Insulin in ÖPNVs spritzen schon salonfähig?

Wenn jemand sich Insulin spritzen muss, dann habe ich dafür schon Verständnis und dann ist es eben auch okay, wenn man dies in der Öffentlichkeit macht, immerhin kann man wohl an der Situation auch nicht viel ändern und die Gesundheit geht vor.

Allerdings hoffe ich nicht, dass plötzlich jeder irgendwelche Spritzen in der Bahn benutzt oder sich sonst irgendwie medizinisch versorgt, denn ich kann kein Blut sehen und bei Spritzen wird mir auch immer direkt schlecht, was ich leider auch nicht so angenehm finde. Wenn ein Diabetiker keine ruhige Ecke findet um sich Insulin zu spritzen, dann kann er das in der Öffentlichkeit tun, aber als "salonfähig" würde ich das nun nicht bezeichnen.

Ich muss ehrlich gestehen, dass mich Spritzen nicht sonderlich stören und ich mich ebenfalls nicht wegsetzen würde, wenn sich jemand eine Insulinspritze setzt. Wenn du es nicht verträgst, dann geh weg, aber hänge es bitte nicht an die große Glocke. Das Gleiche wäre es wohl, wenn jemand in der Öffentlichkeit seinen Inhalator ansetzt. Setzt du dich dann auch weg? Oder ist das "salonfähiger"?

Beides sind einfach medizinische Notwendigkeiten, die zu schlimmen Konsequenzen führen können, wenn man sie nicht anwendet. Es gibt natürlich Menschen, die manchmal unter Aufmerksamkeitsdefizit leiden und demonstrativ ihre Medikamente einnehmen, so dass es jeder sieht. Aber wenn ein Diabetiker oder ein Mensch mit einer Erkrankung mal nicht ungestört seine Medikamente nehmen kann, dann muss er es halt unter den Blicken anderer tun.

Ich frage mich, was dich mehr stört – die Tatsache, dass sich jemand im Bus sein Medikament verabreicht hat, oder allein der Anblick der Spritze, die du nicht gut sehen kannst. Dass du ein Problem mit Spritzen (und scheinbar sogar mit harmloseren Insulin-Pens) hast, konnte der Diabetiker, der dir gegenüber saß, sicher nicht wissen. So wie du die Situation beschreibst, wirkt es auch nicht, als habe er sich irgendwie wichtig machen wollen. Er wollte vermutlich einfach sein Insulin spritzen, ohne dass seine Freunde und Bekannten das alle bei der Party mitbekommen.

Grundsätzlich finde ich es nicht schlimm, wenn jemand so handelt. Ich finde es sogar gut, weil es zeigt, dass die Person recht locker mit dieser Einschränkung umgeht. Allerdings würde ich vermutlich, sofern ich Diabetiker wäre, lieber auf die Toilette gehen, um mir die Spritze zu setzen. Ein Bus ruckelt ja auch häufiger mal und es gibt sicher einige Leute, die blöd schauen oder sich angewidert wegsetzen. Eigentlich ist mir die Meinung anderer Leute weitgehend egal, aber es wäre mir dennoch ein bisschen unangenehm. Ich würde das Medikament vermutlich nur im Notfall in der Öffentlichkeit zu mir nehmen.

Ich frage mich übrigens auch, wie du auf andere Leute reagierst, die gesundheitliche Einschränkungen haben oder vielleicht gerade in einer ungünstigen Situation sind. Falls du kein Blut sehen kannst und jemand vor deinen Augen Nasenbluten bekommt, würdest du das auch als nicht salonfähig empfinden? Es könnte auch mal passieren, wenn auch eher selten, dass bei einer schwangere Frau plötzlich die Geburt einsetzt.

Ich finde, dass man das nicht zu eng sehen sollte. Falls man mit solchen Anblicken nicht im Bus konfrontiert werden möchte, muss man auf öffentliche Verkehrsmittel verzichten. Aber dann kann es in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens vorkommen, dass man entsprechende Dinge sehen „muss“.