Den Tod eines geliebten Menschen in kurzer Zeit verkraften

vom 14.03.2014, 18:08 Uhr

Viele Menschen sind ja der Meinung, dass die Verarbeitung über der Tod eines geliebten Menschen einen gewissen Zeitabschnitt andauert und dann vorüber ist. Das ist natürlich alles andere als richtig und man sollte mit sehr viel Feingefühl versuchen sich in die Lage der Betroffenen hineinzuversetzen um diesen besser verstehen zu können.

Ich denke nicht, dass man spontan sagen kann, wann jemand den Tod einer nahen Person verarbeitet haben sollte. Es ist auch immer eine Frage wie nahe das Verhältnis gewesen ist und ob Gewissenskonflikte vorliegen. Kann man in dieser Situation tatsächlich sagen, dass innerhalb von 4 Monaten der Alltag wiedereinkehren sollte?

» cutemuffin88 » Beiträge: 293 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Das denke ich nicht. Ich glaube auch das es von verschiedenen Faktoren abhängt. Gab es noch ungelöste Konflikte? Hatte man einen gemeinsamen Alltag? Große Pläne? Gibt man sich vielleicht Schuld an dessen Tod? Macht man sich Vorwürfe die Zeit nicht besser genutzt zu haben? Hatte man Streit? Und so weiter. Ein guter Freund von mir hat vor ein paar Jahren seine Jugendliebe verloren. Sie starb bei einem Autounfall. Sie war seine erste feste Freundin, die Beziehung dauerte mehrere Jahre an. Zu dem Zeitpunkt waren die beiden getrennt. Und er trauerte noch immer der Beziehung nach und hatte lockeren Kontakt zu ihr. Dazu muss man sagen das sie sich getrennt hatte, da er ein paar Fehler gemacht hat, welche sie nicht verzeihen konnte.

Ich habe ihn die ganze Zeit begleitet. Nach einer gewissen Zeit haben alle ihm immer nur geraten er müsse darüber hinwegkommen. Weiterleben. Er jedoch saß jeden Abend vor seinem Rechner. Ihr Bild neben sich, und trank sich ins Koma. Er hörte die Musik, welche beide damals mochten. Und er schrieb. Er schrieb sich alles von der Seele. Jede noch so kleine Erinnerung. Er bewahrte sich all diese Momente. Und das auch noch ein dreiviertel Jahr nach ihrem Tod.

Er weigerte sich einfach zu vergessen, weiterzumachen. Er sagte mir immer, sie war es der ihn zu dem Menschen gemacht hat, welcher heute vor mir sitzt. Und dafür wird sie immer einen Ehrenplatz in seinem Herzen haben. In seinen Gedanken ist sie immer mit dabei. Sie war eine Art Engel für ihn, und er erstickte an den Fehlern die er damals in der Beziehung begangen hat. Welche er nun niemals wieder gutmachen könnte. Er brauchte unglaublich lange um wieder ein normales Leben aufnehmen zu können. Und ich finde das okay. Keiner kann vorschreiben wie lange man zu Trauern hat, und wann es vorbei sein sollte. Jeder Mensch braucht dafür so lange wie es eben dauert. Findet dieser Prozess nicht statt, wie soll man jemals ansatzweise damit klar kommen?

» Maddie » Beiträge: 196 » Talkpoints: 63,84 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Heute sprießen die Pauschalaussagen ja wie die Pilze aus dem Boden. Wo steht denn geschrieben, dass man den Tod eines Angehörigen in vier Monaten überwunden haben soll? Es gibt zwar Menschen, die mit Tod und Trauer nicht gut umgehen können und/oder wenig Erfahrung mit diesem Grenzbereich menschlichen Erlebens haben und deswegen mehr oder weniger "fordern", dass die Hinterbliebenen möglichst schnell wieder "normal" werden, aber auf diese Zeitgenossen kann man in Zeiten der Trauer getrost verzichten.

Es macht außerdem einen Unterschied, ob man mit dem Tod eines lieben Menschen wirklich abgeschlossen hat oder lediglich wieder in der Lage ist, nach außen hin eine gefasste und unauffällige Fassade zu wahren. Aus eigener Erfahrung kann ich beispielsweise sagen, dass mir höchst wahrscheinlich nach mittlerweile niemand mehr etwas anmerkt. Ich mache meine Arbeit gewissenhaft, achte auf mein Äußeres, kaufe ein, fahre in den Urlaub, lache und unterhalte mich mit meinen Freunden und Bekannten. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich auf der Innenseite nicht tieftraurig bin und bleiben werde.

Generell halte ich es schon für empfehlenswert, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn man nach einem Trauerfall wirklich monatelang nicht in der Lage ist, wenigstens nach außen hin zu funktionieren, wie ich es gerade beschrieben habe. Sonst kommen zur Trauer schnell noch alle möglichen weiteren Probleme hinzu, die das Leben nicht gerade leichter machen. Aber davon abgesehen kann man hier wirklich keine allgemein gültige Aussage treffen, ab wann man gefälligst aufhören soll, um jemanden zu trauern. Solche Vorstellungen kann auch nur jemand haben, der vielleicht mit 6 Jahren seinen 95 Uropa verloren hat, aber seitdem davon ausgeht, dass alle seine Lieben ewig da sein werden.

» Gerbera » Beiträge: 11321 » Talkpoints: 50,18 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich finde, dass es durchaus auch zu unterscheiden ist, woran die Person verstirbt und wie alt sie dabei war. Als beispielsweise meine Uroma verstorben ist, habe ich keine lange Trauerzeit gehabt, obwohl sie eine der wichtigsten Menschen in meinem Leben war. Sie hat zuletzt doch sehr gelitten und ihr Tod war eine Sache auf die man sich zum einen vorbereiten konnte und außerdem war es eine Erlösung.

Das Leben muss ja auch irgendwie weiter gehen. Man kann sich nicht von einem Tod aus der Bahn werfen lassen, sodass man Ewigkeiten im Job fehlt und so weiter, man muss wieder funktionieren, wie ich finde eines der Probleme unserer Gesellschaft. Man kann nach außen hin nicht lange trauern und muss wieder funktionieren. Innerlich sieht es aber oft anders aus und wenn das so ist, bekommt man dann vielleicht auch psychische Probleme.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich denke, dass man bei der Frage, wie lange ein Mensch normalerweise trauert, denn von "trauern dürfen" will ich gar nicht sprechen, sehr viele kleine, einzelne Faktoren mit einbeziehen muss. Dazu zählt nicht nur, wie nahe man der Person, die gestorben ist, stand, ob sie vorher schwer krank war und gelitten hat, oder nicht, oder ob man die Person mochte, oder eher weniger gut leiden konnte. Nein, da spielen, denke ich, auch noch viele andere Faktoren eine Rolle. Sogar, wie man die Nachricht über den Tod genau erhalten hat, und, wie es einem zu dem Zeitpunkt selber ging. Bei mir ist es so, dass es zu Zeiten, in denen ich mich allgemein wenig wohlfühle, noch schwerer als sonst verkrafte, wenn eine Person, die mir wichtig ist, stirbt.

Auch sollte man nicht automatisch schließen, dass jemand einen Verwandten nicht gemocht hätte, bloß, weil die Person nur kurz trauert oder auch nicht ausgiebig weint. Jeder Mensch verarbeitet einen Todesfall ja auch anders. Und abgesehen davon kennt man ja auch nicht die Beweggründe des Trauernden, wieso er nun genau so handelt, wie er nun einmal handelt. Und man weiß nicht unbedingt, was bei ihm im Kopf vorgeht.

Wenn ich beispielsweise an den Tod meiner einen Großmutter denke, die ich schon gut leiden konnte, dann habe ich da wirklich nur einige wenige Male geweint. Richtig schlimm niedergeschlagen war ich zwei Tage. Nachgedacht habe ich über den Tod natürlich noch häufiger, über Monate, immer wieder. Und auch jetzt denke ich natürlich noch ab und zu an sie. Aber mir war eben immer bewusst, dass es dieser Großmutter in den letzten Wochen sehr schlecht ging und dass sie Schmerzen hatte. Irgendwie war ich, nachdem sie gestorben war, schon fast froh, dass sie nun endlich keine Schmerzen mehr hat. Zudem habe ich ein Bild vom Tod, das eine Weiterexistenz auf eine gewisse Weise nicht ausschließt, aber das wäre noch einmal ein anderes Thema.

Ganz anders hingegen war es bei einem guten Freund, der an Krebs starb. Die ersten annähernd zwei Wochen, nachdem ich das erfahren hatte, war ich so niedergeschlagen, dass ich nicht arbeiten konnte. Ich habe nur noch geweint und gezittert und fast nichts mehr gegessen. Die ersten drei Tage waren sogar vom Weinen meine Augen so geschwollen, dass ich kaum etwas sehen konnte. So schlimm war das in meinem ganzen Leben noch nie gewesen. Und ich hatte auch alle paar Wochen Rückfälle. Mittlerweile geht es so halbwegs.

Aber ich denke, man sieht anhand dieser zwei Beispiele deutlich, dass ich auf Todesfälle sehr unterschiedlich reagieren kann. Und so dürfte es anderen Menschen auch gehen. Ich jedenfalls fände es nicht seltsam, dass dieselbe Person bei einem Tod bloß sehr kurz trauert, bei einem anderen jedoch über Monate und Jahre nicht damit klarkommt.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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