe ich das auch schon einige Male getan, und hatte dabei auch keinerlei seltsame Gedanken und auch kein komisches Gefühl. Wobei das vermutlich auch noch einmal davon abhängig ist, was im Blog denn genau steht. Was ich bisher gelesen habe, befasste sich mit Hobbies, Buchdiskussionen und Alltagsproblemen. Keine detaillierten Sexgeschichtchen oder solche Dinge, sondern Schilderungen und Gedanken zum Alltag der Person.
Wieso ich solche Blogs gelesen habe, ist auch leicht erklärt: Ich fand es interessant, zu sehen, was andere Leute so erleben und worüber sie sich Gedanken machen. Und besonders interessant war es auch, über die Dinge per Kommentarfunktion auch zu diskutieren, beziehungsweise die eigenen Gedanken dazu noch einmal zu teilen. Auf dem Weg haben sich bei mir sogar schon mehrere Freundschaften und noch genügend lose Bekanntschaften ergeben. Ich bereue es definitiv nicht.
Ganz früher habe ich sogar selber mal so ein Tagebuch-Blog geführt und habe auch eine erstaunlich große Anzahl an Stammlesern beziehungsweise Abonnenten bekommen. Ich weiß selber nicht, was sie so spannend an den Erzählungen einer anfangs 16-Jährigen fanden, aber andererseits schrieb ich auch sehr viel über die Vielzahl meiner Hobbies. Meine Reiseberichte fanden wohl auch viele spannend.
Trotz allem halte ich Privatssphäre übrigens für sehr wichtig. Ich habe damals auf meinem Blog auch nirgends meinen realen Namen und Wohnort erwähnt. Heute wird diese Anonymität ja teilweise schon durch die Impressumspflicht auch für Privatpersonen zerstört, aber damals gab es die noch nicht. Also wussten meine Leser nur, dass ich 16 Jahre alt bin und weiblich.
Statt meines Namens habe ich nur mein Pseudonym verwendet, wiederkehrende Personen bekamen einen unechten Namen von mir zugewiesen, den ich dann über Monate und Jahre natürlich beibehielt. Orte wurden mit dem Anfangsbuchstaben abgekürzt, bei bestimmten Orten hieß es auch nur, beispielsweise "das Naturkundemuseum in P." oder "die Kirche an der F.er Straße". Manche zu detaillierten Sachverhalte, aus denen man auf mich als Person irgendwie hätte schließen können, habe ich auch ausgelassen. Trotzdem konnte ich so natürlich viele Dinge erzählen und es kam immer wieder zu interessanten Kommentaren und Diskussionen. Es war keine schlechte Zeit.
Wenn der Verfasser einen ordentlichen Schreibstil und auch etwas Interessantes zu erzählen hat, würde ich ein Blog im Tagebuchstil durchaus lesen. Schließlich hat sich der Betreiber aus freien Stücken dazu entschieden, Teile seines Privatlebens öffentlich zugänglich zu machen, und ich bin ständig neugierig darauf, wie andere Leute so ticken. Allerdings sind Tagebuchblogs für mich nur interessant, wenn der Betreiber irgendwelche Hobbys, Leidenschaften oder Eigenheiten hat, die mich ebenfalls betreffen oder interessieren. Ein gewisses literarisches Talent ist außerdem unabdingbar.
Wenn also jemand in seinem Blog nur über Alltagskram berichtet oder damit angibt, wie toll er oder sie ist, was er sich alles leisten kann und wie super es in allen Bereichen seines Lebens vorangeht, bin ich schnell gelangweilt. Auch Themen wie Bisexualität betreffen mich eigentlich nicht persönlich. Wenn sich der Verfasser des Blogs also nur darüber auslässt, wie schwer es ist, einen Partner oder eine Partnerin abzukriegen, läuft das für mich unter Partnersuche und Single-Lamento im Allgemeinen, und so ein Blog würde ich mangels Interesse nicht verfolgen. Sollten sich aber faszinierende Einblicke in das Leben und die Persönlichkeit eines Menschen und seiner Weltsicht ergeben, wäre ich schon dabei, zumindest für eine Zeitlang.
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