Wenn das eigene Kind sich plötzlich abwendet

Folgende Situation: Eine Mutter fühlt sich von ihrem 19-jährigen Kind vernachlässigt und spricht dieses auch darauf an. Das Kind antwortet es sei alles in Ordnung und das die Mutter alles nur übertreiben würde. Nun gut, vier Monate vergehen nach diesem Gespräch bevor sich das Kind wieder meldet. Die Mutter ist inzwischen etwas nachdenklicher geworden und würde nur zu gerne endlich erfahren was eigentlich vor sich geht. Diesmal antwortet das Kind das es jetzt erwachsen sei und von zu hause ausgezogen wäre um endlich selbständig zu werden. Das ganze wäre für die Mutter eigentlich auch gar kein Problem, wenn das Kind nicht immer für Monate ohne ein Lebenszeichen verschwinden würde.

Wie könnte man die ganze Situation nun doch noch in den Griff bekommen wenn alle Versuche der Mutter abgeblockt werden? Ist es eigentlich oft so das Kinder nach ihrem Auszug von zu hause den Kontakt zu Eltern etwas drosseln?

In einem gewissen Alter ist das eine häufige Verhaltensweise von Kindern, um sich aktiv abzunabeln. Ich kenne das nur allzu gut. Einer meiner Söhne fühlte sich wohl auch zu eng mit mir verbunden und hatte sich nach seinem Auszug nur selten gemeldet. Wir haben dann ausgemacht, dass ich einmal pro Woche kurz Bescheid bekomme, dass er noch lebt.

Das legt sich dann aber wieder. Als Eltern muss man loslassen können, was manchmal schmerzlich ist. Es ist aber für die Entwicklung der Kinder unerlässlich. Es heißt ja bekanntermaßen, dass man die Kinder gehen lassen muss, damit sie irgendwann wiederkommen.

Nebenbei bemerkt: Wie kann sich denn eine Mutter von einem 19-jährigenSohn vernachlässigt fühlen? Wenn sie so mit ihm redet und vielleicht sogar noch etwas von fehlender Dankbarkeit faselt, ist es kein Wunder, dass er sich nur ungern meldet.

Dass man sich nach seinem Auszug erst einmal abnabeln und die Verbindung zum Elternhaus ein wenig lösen möchte, kann ich vollkommen nachvollziehen. Das hat für mein Verständnis etwas mit neugewonnener Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu tun, die man erst einmal zelebrieren und vor allem begreifen muss. Gerade wenn das Verhältnis zu den eigenen Eltern extrem schlecht oder aber auch sehr innig und beinahe schon klammernd war, kann es sehr befreiend sein, den Kontakt erst einmal auf ein Minimum zu reduzieren.

Ich selbst bin zwar nicht ganz so extrem und melde mich noch alle ein bis zwei Wochen einmal kurz bei meiner Mutter, zumal sie sich Sonst sorgen machen und wohl auch anrufen würde, aber auf einem deutlich abgemilderten Level genieße es auch ich, nicht ständig in Kontakt zu sein und vor allem einige Kilometer von zu Hause entfernt zu leben. Übrigens ist es aber auch dann wieder schön, in den Ferien ein oder zwei Tage nach Hause zu fahren und in aller Ruhe gemeinsam mit Mama zu brunchen, fast schon so, als wäre man einfach nur gut befreundet. Dass die ständige Kontrolle über mein Leben fehlt, genieße ich aber nach wie vor sehr.

Allerdings muss ich dann doch noch dieselbe Frage stellen, die Anlupa auch schon hatte. Was heißt denn, die Mutter fühlt sich vernachlässigt? Sieht sie irgendeine Pflicht des Sohnes, sich um sie kümmern zu müssen? Und wenn ja, überschüttet sie ihn dann vielleicht auch mit Vorwürfen, wenn er doch einmal anruft oder zu Hause vorbeischaut? Wenn dem so sein sollte und er sich ihren erdrückenden Vorwürfen nur entziehen kann, indem er den Kontakt reduziert, könnte ich noch deutlich besser verstehen, warum vier Monate Funkstille herrschte.

Ich habe diese Phase nicht durchgemacht. Mag aber auch daran liegen, dass ich einmal in großer Sorge um meine Eltern war, als ich noch zu Hause wohnte. Sie waren damals in den Urlaub gefahren und ich hatte meinen Vater am Telefon falsch verstanden. Ich wartete also auf den Anruf vom eigentlichen Urlaubsort, dass sie gut angekommen sind und das Telefon blieb stumm. Ich denke, wenn man als Kind wirklich mal erlebt, wie schnell man mit dem Schlimmsten rechnet, dann ist der Kontakt nach dem eigenen Auszug anders.

Als Mutter kann man da nur an sein Kind appellieren, dass man nur wissen möchte, ob es ihm auch gut geht. Und das ganz ohne Vorwürfe, sondern mit der Bitte um ein regelmäßiges Lebenszeichen. Viele Eltern machen, meiner Meinung nach, den Fehler und argumentieren dann mit Vorwürfen, was die Situation eher verschlimmert, statt dass man sie verbessert.

Ich kenne das auch in ähnlicher Form von mir. Es kam auch bei mir schon oft vor, dass dann einfach meine Mutter mal anrufen musste, weil ich mich nicht gemeldet habe. Ich habe mich nicht bewusst nicht gemeldet, ich habe nur irgendwie nicht daran gedacht, ich will wohl auch ab und zu einfach meine Freiheit haben. Meine Brüder melden sich jeden Tag, da falle ich natürlich aus dem Rahmen, aber damit müssen meine Eltern leben.

Ich denke, dass es nicht leicht ist für Eltern loszulassen und die Kinder in ein eigenes Leben zu entlassen. Auf der anderen Seite möchte man als Kind auch mal frei sein, nicht immer Meldung machen müssen, was man gerade tut. Es ist aber durchaus fair, wenn man seine Eltern nicht im Unklaren lässt und sich immer mal meldet, selbst mit einer Mai ist da ja schon geholfen.