Frühe Fremdbetreuung als Risikofaktor für Kinder?

vom 22.02.2014, 16:41 Uhr

Wenn Kinder sehr früh in eine Fremdbetreuung gegeben werden, dann kann es sein, dass sie eine Art emotionale Störung davontragen. Eine Userin hat in einem anderen Beitrag auch davon geschrieben, dass die Kleinen dann, sobald sie abgegeben werden, etwas apathisch werden und gar nicht auf die Betreuungsperson (Betreuer) eingehen. Gemeint sind vor allem Säuglinge, insbesondere im ersten Lebensjahr.

Es gibt dazu auch eine psychologische Theorie, die sogenannte Bindungstheorie, nach der Kinder im ersten Lebensjahr eine Bindung an eine wesentliche Bezugsperson entwickeln müssen. Das ist ein wesentliches Bedürfnis des Kindes. Meistens ist die Mutter diese wesentliche Bezugsperson, was nicht daran liegt, dass wir alle so mittelalterlich denken, sondern daran, dass diese das Kind auch stillt und dadurch ein sehr intensiver Kontakt entsteht. Immer, wenn das Kind verunsichert ist oder Stress erlebt – und das kann schon bei einem ungewöhnlichen Geräusch der Fall sein – wird sein Bindungsmuster aktiv und das Kind sucht den Kontakt zu seiner wesentlichen Bezugsperson. Natürlich kann auch der Vater eine wesentliche Bezugsperson sein.

Wenn alles gut läuft und die Bezugsperson/en präsent sind, entwickelt das Kind eine stabile Bindung. Es hat also die Erwartung, dass es gut aufgehoben ist, dass andere verlässlich sind und es sich bei Problemen oder Angst an die Bezugsperson/en wenden kann. Es kann aber auch zu Bindungsstörungen kommen, etwa wenn die Eltern nicht richtig auf die emotionalen Bedürfnisse des Kindes eingehen; hier können Entwicklungsstörungen auftreten. Ein Beispiel ist die desorganisierte oder vermeidende Bindung. Kinder mit diesem Bindungsmuster verhalten sich vielleicht ganz normal, fallen nicht auf, aber sie erleben viel mehr Stress, was man etwa durch die Messung von Puls und die Ausschüttung von Stresshormonen herausgefunden hat. Ebenso kann es aber passieren, dass die Kinder dann in Stresssituationen extrem unruhig werden.

Die Bindungstheorie geht dann davon aus, dass sich das Muster der Bindung an die Eltern im weiteren Leben fortsetzt. Wenn also das Kind gelernt hat, dass die Eltern präsent sind und eine positive Eltern-Kind-Beziehung besteht, dann hat das Kind auch später eine positive Erwartungshaltung. Bei einer fehlgeleiteten Bindung kann es aber passieren, dass man später eine eher negative Erwartungshaltung hat und unbewusst davon ausgeht, dass Bezugspersonen (z.B. Freunde, Partner) nicht verlässlich sind, einen vielleicht irgendwann verlassen werden usw. Demzufolge prägt die Art und Weise der Bindung an die Eltern auch das spätere Leben entscheidend mit. Das muss nicht bedeuten, das derjenige nicht beruflich oder intellektuell erfolgreich sein kann, aber in den Beziehungen zu anderen Menschen hat er dann mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Probleme.

Es wurde etwa untersucht, wie sich Kinder entwickeln, wenn sie allein von einer Person betreut werden (also ihre Betreuungsperson für sich alleine haben) und wie sie sich entwickeln, wen sie sich ihre Betreuungsperson mit anderen Kindern teilen müssen (was vergleichbar mit einer Tagesmutter wäre). Die meisten Entwicklungsfortschritte zeigten sich bei ersteren. So gibt es noch ganz ähnliche Studien. Man ist sich nicht ganz einig, wie das nun zu bewerten ist. Denn mit zunehmendem Alter werden die Kinder auch sicherer und da macht es ihnen dann weniger aus, von der Mutter getrennt zu sein. Gerade wenn das Kind bereits eine sichere Bindung an die Eltern hat, dann ist es eher unproblematisch, es auch einmal fremdbetreuen zu lassen. Nur um diese sichere Bindung zu erlangen, muss es eben auch genug Zeit mit den Eltern verbracht haben. Man geht darum davon aus, dass Fremdbetreuung per se kein Nachteil sein muss, es kommt aber darauf an, wann diese beginnt. Empfohlen wird, dass das Kind das erste Lebensjahr zu Hause verbringt und erst danach eine längere Fremdbetreuung beginnt.

Denkst Ihr, dass Kinder, die zu früh abgegeben werden, davon einen Schaden zurücktragen und von dieser frühen Fremdbetreuung im weiteren Leben beeinträchtigt werden? Wenn Ihr Kinder habt, wann habt Ihr diese regelmäßig in eine Krippe gegeben?

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich habe ja vor gut elf Jahren entbunden und damals war man auch schon soweit, dass man sagte, man sollte nicht zu viele Bezugspersonen für ein Baby haben. Sprich die Eltern ja und die Großeltern nur gelegentlich, so dass man eben zwei wirklich enge Bezugspersonen für ein Kind hat. Ich habe zwar sehr früh die Großeltern eingebunden, aber dass eben auch aus dem Grund, weil der Vater unter der Woche nicht zu Hause war. Ich musste mich also darauf verlassen können, dass die Kinder keine Verlustängste entwickeln, wenn ich durch Krankheit mal länger ausfallen würde.

Aber da war eben die Betreuung trotzdem innerhalb der Familie und das ist etwas anderes, als wenn man eben eine fremde Person in Form einer Tagesmutter als Betreuung nutzt. Und sehen wir uns doch mal die Geschichte an, wo es in adligen Kreisen grundsätzlich so war, dass man die Kinder direkt nach der Geburt einer Amme in die Arme gedrückt hat und kaum ein Kontakt zur Mutter bestand. Die Kinder haben zwar Respekt gezeigt, der auch zum großen Teil anerzogen war, aber die Liebe galt eher der Amme und dem späteren Kindermädchen, was ja die meiste Zeit mit dem Kind verbracht hat.

Deswegen halte ich es auch für wichtig, dass die Eltern die Hauptbezugsperson für ein Kind sind. Egal ist dabei aber, ob es die Mutter oder der Vater ist. Aber man muss sich nicht wundern, wenn einem frühzeitig die Kinder entgleiten, wenn man sie quasi im Babyalter schon in die fremde Betreuung abschiebt. Die Liebe und Fürsorge der Eltern kann emotional niemand ersetzen. Fehlen diese Dinge, sind doch spätere Probleme schon vorprogrammiert.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Die Mutter oder auch den Vater kann im Idealfall keiner ersetzen und eine liebende und fürsorgliche Mutter erst recht nicht. Die Betreuung zu Hause im ersten Jahr ist daher schon empfehlenswert. Zumal man ja im Idealfall auch stillt und dann ist die Mutter-Kind-Beziehung ja nochmal ganz besonders. Das kann eine fremde Person nicht leisten.

Aber: zum einen ist nicht jede Mutter eine ideale Mutter und zum anderen kann man natürlich auch nicht pauschal sagen,dass die Kinder eine Störung davon tragen,nur weil man sie vor dem ersten Jahr in Fremdbetreuung gibt. Das ist dann aber schon stark von dem Charakter des Kindes abhängig und zum anderen auch von der Person, welche das Kind betreut. Auch eine Tagesmutter kann zur wichtigen Bezugsperson für ein Kind werden, selbst die Erzieherin in einer Kindertagesstätte. Und die Mütter müssen dann ganz besonders damit rechnen, dass sie an Wichtigkeit für das Kind verlieren, beziehungsweise die Position des wichtigsten Menschen im Leben eines Kindes teilen müssen.

Von einem apathischen Kind habe ich jetzt noch nichts gehört. Allerdings würde ich bei Säuglingen dann wirklich davon abraten, sie in eine Kita zu stecken, wo wirklich viel Trubel ist und wo man sich eben nicht ausreichend emotional um das Kind kümmern kann. Ein Säugling braucht schon wesentlich mehr Aufmerksamkeit.

Ich finde es ja auch wichtig, dass die Eltern die Nummer eins für ein Kind sind. Aber wenn man sein Kind halt schon mit Monaten in die Kita steckt und schon da kaum was vom Kind hat, dann geht das kaum. Und ein Kind kann einem so etwas schon übel nehmen. Das bekommt auch ein Säugling schon mit und ein Kleinkind erst Recht.

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» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge



Ich persönlich halte sehr viel von dieser Theorie. Ich sehe das mehr oder weniger genauso. Ich finde auch, dass im ersten Jahr entweder die Mutter oder der Vater die Hauptbezugsperson sein sollte. Natürlich ist ein enger Kontakt zu den Großeltern zum Beispiel durchaus sehr wichtig und förderlich für die Entwicklung des Kindes, aber eine Tagesmutter oder Betreuerin in einer Kinderkrippe sollte niemals die Hauptbezugsperson sein. So sehe ich das zumindest und ich erweitere den Zeitraum sogar auf die ersten zwei bis drei Lebensjahre, zumindest wenn es finanziell irgendwie möglich ist. Es geht ja nur um den Idealfall, wie es eben am besten wäre.

Meine Firmpatin hat eine Tochter, die während ihrer Ausbildung ein Kind bekommen hat. Die Ausbildung war recht intensiv, da sie von Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr in der Ausbildung sein musste und danach musste sie eben noch lernen. Meine Firmpatin hat ihrer Tochter angeboten, dass sie ihr bei der Enkelin jederzeit hilft. So war es auch. Die Kleine war bereits mit ein paar Monaten mehr bei der Oma als bei der Mama. Der Vater ist mehr oder weniger gegangen, hat das Kind aber für ein bis zwei Tage pro Woche genommen.

So, da waren also im ersten Lebensjahr eine kaum präsente Mama, die ihr Kind so gegen 17:30 von der Oma geholt hat, teilweise war die Mama so k.o., dass die Kleine auch bei Oma geschlafen hat. Dann gab es eben noch den Papa, wo die Kleine ein bis zwei Tage pro Woche gewesen ist und dann gab es als Hauptbezugsperson auch noch die Oma. So war mehr oder weniger das erste Jahr. Im zweiten Jahr spitzte sich die Situation dann noch zu, wo das Kind dann auch noch ein bis zwei weitere Nächte bei der anderen Oma übernachtet hat, weil die dann eben auch noch mitmischen wollten. Sie meinten es nur gut, muss man dazu sagen. Dennoch finde ich so eine Situation einfach nur einen Wahnsinn für ein kleines Kind.

So war es übrigens auch. Das Kind hat dann auch immer wieder Mama zur Oma gesagt, weinte bitterlich, wenn es von der Oma, der Hauptbezugsperson zur Mama der Nebenbezugsperson "musste" und so weiter. Das Kind ist nun fast 7 Jahre alt und diese Herumschieberei geht noch immer so weiter. Ich halte das nicht für gut. Wenn man das Kind fragt, wo es denn eigentlich wohnt, listet es alle Wohnorte von beiden Omas, von der Mama und vom Papa auf. Es gibt also vier Wohnorte an, wo es wohnt. Das kann doch nicht gut sein.

Wobei ich aber auch sagen möchte, dass ich es wichtig finde, dass nach ein bis zwei Jahren nicht nur die Mama und der Papa die Bezugsperson sein sollten. Hauptbezugspersonen sollten sie aber meiner Meinung nach im Idealfall immer bleiben, zumindest während der Kindheit.

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



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