Sollen Rechentürme auswendig gelernt werden?

vom 21.03.2014, 10:09 Uhr

Ich kenne das noch aus meiner Schulzeit, dass man das ganze 1x1 auch auswendig gelernt hat. Mein Neffe geht nun in die erste Klasse und in Mathematik lernen sie eben auch gerade Addieren und Subtrahieren. Dafür haben sie Rechentürme, so nennt sich das jedenfalls. Im Prinzip ist im ersten Turm eben 0+2, 1+2, 2+2, 3+2, 4+2 und so weiter. Im zweiten Turm werden dann immer 3 addiert, im nächsten werden 4 addiert und so weiter. Das geht eben jeweils bis zur Zahl 20. Das Gleiche gibt es für Subtraktionen. Mein Neffe meint nun, dass er all die Türme auswendig lernen muss. Also so wie beim 1x1.

Macht das Sinn? Also vielleicht können die Kinder dann rascher 3+4 zusammen rechnen, aber soweit ich mich an meine Kindheit erinnere, haben wir bei Additionen und Subtraktionen keine Rechentürme auswendig gelernt. Wie ist das bei euren Kindern?

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Letztlich sind alle Übungen in ein Unterrichtskonzept eingebettet. Je nach Lehrer, Schule und Bundesland kann sich das schon einiges an Unterschied zeigen. Man kann verschiedene Aufgabentypen mit verschiedenen Zielstellungen verwenden. Und je nachdem, welcher didaktischen Strömung die Lehrkraft anhängt, wird sie solche Übungen auch verwenden. Von daher kann dir hier leider keiner sagen, ob das in der Schule deines Neffens tatsächlich so verlangt wird, oder nicht. Da hilft nur ein Gespräch mit der Lehrerin, um so etwas abzuklären.

Ich könnte dir hier nur erklären, was in neuerer Literatur steht, wie man Mathematik unterrichten sollte. Aber das hilft dir vermutlich so direkt weiter. Grob vereinfacht gesagt zielt man heute im modernen Mathematikunterricht darauf ab, dass die Schüler zuerst Zusammenhänge, Strukturen und Funktionsweisen verstehen. Erst dann wird auch geübt, bis die Rechenfertigkeiten so groß sind, dass man immer weniger Mühe hat. Das reine auswendig lernen von Anfang an ohne Training des mathematischen Denkens gilt heute als überholt. Aber das ist eben längst noch nicht an allen Schule so angekommen, da es hier, wie in allen Bereichen der Unterrichtswissenschaften große Uneinigkeit unter den Fachleuten gibt.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich bezweifle nicht, dass mein Neffe diesen "Auftrag" bekommen hat. Da habe ich mich im Ausgangsthread vielleicht etwas unglücklich ausgedrückt. Mir geht es eher um die Diskussion ob es Sinn macht, solche Rechentürme auswendig zu lernen. Vorteil bei dem auswendig lernen ist eventuell die Automatisierung. Der Rechenvorgang ist dann eventuell schneller, wobei bei so auswendig gelernten Türmen ja auch denke ich durchaus die Gefahr ist, dass man die eben wie ein Rad runterspult und wenn man dann eben ja nur einen Teil (3+4) und nicht den ganzen Turm braucht, ist es oft nicht leicht da dann das Ergebnis zu wissen.

Wäre es nicht sinnvoller wenn man eher mehr am Zahlenverständnis arbeitet? Also dass man eben "versteht", warum 3+4 dann eben 7 ist, als es auswendig zu lernen? Mir ist es wie gesagt mehr oder weniger egal, in welchem Bundesland wer was wie lernt und wie es in Lehrplänen empfohlen wird. Mein Neffe wird die Türme lernen müssen. Er wird schon keinen Schaden davon tragen. :D Aber mir geht es wie gesagt nicht darum, zu hinterfragen ob nun die Lehrerin gut oder schlecht ist, sondern mir geht es rein um die Überlegung, wie man Kindern das Addieren und Subtrahieren am besten näher bringt. Kann ja auch durchaus sein, dass es durch auswendig lernen ist.

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Frage zig Lehrer und du wirst einige Meinungen hören. Meine persönliche Meinung ist folgende: auswendig lernen ohne vorherige Einsicht schadet in der Mathematik. Sowohl beim Erlernen von Addition und Subtraktion, als auch beim Multiplizieren und Dividieren. Wenn die Kinder nicht verstehen, warum das so ist und warum man genau so handelt, dann versuchen sie wie bei einem Kochrezept einfach Regeln abzuspulen und kommen in Teufels Küche, weil sie nicht mal merken, wenn sie Fehler machen. Wenn man mit Kindern dann immer und immer wieder ohne Einsicht auswendig lernt, werden die meisten Kinder total frustriert. Sie lernen und lernen eifrig ohne entscheidenden Erfolg. Man prägt sich nämlich dann viel zu leicht Fehler ein. Dann entsteht irgend wann die Einsicht, die so viele Kennen: Ich bin einfach nicht mathematisch begabt.

Von daher würde ich immer empfehlen, mit dem Kind daran zu arbeiten, dass es versteht, warum in der Mathematik etwas so ist, wie es ist. Wenn man versteht, was zu tun ist, dann kann man daran feilen, dass es einem leicht von der Hand geht. Weil das beherrschen der Malfolgen kann einem eben niemand abnehmen. Wenn man in der fünften Klasse erst mal anfangen muss auszurechnen, was sieben mal acht ist, dann verliert man zu viel Zeit für komplexere Anforderungen. Trotzdem reicht Auswendig lernen eben nicht. Es kann immer mal passieren, dass man einzelne Elemente der Malfolgen vergessen hat. Dann kann man sich das Ergebnis zumindest schnell herleiten, wenn man weiß, wie es funktioniert. Auch da hilft das Verständnis wieder.

Wenn man ein Kind hat, dass besonders mathematisch begabt ist, dann wird es ihm weniger schaden, wenn es nur auswendig lernt, weil es sich die Funktionsweise vielleicht autodidaktisch erschließt. Aber gerade die Kinder, die ohnehin schon Mühe mit Mathe haben, die werden durch reines, einsichtsloses auswendig lernen noch mehr behindert. Es ist meiner Ansicht nach total falsch zu sagen, dass man denen das Verstehen erspart, weil das angeblich zu schwer ist. Das Gegenteil ist der Fall.

Um mit Kindern gezielt Übungen auszuwählen, die die Einsicht und das Verständnis schulen, sollte man sich schon auskennen. Man sollte schon wissen, was man tut. Vor allem sollte man wissen, was einzelne Fehler über den Stand des Lernprozesses aussagen. Und man muss auch wissen, welche Lernmaterialien in welchem Fall geeignet sind und für das Verständnis hilfreich. Auf jeden Fall schadet es nicht, wenn Eltern sich hier belesen. Denn der Mathematikunterricht, den wir selbst früher bekommen haben, ist nicht ganz ohne Kritik zu sehen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



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