Geschiedene Eltern nach Jahren versöhnen?

vom 08.05.2014, 01:40 Uhr

Wie hier einige Leute wissen, habe ich kein sonderlich enges Verhältnis zu meinen Eltern. Ich bin mit 18 Jahren ausgezogen, wobei ich auch schon die beiden Jahre davor kaum mehr zuhause war. Also außer zum Schlafen, und das auch nur, weil es von mir verlangt wurde, war ich eigentlich nie im Elternhaus, sondern immer draußen unterwegs, bei Freunden oder bei meinem damaligen Freund.

Auch heute ist das Verhältnis nicht sonderlich eng. Ich rufe bei meinem Vater, der in derselben Stadt wie ich wohnt, ab und zu an, ab und zu besuche ich ihn auch. Das liegt aber auch eher daran, dass er schon sehr alt ist, und ich mir eben Sorgen um seine Gesundheit mache. Da habe ich schon das Gefühl, dass ich öfters mal nachsehen sollte, ob noch alles in Ordnung ist. Außerdem ist er ein einsamer Mensch und tut mir daher auch etwas leid.

Und was meine Mutter betrifft, so schreibe ich ihr ab und zu E-Mails. Persönlich getroffen habe ich sie seit mittlerweile annähernd acht Jahren nicht mehr. Sie ist, da war ich ungefähr 19 Jahre alt, aus Deutschland ausgewandert, zurück in ihr asiatisches Heimatland. Seitdem haben wir einander nicht mehr gesehen. Aber ehrlich gesagt hat mich das auch nie so wirklich gestört, denn eine richtige Bindung hatte ich vorher schon nicht zu ihr. Ich bin nämlich bei meinem Vater aufgewachsen, seit dem 6. Lebensjahr, also seit dem Zeitpunkt, zu dem meine Eltern sich trennten. Die juristische Scheidung erfolgte, wenn ich das richtig im Kopf habe, etwa ein Jahr später. Gesehen hatte ich meine Mutter seitdem nur noch an Wochenenden. Wobei ich zugeben muss, dass ich darauf manchmal irgendwie auch keine Lust hatte.

Zu diesen vielleicht etwas verwirrenden Familienverhältnissen kommen jetzt neue wirre Dinge, die mich schon etwas beschäftigen. Ich stehe ja, wie gesagt, mit meiner Mutter schon noch in E-Mail-Kontakt, und meinen Vater besuche ich alle zwei bis drei Wochen mal abends nach der Arbeit. Natürlich bekomme ich dann auch Erzählungen von beiden mit, in denen es darum geht, welche Gedanken sie sich machen und was sie beschäftigt.

Was ich seltsam finde, ist, dass meine Mutter nun seit einigen Monaten immer wieder von früher erzählte, sich intensiv erkundigte, was mein Vater heute so mache und wie es ihm ginge. Manchmal erzählte sie mir sogar davon, dass sie von ihm geträumt hätte, was wohl gar nicht so selten vorkommt. Außerdem hat sie neulich die Überlegung geäußert, wieder zurück nach Deutschland zu ziehen. Irgendwie gefällt es ihr in ihrer Heimat einfach nicht mehr. Sie meint, die Zeit in Deutschland sei irgendwie schöner gewesen. Dazu kommt, dass sie in Asien auch keine engen Verwandten mehr hat. Ihre Eltern sind seit Jahren tot und mit ihrer Schwester hat sie sich zerstritten. Also ein wenig kann ich es schon verstehen, dass sie nun an die Zeit in Deutschland zurückdenkt und davon träumt, diese positiv verklärten Erinnerungen neu aufleben zu lassen. Aber komisch ist es schon, dass sie nun andauernd positiv von meinem Vater spricht und sich nach ihm erkundigt.

Um es noch seltsamer zu machen, hat mein Vater nun, ohne von den Plänen meiner Mutter zu wissen, auch angefangen, alte Fotoalben herauszukramen. Er schaut sich Fotos von der Zeit mit meiner Mutter an. Er hat mich auch mal gefragt, in welcher Stadt meine Mutter heute lebt, und hat dann interessiert im Internet nachgelesen und sich Fotos von dort angesehen. Ebenso redet er nun sogar manchmal positiv über meine Mutter, was mich sehr verwundert, weil sie ja seit der Scheidung wirklich extrem zerstritten waren und einander immer nur ankeiften, wenn sie sich mal begegneten. Irgendwie ist es wirklich merkwürdig.

Wohlgemerkt, meine Eltern sind jetzt seit etwa 20 Jahren geschieden. Bis zu meinem 16. Lebensjahr sahen sie sich immerhin kurz, wenn meine Mutter mich am Wochenende mit dem Auto abholte. Aber da keiften sie sich eher gegenseitig an. Freundlichkeit war da nicht zu erkennen. Und seit mittlerweile über 10 Jahren haben sie sich gar nicht mehr gesehen und nie wieder ein Wort miteinander gewechselt. Umso verwunderlicher finde ich ihr heutiges Verhalten, das nun seit einigen Wochen plötzlich aufgetreten ist.

Ja, sicherlich werden sie alt. Ich kann mir gut vorstellen, dass man dann von früher träumt, von Zeiten, zu denen man glücklich und nicht alleine war. Aber irgendwie empfinde ich diese Verhaltensveränderungen derzeit dennoch als verwirrend. Wie sollte ich reagieren? Sollte ich gar nichts sagen, oder vielleicht mal anmerken, was das jeweils andere Elternteil derzeit tut? Sollte ich meinem Vater erzählen, dass meine Mutter plant, wieder in Deutschland zu leben? Sollte ich meiner Mutter erzählen, dass mein Vater sich nach ihr erkundigt hat und oft von früher redet? Oder ist das eine Privatsache und ich sollte mich komplett heraushalten? Ich wäre für jegliche Ratschläge und Gedanken zu diesem Thema sehr dankbar.

Übrigens bin ich niemand, der nun viel Wert darauf legen würde, dass die beiden wieder in Kontakt miteinander treten. Selbst als Kind habe ich mir nie gewünscht, die beiden wieder versöhnt zu sehen. Der Gedanke, dass sie wieder befreundet sein könnten, vielleicht, wenn meine Mutter zurück ist, verwirrt mich eher. Vielleicht verunsichert diese unerwartete, seltsame Wendung mich sogar. Also irgendwie extrem glücklich bin ich derzeit nicht wegen der Sache. Wenn es so kommt, hätte ich natürlich auch nichts dagegen, ich würde mich auch für meine Eltern freuen, wenn sie das glücklich macht. Aber ich selber empfinde derzeit irgendwie nur Verwirrung.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Nun eine Scheidung kann ja viele Gründe haben. Da deine Mutter wieder in ihr Heimatland gezogen ist, könnte es ja durchaus möglich sein das sie einfach nur ein unglaubliches Heimweh hatte und dies die Beziehung so enorm belastete, dass beide einen Schlussstrich zogen. Ich selbst habe meine Heimat für meinen Partner verlassen und habe auch gelegentlich Heimweh. Mein Partner versteht dies und würde mir jederzeit ein Ticket kaufen, sodass ich meine Familie besuchen kann. Von ihn getrennt sein kann ich mir allerdings nicht vorstellen und möchte dies auch nicht. :lol:

Vielleicht haben sie sich auch einfach nur auseinander gelebt und brauchten einfach eine Pause. Ich denke schon, dass du deinen Eltern gegenüber ruhig die Wahrheit ansprechen kannst. Sie sind ja beide schon geschieden und es kann kaum irgendetwas in ihrer Beziehung zerstören. Vielleicht haben ja beide Interesse daran, den Kontakt langsam wieder aufzubauen. Eine alte Liebe kann immer wieder entflammen. Da wären deine Eltern nicht die Ersten.

» xZombieKitten » Beiträge: 538 » Talkpoints: 13,88 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Meine Eltern haben sich definitiv nicht wegen dem Heimweh meiner Mutter getrennt. Genau genommen haben sie sich andauernd gestritten, hatten mit der Zeit ungleiche Lebenseinstellungen entwickelt, und meine Mutter hat sich einfach nicht mehr wohlgefühlt, weil mein Vater auch andauernd klugscheißerisch bis authoritär ihr gegenüber aufgetreten ist. Das war der Grund, wieso sie dann gegangen ist. In Deutschland hat sie übrigens nach der Scheidung von meinem Vater noch über 10 Jahre gelebt. Die Idee, auszuwandern, kam ihr dann, nachdem ich mein Abitur gemacht hatte. Wieso genau, weiß ich nicht.

Aber nachdem meine Eltern sich eben so gestritten hatten und gar nicht mehr wirklich miteinander klar kamen, wundert mich das heute schon, dass sie wieder so positiv über einander denken. Ich kann mir vorstellen, dass das wirklich am Älterwerden liegt. Beziehungspausen können ja ruhig vorkommen, aber eine Pause von 20 Jahren? Das fände ich schon ungewöhnlich.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Im Alter sieht man viele Dinge anders, als eigentlich waren. Das habe ich bei dem Vater meiner Mutter gesehen. Als Opa mag ich diesen Mann nicht bezeichnen, weil er keiner für mich war. Nach dem Tod meiner Oma hat er meine Mutter und ihre Schwester durch Lügen gegen einander ausgespielt. Nur um zu verheimlichen, dass es da bereits eine andere Frau an seiner Seite gibt. Er hat sich dann per Brief von meiner Mutter losgesagt und damit eben auch den Kontakt zu mir abgebrochen.

Als ich dann volljährig war, bin ich mal zu ihm gefahren. Ich kannte zu diesem Zeitpunkt die Briefe, die zwischen ihm und meiner Mutter geschrieben worden waren. Dann kamen seine Erzählungen und ich war erstaunt, wie er die Dinge sah. Wobei trotzdem keiner gut vom anderen gesprochen hat. Sprich selbst im Alter hat er sogar seine Tochter verleugnet beziehungsweise nur zugegeben, dass sie existiert, aber nichts über sie berichtet.

Ich selbst habe ich mich ja auch vor fast fünf Jahren von meinem Ex-Mann getrennt. Dabei gibt es noch heute genug Streit und ich glaube nicht, dass es je anders wird. Außer, wenn unsere Kinder mal volljährig sind und seine Unterhaltspflicht erledigt ist. Aber dann eben nur aus dem Grund, weil wir dann keinen Kontakt mehr haben müssen. Und bei den Lügen, die mein Ex-Mann über mich in die Welt gesetzt hat, lege ich auch keinen Wert auf eine Versöhnung.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich glaube, dass es auch ein bisschen an dir liegt, dass die beiden jetzt über ihre gemeinsam verbrachte Zeit nachdenken. Du bist das Bindeglied in deren beiden Leben und wenn du den Kontakt hältst und sei es auch noch so wenig haben sie mit deinem Anblick oder mit dem Bild im Kopf auch immer das Bild des Ex Partners vor sich.

Im Alter denkt man dann auch sicherlich darüber nach, wie das Leben verlaufen wäre, wenn man andere Wege genommen hätte. Wenn man dann noch einsam da sitzt, wünscht man sich einfach auch die Liebe vergangener Tage zurück, die Herzlichkeit. Ich denke, dass man einfach merkt, wenn man nicht mehr jung ist und dann automatisch der Punkt kommt, an dem man sich seine jungen Jahre zurück wünscht.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


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