Unrealistische Lebensträume lieber nicht infrage stellen?

vom 25.03.2014, 22:46 Uhr

Einer meiner Nachbarn hat mir schon mehrfach davon berichtet, dass seine Eltern sehr viel Geld verdient haben und dann von dem Geld mehrere Eigentumswohnungen gekauft haben. Er versteht sich nicht sonderlich mit seinen Eltern, aber er meint, dass er diese Eigentumswohnungen ja mal erben wird. Er war der Meinung, dass er dann von den Mieteinnahmen leben können und er müsse eben nur die Zeit überbrücken, bis er diese Wohnungen erbt.

Ich habe dann ein wenig seinen Traum zerstört. Ich habe nämlich gefragt, wie viel die Eltern denn an Miete verdienen und er meinte, es sind vier Eigentumswohnungen und pro Wohnung erhalten seine Eltern ungefähr 600 EUR Miete im Monat. Insgesamt sind das also 2400 EUR. Und da habe ich ihm dann vorgerechnet, dass er das ja versteuern muss und dass er, wenn er ausschließlich von der Miete leben will, eine private Krankenversicherung braucht oder sich freiwillig gesetzlich krankenversichern müssen und das dann auch noch von den Einnahmen abgezogen werden müsste. Da käme dann am Ende vielleicht was um die 1000 EUR raus, wenn man auch bedenkt, dass er davon sogar noch eventuelle Reparaturen bezahlen müsste.

Da hat er dann allerdings ganz schön betroffen geschaut. Ich denke, er hat sich das nie so richtig überlegt, wie viel da an Steuern und anderen Abgaben weggehen würde, sondern nur die Brutto-Mieteinnahmen gesehen. Um wirklich vom Vermieten alleine leben zu können, müsste man dann halt schon mehr Wohnungen haben oder eben welche besitzen, die deutlich höhere Mieten abwerfen. Klar ist die Idee verlockend, dann nicht mehr arbeiten zu müssen, sondern nur noch zu vermieten, aber es funktioniert eben nicht.

Hätte ich ihm das vielleicht lieber nicht vorrechnen sollen? Ich hatte ein wenig den Eindruck, ihm damit den Lebenstraum versaut zu haben, denn er mag seinen Job nicht so sonderlich und hat sich vermutlich sehr darauf versteift, dass er irgendwann nicht mehr arbeiten muss. Ist es vielleicht manchmal besser, wenn man anderen ihren Glauben lässt, auch wenn der unrealistisch ist?

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Es klingt tatsächlich so, als ob der junge Mann sich sehr auf diesen Lebensentwurf versteift hat. Als ob er ihn gar nicht in Frage stellen würde und wirklich nur noch wartet. Als ob ihn erst dann, wenn er wirklich erbt und seinen Job schon gekündigt hat, die Realität eingeholt hätte. Und das wäre echt verheerend gewesen.

Also in dem Fall finde ich es schon ganz gut, dass du ihm mal erklärt hast, wie der Hase läuft. Klar, ist es erst mal eine Enttäuschung. Aber die wäre doch so oder so gekommen. Und jetzt kann er sich wenigstens darauf vorbereiten. 1000 Euro und davon noch die Wohnungen instandhalten, klingt nämlich echt ziemlich wenig. Aber es ist nicht nichts. Er muss seinen Plan jetzt eben ein bisschen modifizieren.

Bei der Überschrift habe ich eigentlich etwas anderes erwartet. Was der junge Mann da macht, ist ja nicht träumen, sondern schon planen. Einen unrealistischen Lebenstraum würde ich es nennen, wenn eine 20jährige davon träumt, Prima Ballerina zu werden. Da kommt sie einfach ungefähr 16 Jahre zu spät und hätte schon sehr früh mit Ballett anfangen müssen. Aber ich würde gar nicht erwarten, dass sie sich demnächst zu einem Vortanzen für ein Ballettensemble im Staatstheater anmeldet. Von daher würde ich so jemanden weiterträumen lassen. Weil es wirklich nur ein Traum ist und sie eigentlich weiß, dass es nichts wird.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich finde es genau richtig, wie du es gemacht hast. Sicher hättest du schweigen und ihm seinen Traum lassen können, aber so weiß er jetzt eben, dass er alleine mit den Mieteinnahmen nicht wird haushalten können und das ist doch auch gut so. Immerhin war der Traum ja wirklich nicht gerade realistisch. Wenn er seinen Job nicht mag, dann kann er sich ja vielleicht einen neuen Job suchen. Wenn er dies recht zeitnah macht, dann hat er doch auch noch lange Freude an seinem Beruf, wenn er den richtigen Job findet. So gesehen wäre es dann sogar gut gewesen, dass du ihm aufgezeigt hast, dass sein Traum so nicht funktionieren kann.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



Ich weiß ja nicht, was du da gerechnet hast, aber ich halte dein Ergebnis für eher unrealistisch. Wenn man mal von rund zehn Prozent Hausgeld ausgeht und zumindest die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung ansetzt, sind noch etwa 1.700 Euro vorhanden. Sicherlich kommen dann bei der Jahresabrechnung noch Einkommenssteuern dazu, aber das ist mit Sicherheit nicht so viel, dass man nur noch 1.000 Euro im Monat ausgeben dürfte.

So unrealistisch sind also die Zukunftsträume deines Nachbarn gar nicht. Zumindest wenn die Wohnungen alle schuldenfrei sind, wenn das Erbe fällig wird. Wobei es mir persönlich langweilig wäre nur zu überwachen, dass die Miete auch pünktlich eingeht. Da sollte man dann schon noch einen Job haben oder ein zeitintensives Hobby.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Wenn du es ihm nicht gesagt hättest, wäre es ihm vielleicht erst mal besser gegangen, aber am Ende hätte er alles hingeworfen und dann darauf gehofft dass das klappt und wäre dann auf die Nase gefallen. Es ist schon besser, wenn man auch mal ehrlich ist. Träume sind ja auch gut und schön, aber man sollte sein Leben nicht für einen Traum aufgeben, bei dem man nicht mal weiß, ob man davon leben kann. Es war wichtig ihm das mal zu erzählen und er wird sicherlich am Ende auch dankbar sein. Sein Leben kann er ja trotzdem noch ändern, einen anderen Job suchen und so weiter.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Prinzipiell hast du nichts böses getan, besser ihn jetzt auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, anstatt noch zu warten, bis es zu spät ist und er dann merkt, dass sein Lebenstraum nur eine Illusion war. Natürlich ist es jetzt traurig für ihn, dass er diesen vermeintlichen Traum nie wird leben können, aber jetzt hat er wenigstens noch die Chance und Möglichkeit sich vielleicht einen anderen Job zu suchen, sich weiter zu bilden oder gar einen ganz anderen Weg einzuschlagen.

An sich ist das nicht verkehrt, aber man sollte dabei auch immer bedenken, dass man nie alle Hintergrundinformationen hat. Seine Eltern scheinen ja auch gut davon zu leben und vielleicht ist die Miete doch nicht so gering. Mir ist hier im Forum auch schon mehrfach vorgerechnet worden, ich würde nach meinem Studium nix verdienen, dabei habe ich zum Glück direkt im Studium meine Vorbilder, die den Studiengang schon fertig haben, in dem ich stecke und die besser verdienen, als ich es mir gedacht hätte und als es uns gesagt worden ist. Manchmal hat man selbst eben auch nicht das ganze Hintergrundwissen, welches nötig ist, um die entsprechende Situation zu beurteilen.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich bin sprachlos, dass dein Nachbar schon auf sein Erbe wartet, das heißt, auf den Tod seiner Eltern. Wenn seine Eltern viel verdient haben, müssen sie auch eine gute Arbeit gehabt haben, bevor sie Rentner wurden. Das heißt aber auch, dass sie eine Rente bekommen, von der sie sicherlich leben können. Die Mieteinnahmen haben sie dann zur Verfügung, wenn etwas mit den Wohnungen ist, beziehungsweise eine Reparatur fällig ist.

Wovon will der Sohn dann leben, wenn er nicht mehr arbeiten geht und nur eine geringe Rente bekommt, weil er seine Arbeit aufgegeben hat. Es ist gut, dass du ihm mal die Situation vorgerechnet hast. Mit seinen Eltern versteht er sich nicht, aber deren Erbschaft möchte er lieber heute als morgen haben. Dieser Sohn müsste so richtig auf die Nase fallen. Vielleicht fällt es den Eltern ein, einen Teil der Wohnungen zu verkaufen, um sich noch etwas in der Welt anzusehen. Das wäre die passende Antwort für einen solchen Schnösel. Zu faul zum Arbeiten, aber von dem erarbeiteten Geld der Eltern leben wollen. Würde ich die Eltern kennen, könnte es durchaus sein, dass ich sie überreden würde, sich einen tollen Kururlaub für ein paar Wochen in Italien zu gönnen.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Ich finde es absolut nicht schlimm, dass du deinem Nachbar aufgezeigt hast, dass sein Traum einfach nur unrealistisch ist. Immerhin wolltest du ihm ja absolut nichts Böses, sondern du hast ihm nur die Augen geöffnet. Dabei war das ja auch recht neutral von dir ausgerückt und ich finde es auch gut, dass du deinem Nachbar klar gemacht hast, dass sein Traum wirklich unrealistisch ist. Immerhin ist das besser, als wenn du es ihm aufzeigst, als wenn er später einmal so richtig enttäuscht ist. Außerdem ist es auch gut, so etwas so früh, wie möglich zu erfahren. Die Enttäuschung wäre schließlich noch größer, wenn dein Nachbar erst nach einigen Jahren erfahren würde, dass das mit seinem Traum nichts wird. Je länger man an etwas festhält, desto schmerzhafter ist es dann, wenn man erfährt, dass es dann doch nicht so klappt, wie man es sich vorgestellt hat.

Ich denke, dass du auch gar nichts dafür kannst, wenn dein Nachbar sich vorher noch keine Gedanken über sein Erbe gemacht hat und es sich nicht richtig ausgerechnet hat. Du musst kein schlechtes Gewissen haben oder dich verantwortlich für seine Enttäuschung fühlen. Immerhin ist er ja im Prinzip selbst schuld, wenn er einfach nur so oberflächlich gedacht hat, ohne alles auszurechnen. Da muss er ja auch selbst damit rechnen, dass er mit dieser Variante auf die Nase fallen kann.

Wenn man ganz genau weiß, dass jemand anders einen völlig unrealistischen Traum hat, dann spricht auch nichts dagegen, das auch anzumerken. Immerhin sollte man nicht dazu gezwungen sein, völlig absurde Wünsche ernst zu nehmen und das könnte ich selbst auch nicht. Dafür bin ich auch viel zu pessimistisch und es platzt dann auch immer aus mir heraus, dass der Wunsch unrealistisch ist. Immerhin möchte ich meinen Mitmenschen ja auch nichts Schlechtes, sondern ich möchte, dass sie dann einfach nicht enttäuscht werden. Von daher sehe ich mich ehrlich gesagt auch immer ein wenig verpflichtet, sie aufzuklären und ich würde mich auch gar nicht wohl fühlen, wenn ich meine Bedenken für mich behalten würde. Dabei denke ich mir auch immer, dass ich vielleicht etwas falsch verstanden habe und deshalb äußere ich dann auch meine Bedenken. Immerhin könnte es ja sein, dass mein Gegenüber dann etwas anmerkt, was ich gar nicht bedacht habe.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge


Erstmal muss ich sagen, dass ich deinen Nachbarn auf der einen Seite schon verstehen kann: Der Gedanke, dass man nicht mehr arbeiten muss, sondern nur noch von den Mieteinnahmen leben kann ist schon nicht schlecht. Jedoch muss man eben sagen, dass es, wenn es nur vier Wohnungen sind, mit denen man jeweils 600 Euro einnimmt, zu wenig Wohnungen sind, um davon leben zu können. Wenn er vielleicht noch drei Wohnungen mehr hätte, mit denen er ebenfalls so viel einnimmt, dann denke ich, dass es sich dann vielleicht lohnen würde. Aber man muss auch erst mal 7 Eigentumswohnungen haben!

Ich denke aber auch, dass es gut ist, dass du ihm das so offen und ehrlich gesagt hast. Ich könnte mir vorstellen, dass das bisher noch keiner gemacht hat und dass er eben auch sehr auf die Nase geflogen wäre, wenn er das wirklich ohne Weitere so gemacht hätte. Von daher hast du ihn in gewisser Weise auch vor einem großen Unheil bewahrt, von dem er noch nichts wusste. So weiß er aber jetzt schon, dass das mit den Wohnungen lediglich ein guter Nebenverdienst sein wird und kümmert sich hoffentlich darum, dass er ein gutes Einkommen behält, mit dem er über die Runden kommt.

» Hufeisen » Beiträge: 6056 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


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