Macht Mohn dumm? Wie kam es zu diesem Spruch?
Als ich noch jünger war hat mein Opa immer gesagt, dass Mohn dumm macht und hat dann genüsslich seinen Mohnkuchen gegessen. Bei ihm war es ein Spaß, aber ich habe diesen Satz schon öfter gehört. Warum sollte Mohn dumm machen? Falls es wirklich so sein sollte ab welcher Menge ist das der Fall? Ich persönlich halte es für nicht möglich, aber warum hält sich so ein Spruch dann so lange? Und wie kam es überhaupt dazu, dass man eine solche Behauptung aufstellt?
Wenn ich mich recht erinnere ist dein Freund doch Medizinstudent. Der kann dir darüber bestimmt eine sehr ausführliche Antwort geben. Die Droge Opium wird aus einer bestimmten Mohnart gewonnen. Das wusste man natürlich ganz früher nicht und die Leute, die diesen Mohn gegessen haben, haben sich im Wesen verändert. Darum war es lange Zeit so, dass man sagte, dass Mohn dumm macht.
Erst viel später hat man dann erfahren, dass es nur eine bestimmte Mohnsorte ist, die heutzutage in der Medizin oder im Drogenmilieu Verwendung findet. Der Mohn, den man zum Backen braucht ist frei von diesen Drogen und den Kuchen kannst du unbesorgt essen.
Die Mohnsaat, die der Bäcker oder auch wir in der Küche verwenden, stammt ausnahmslos vom Schlafmohn (Papaver somniferum). Das ist exakt die gleiche Mohnart, aus der auch das Opium gewonnen wird. Andere Mohnarten haben einen viel zu geringen Ertrag, um die Samen wirtschaftlich gewinnen zu können und sie sind teilweise auch schlecht verträglich.
Aus den unreifen, grünen Mohnkapseln des Schlafmohns tritt nachdem man sie anritzt, der Milchsaft aus, das Rohopium. Die Menge schwankt zwischen 20 und 50 mg pro Kapsel, der Morphingehalt im Rohopium liegt zwischen 3 und 23%. Diese Werte beziehen sich aber auf den Milchsaft und nicht auf die reifen Samen. Bei diesen ist der Morphingehalt um ein Vielfaches geringer, da sich nur etwa 0,005% des Gesamtmorphins in den Samen befinden.
Während des ersten Weltkriegs und anderer Kriege war Opium ein gängiges Schmerzmedikament, die Einnahme noch stets legal. Die Folge waren viele Süchtige, ihr verändertes Verhalten hatten die Menschen stets vor Augen, da sie sich ja nicht zu verstecken brauchten. Dass das Mittel, das die Menschen derart veränderte, aus der Mohnpflanze stammte, war allen sicher klar, nicht aber, dass nur der Milchsaft der unreifen Mohnkapsel derart hohe Morphingehalte aufweist.
Auch hat man früher Kinder schon mal mit Mohn zu beruhigen versucht. Manchmal wurden die unreifen Mohnkapseln des Schlafmohns als Tee gekocht und dieser dann Kindern zur Beruhigung gegeben. Und noch zu Beginn des 20.Jahrhunderts waren sog. Mohnschnuller, das waren kleine Stoffsäckchen, die mit Mohnsaat gefüllt waren, als Einschlafhilfe für Säuglinge durchaus üblich! Opiate wie das im Schlafmohn enthaltene Morphin machen u.a. schmerzunempfindlich, euphorisch oder benommen und sie vermindern die Aufmerksamkeit. Durch die großen Schwankungen im Opiatgehalt war die Wirkung überhaupt nicht kontrollierbar. Es ist leicht nachvollziehbar, dass diese Kinder verhaltensauffällig und eben auch 'dumm' erschienen. Zusätzlich machen Opiate schnell abhängig und es tritt ein Gewöhnungseffekt ein, so dass die Dosis erhöht werden muss, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Die Kinder litten an Entzugserscheinungen und zeigten auch deshalb Abweichungen vom normalen Verhalten.
Die Samen vom Schlafmohn kann der Mensch bis auf wenige Ausnahmen aber ohne Bedenken essen: Der Morphingehalt der heute legal kultivierten Sorten (besonders in Österreich wird viel Mohn angebaut) ist insgesamt relativ gering. Das Bundesinsitut für Risikobewertung (BfR) hat als Richtwert des zulässigen Morphingehalts in roher Mohnsaat 4mg pro Kilogramm angegeben (dieser Richtwert wird allerdings noch nicht in jedem Fall bei unverarbeiteter Mohnsaat erreicht). Bei einem derartigen Wert ist Mohn völlig unbedenklich für die Gesundheit. Weiter wird durch die Verarbeitung wie z.B. Waschen, Erhitzen und Mahlen der Morphingehalt zusätzlich z.T. deutlich vermindert; manchmal ist in fertigen Mohnprodukten deshalb sogar überhaupt kein Morphin mehr nachweisbar. Folglich ist auch nach dem Genuss von Mohnkuchen in normaler Menge keine berauschende oder die Gesundheit schädigende Wirkung zu erwarten. Mohn ist im Gegenteil gesund, da er viel Calcium (100g enthalten etwa 2475 mg Ca, das ist 20 mal mehr als der Calciumgehalt von Kuhmilch!) und B-Vitamine enthält. Säuglinge dürfen aber dennoch keinen Mohn bekommen und auch bei Kleinkindern ist Vorsicht geboten. Diesen wird von zuviel Mohn leicht übel, was aber auch an dem sehr hohen Gehalt an Öl in Mohnsaat liegen kann.
Bemerkenswert ist allerdings, dass ein Drogentest auch bei geringen Mengen an verzehrtem Mohn (es sei denn, das Produkt enthält nach Verarbeitung überhaupt kein Morphin mehr, s.o.) positiv wird! Glücklicherweise kann mittels Blutuntersuchung aber unterschieden werden, ob das positive Ergebnis von einer Mohnsemmel oder von Opiummissbrauch kommt.
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