Frühe Nachhilfe - 'aus dem Kind wird nie was werden'?

Ich kenne ja viele Familien mit Kindern jeder Altersgruppe und die Tochter meiner Freundin ist in der zweiten Klasse und die Lehrerin meinte, dass man mal überlegen sollte, ob man ihr Nachhilfe geben sollte. Denn sie kommt mit einigen Sachen wohl nicht klar, die unterrichtet werden. Nun ist die Mutter enttäuscht und hat mit mir gesprochen und meint, dass aus ihrem Kind ja nie was werden kann, wenn sie schon in der Grundschule Nachhilfe braucht.

Denkt ihr auch, dass Kinder, die schon in der Grundschule Nachhilfe brauchen im späteren Leben einfach auch Schwierigkeiten mit dem Lernen haben? kann man davon ausgehen, dass das Kind nun immer Nachhilfe brauchen wird?

Ich würde es eher so sehen, dass das Kind vielleicht besser ein Jahr später hätte eingeschult werden sollen. Dass es für den Start in die Schule zu früh war. Und nun braucht es eben ein wenig Hilfe bei diesem Start. Wenn es diese Hilfe aber rechtzeitig bekommt, braucht es vielleicht nie wieder Nachhilfe.

Schlimmer wäre es doch, wenn das Kind immer gerade so das Klassenziel erreicht. Das ist demotivierend und so entsteht auch kein gutes Abschlusszeugnis und eine rosige Zukunft. Lieber frühzeitig ein wenig unterstützen, damit es dann alleine weitermachen kann.

Es ist auch keine Schande, wenn man schon in der Grundschule Probleme hat. Es ist doch klar, dass nicht jedes Kind in dieses eine System reinpasst. Manche Kinder brauchen eben etwas anderes. Das heißt nicht, dass sie dumm sind.

Ich kann dir nur sagen, wie es bei mir war. Ich war auch so eine Kandidatin, die in der Volksschule / Grundschule sehr schlecht war. Ich hatte da in der dritten Klasse bereits negative Noten geschrieben und auch sonst vollbrachte ich nicht gerade Glanzleistungen um es einmal vorsichtig auszudrücken.

Mein Volksschullehrer kam auch irgendwann einmal auf die glorreiche Idee mich in eine Sonderschule zu geben. Meine Eltern waren jedoch dagegen. Irgendwie habe ich dann auch die Grundschulzeit überstanden. Ich kam dann in eine Hauptschule und dort hatte ich richtig gute Lehrer die mir in erster Linie das Lernen gelernt haben und mir viel Selbstbewusstsein mit auf meinen Lebensweg gegeben haben.

Jedenfalls ging mir da langsam aber sicher der berühmte Knopf auf und das Ende meiner Ausbildungszeit war dann sogar ein Universitätsabschluss, den ich übrigens in Mindestzeit gemacht habe. Damit will ich nun nicht angeben. Das schaffen sehr viele. Es soll nur zeigen, dass sich das Lernverhalten sehr stark ändern kann. In der Volksschule hat man überlegt mich in eine Sonderschule zu geben, weil ich so lernschwach war und Jahre später habe ich einen Universitätsabschluss geschafft. Alles ist also möglich! Man sollte nur immer genügend Vertrauen in das Kind haben. Manche brauchen eben eine kleine Starthilfe.

Ich schließe mich meinen Vorschreibern an und denke nicht, dass ein Kind, welches in der Grundschule Nachhilfe benötigt, immer Schwierigkeiten mit dem Lernen haben und es zu nichts bringen wird. Im Gegenteil habe ich die Beobachtung gemacht, dass Kinder, die in die Grundschule kommen, noch völlig unterschiedliche Fähigkeiten haben. Da gibt es vom Kind, das schon lesen und schreiben kann und mit der größten Aufmerksamkeit dem Lehrer lauscht, bis zum kleinen Zappelphilipp, der noch nicht gelernt hat, sich dauerhaft zu konzentrieren, beinahe alles. Und in eben dieser Situation, in der die Fähigkeiten sich noch entwickeln müssen und teils weit auseinanderklaffen, finde ich es eher normal, dass es auch Kinder gibt, die dafür Hilfe von außen benötigen.

Ich denke jedenfalls, dass ein Kind, welches in der Nachhilfe nicht nur die eigentlichen Inhalte, sondern auch Konzentrationstechnik und das richtige Lernen lernt, nicht zwangsläufig ein Nachhilfekandidat in der weiteren Schullaufbahn sein muss. Da sehe ich Nachhilfe fast noch kritischer im Bereich der weiterführenden Schule. Nachhilfe in der Grundschule kann passieren und ist keine Schande, aber wer in den ersten Klassen der weiterführenden Schulen schon mehrmals die Woche zur Nachhilfe muss, dem sei möglicherweise doch eher eine andere Schulart ans Herz gelegt.