Unschuldig verurteilt! Kein Freispruch ohne Freundes-Hilfe

vom 01.03.2014, 20:31 Uhr

Gestern sah ich eine Doku auf 3sat über unschuldig inhaftierte Menschen. Diese Sendung zeigt mal wieder, wie unbescholtene Menschen durch infame Lügen anderer keine Chance mehr haben. Sie verlieren den Boden unter den Füßen. Der soziale Abstieg ist vorprogrammiert, wenn sie niemanden haben, der sich um ihre Rechte kümmert und versucht, sie frei zu bekommen. Das Wiederaufnahmeverfahren für den zu Unrecht beschuldigten Lehrer kam erst nach dem Absitzen seiner Haft zu stande. Es wurde durch die Gerichte immer wieder verzögert; Akten wurden liegen gelassen.

Trotz einwandfreiem Freispruch ließ ihn das Kultusministerium im Stich. Er bekam keine Arbeit mehr und musste von Hartz4 leben. Eine Entschädigung wurde ihm zwar zugesprochen, aber die hatte er Jahre nach seinem Freispruch noch immer nicht.

Dieser ganze Ärger machte ihn psychisch und körperlich krank. So starb er mit 53 Jahren an einem Herzinfarkt, ohne seine Entschädigung gesehen zu haben. Während seiner Haft wurde er mehreren Psychologen vorgestellt, die ihn immer wieder aufforderten, seine Tat zu gestehen. Seinen Beteuerungen, unschuldig zu sein, wurde nicht geglaubt und er wurde als verstockt und abartig hingestellt.

Ähnlich erging es der Tochter eines in Flammen verbrannten Mannes. Aufgrund einer nicht korrekten Brandexperten-Untersuchung wurde die Tochter als Mörderin verurteilt. Sie hatte Glück, dass ihr Schwager das nicht glaubte und auf eigene Kosten Experten beauftragte. So wurde die Frau zwar freigesprochen, aber die Ausgaben ersetzt niemand. Auch sie verlor ihre Arbeit und bekommt keine neue Arbeitsstelle.

Es sollen viele Menschen in Deutschland unschuldig hinter Gittern sitzen. Wenn sich keiner für sie engagiert und ihnen hilft, ihre Unschuld zu beweisen, können auch sie nicht auf Rehabilitierung hoffen. Gesagt wurde, dass Deutschland bezüglich einer Entschädigung von unschuldig Verurteilten in Europa das Schlusslicht bildet.
Wie empfindet ihr derartige Zustände und wie könnte man diesen beikommen?

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Viele sitzen auch in Haft, weil noch keine guten Untersuchungsmethoden bei der Fallklärung vorhanden waren. Solche Fälle müssen nach und nach abgearbeitet werden und da kann es schon mal sein, dass der Falsche im Gefängnis sitzt. Es gibt nun mal noch nicht jede Methode sehr lange. Zudem lügen eben auch einige um Menschen zu decken oder sich selber nicht in Verdacht zu bringen.

Ich denke, dass hier schon einiges gut läuft, aber es gibt immer Potenzial nach oben und so muss man auch bei uns noch einiges tun. Auch das Gesetzliche finde ich eigentlich recht gut gelöst. Wir haben Gesetze, auf die sich unser System doch auch stützt und die eigentlich auch gut funktionieren.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich kenne die beiden Fälle von Hörensagen. Bei dem armen Lehrer wurde nicht gründlich genug geprüft und gewisse Dinge, wie vorherige Lügen der Frau, die offensichtlich eine Psychopathin ist, nicht berücksichtigt. Es waren sehr viele Ungereimtheiten und meiner Meinung war das Urteil ein menschliches Versagen der Ermittler und des Richters.

Bei dem Brand kam das Urteil deswegen zustande, weil sich die Ermittler keine andere Brandursache als einen Brandbeschleuniger vorstellen konnten. Hinterher wurde dann doch was in der Bausubstanz gefunden, ich weiß nicht mehr was. Hier hätte im Zweifel zugunsten der Angeklagten geurteilt werden müssen.

Solche Dinge lassen sich nur schwer verhindern, da immer Menschen im Spiel sind, auch wenn das System gut ist. Damit man nicht auf kompetente Freunde angewiesen ist, während man unschuldig in Haft sitzt, müsste es vielleicht ein Recht geben, beim Anfangsverdacht einer unrechten Verurteilung, einen Pflichtanwalt zu bekommen, der objektiv noch einmal alles überprüft. Man kann ja feststellen, ob ein Urteil wirklich wasserdicht ist oder die Ermittlung auslegungsfähig. Außerdem sollten alle Vernehmungen bei der Polizei aufgezeichnet werden, was offensichtlich nicht der Fall ist, damit sich der Richter ein authentischeres Bild machen kann und die Informationen nicht so sehr gefiltert sind, bevor sie im Gericht landen.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ja, anlupa, bei dem Lehrer haben es sich die Richter sehr einfach gemacht, obwohl die Darstellung der Vergewaltigten eigentlich nicht sein konnte. Auf der anderen Seite haben die Richter den Erzählungen der Lehrerin geglaubt, die wie sich später herausstellte psychisch krank war. Aber hätte einem Richter nicht auffallen müssen, dass die Erzählung so nicht stimmen konnte? Die angeblich Vergewaltigte erzählte, dass sie vergewaltigt wurde, sich gewehrt hat, dann aus der Schule gegangen ist bis zu einer Hecke, dort umgekehrt ist, wieder in die Schule zurück gegangen ist und ihre Klassenzimmer aufgesucht hat. Das alles soll zeitlich in nur fünf Minuten passiert sein. Musste da nicht ein Richter schon stolpern? Sie hat ihren Unterricht in normalem Zustand abgehalten. Von einer Vergewaltigung war nichts zu sehen.

Bei dem zweiten Fall handelte es sich darum, dass eine sehr alte Holzdecke wohl durch den veränderten Kleber (?) zu brennen begann, als der Vater im Bett rauchte. Wie das passieren kann, weiß ich auch nicht. Das wurde zwar erzählt, aber so genau habe ich das nicht verstanden. Aber für den Gutachter gab es trotz fehlenden Rückstandes nur den gelegten Brand.

Ich bin auch deiner Meinung, dass es für die Insassen, die immer wieder ihre Unschuld beteuern, die Möglichkeit einer Nachprüfung geben sollte. Ob da nun ein Pflichtanwalt der richtige Mann ist, das bezweifle ich. Für solche Fälle müsste es gut geschulte Revisoren geben, die nach Erfolg zusätzlich bezahlt würden. Dann gehe ich davon aus, dass die sich mehr Mühe geben, als jemand, den man dazu verdonnert als Pflichtanwalt.

Weil man dem Lehrer die immerwährenden Unschuldsbeteuerungen nicht abnahm, durfte er nicht an Freigängen teilnehmen und war nur auf seine Zelle angewiesen.

Mich interessiert in diesem Zusammenhang mal, was der Staat nun mit der Entschädigung macht, die ihm ja schon bewilligt war? Da er inzwischen verstorben ist, werden sie die auch nicht an die Angehörigen auszahlen. Sie haben es so lange mit der Zahlung hinausgeschoben, bis er wirklich tot war.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



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