Wird beim Bachelor zu nachlässig studiert?

vom 05.02.2014, 14:06 Uhr

Ich habe erst mit dem Bachelor angefangen zu studieren. Das Diplom davor, habe ich selbst nicht miterlebt, wobei man dazu aber eh sagen muss, dass sich da in den Naturwissenschaften nicht allzu viel getan hat, weil die Studenten auch zu Zeiten des Diplom fest vorgegeben war, wann man welches Praktikum zu absolvieren hatte und man vor dem Praktikum bestimmte Scheine haben musste, so dass sich beim Übergang auf den Bachelor eigentlich sehr wenig getan hat.

Im Grunde wollte man mit dem neuen System unter anderem aber auch bewirken, dass die Studenten verantwortungsvoller studieren und dass es weniger Langzeitstundenten gibt. Was jetzt meinen Studiengang angeht, so sehe ich schon bei den meisten, dass sie sich sehr anstrengen und versuchen mitzukommen, einfach weil die meisten Module auch eine Voraussetzung für wieder ein anderes Modul sind und man bei uns nicht ein Semester überziehen kann, sondern dann automatisch schon ein Jahr, weil das Fach nur im Wintersemester angeboten wird.

Dennoch gibt es auch sehr viele Studenten, wo ich mich wirklich darüber wundere, welche Einstellung man an den Tag legt. Beispielsweise habe ich eine Kommilitonin, die ein Modul aus dem vorherigen Semester mit sich mitgeschleppt hat. Natürlich muss man für diese Modul dann auch lernen, an sich aber hat man dann schon vieles voraus, weil man schon einmal für das Modul gelernt hat und man muss sein Wissen dann quasi nur noch intensivieren. Tatsache ist jedoch, dass sie beschlossen hat, das Modul nun zu schreiben, dafür aber ein anderes fallen gelassen hat, was sie dann im übernächsten Semester erst machen wird. Wie man so was machen kann, ist mir nicht begreiflich, zumal sie in diesem Semester sicherlich mehr Zeit haben wird, zu lernen, als im übernächsten, weil wir dort auch Vollzeitpraktikum haben werden.

Ich habe einfach das Gefühl, dass sich beim Bachelor generell die Einstellung eingeschlichen hat, es ist nicht machbar und deswegen mache ich es nicht. Schon zu Beginn meines Studiums gab es eine Einführungsveranstaltung, auf der gesagt worden ist, dass die meisten Studenten ihr Studium nicht in der Regelstudiumzeit werden abschließen können. Das ist sicherlich auch nicht verkehrt, aber ich finde es nicht in Ordnung, wenn man den Studenten dann das Gefühl vermittelt, dass sie sich darauf einstellen sollen, dass sie länger studieren werden. Als dann die Semesteranzahl genannt worden ist, die man braucht um zur Promotion zu gelangen, hat man auch einfach mal zwei Semester obendrauf gerechnet, weil man es offenbar einfach für normal hält, dass die Studenten das nicht anders schaffen.

Während des Diploms gab es ja so was wie eine Regelstudienzeit, die meisten haben für ihr Grundstudium vier Jahre gebraucht. Damals gab es aber ein Bestreben, diese Studienzeit zu verkürzen. Das ist mithin einer der Punkte, weswegen ich es traurig finde, dass man jetzt den Bachelor und Master eingeführt hat, weil es jetzt nämlich gar nicht mehr möglich ist, sein Studium zu verkürzen, weil man keine Module vorziehen kann. Ich kann zwar schon einige Module vorziehen und habe das auch gemacht, aber man kann nie ein Semester vorziehen und die Module so legen, dass man tatsächlich ein Semester weniger hätte. Während der Zeiten des Diplom gab es aber auch genug Studierende, die die Zeit von vier auf drei Jahren gekürzt haben, mein Ex Freund hat sein Grundstudium in zwei Jahren geschafft, mein jetziger Freund hat immerhin drei Jahre gebraucht.

Im Bachelor ist das aber jetzt anders, obwohl eine bestimmte Anzahl an Semestern vorgegeben ist, meinen dennoch die meisten Studenten, dass sie überziehen müssen, weil es anders nicht möglich wäre. Das finde ich schon ein bisschen deprimierend und teilweise frage ich mich, ob das wirklich daran liegt, dass es nicht machbar ist, denn es gibt ja immer noch genug Studenten die das sehr wohl schaffen, mich eingeschlossen, oder ob die heutigen Studenten vielleicht einfach nicht diszipliniert genug sind und teilweise auch zu jung, um das Studium ernst zu nehmen. Welche Erfahrungen habt ihr diesbezüglich gemacht, habt ihr auch das Gefühl, dass es kein großes Bestreben mehr gibt, den Bachelor und Master in der Regelstudienzeit zu schaffen?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich glaube nicht, dass es in erster Linie an der "faulen" Einstellung der Bachelor-Studenten liegt, dass viele die Regelstudienzeit nicht schaffen. Oft liegt es auch daran, weil manche Studenten eben keine Unterstützung durch die Eltern bekommen und nebenbei arbeiten müssen. Versuch du mal 20 Stunden pro Woche zu arbeiten und dann noch nebenbei das Studium durchzuziehen. Ich muss das zur Zeit machen und es ist echt anstrengend. Dann habe ich noch das Pech, dass manche Arbeitszeiten mit einigen Veranstaltungen in der Uni kollidieren und man dann eben ein Jahr warten muss, weil man ja schlecht an zwei Orten gleichzeitig anwesend sein kann.

Ich habe es auch schon oft erlebt, dass zu wenig Plätze in beispielsweise Seminaren angeboten werden. Ich bewerbe mich schon ganze 3 Semester in Folge für ein ganz bestimmtes Nebenfach, das ich machen möchte (laut Studienordnung sind wir verpflichtet, zwei Nebenfächer zu belegen), aber ich bekomme jedes Semester nur eine Absage, weil zu wenig Plätze da sind. Wie soll man bitte die Regelstudienzeit schaffen, wenn man wegen mangelnder Kapazitäten nicht alle Veranstaltungen besuchen darf?

An dieser Stelle muss ich erwähnen, dass mein Studienfach in den Naturwissenschaften liegt und bei uns eigentlich auch vorgegeben ist, in welchem Semester was zu machen ist. Oft muss man auch bestimmte Module abgeschlossen haben, damit man andere Module belegen kann. Ich bin also bei weitem nicht so flexibel wie man es beispielsweise den Geisteswissenschaftlern nachsagt. Ich denke sehr viel hängt definitiv auch von der Organisation innerhalb der Institute ab.

Auch an der anderen Uni, an der ich vor dem Hochschulwechsel studiert habe, gab es dasselbe Chaos. Eine 14-tägige Großexkursion war dort verpflichtend und es wurden auch jedes Jahr diverse Ziele (mit begrenzten Plätzen) angeboten. Alle Teilnehmer mussten bestimmte Referatsthemen vorbereiten und auch einen Exkursionsbericht schreiben, der eben auch in die Endnote des Moduls einfließen würde. Leider war die Organisation von Seiten des Instituts so dermaßen miserabel, dass jedes Jahr viel weniger Plätze angeboten wurden, als eigentlich benötigt wurden.

Einmal musste sogar nachträglich ein weiteres Exkursionsziel angeboten werden und trotzdem waren immer noch viel zu viele Studenten ohne Exkursionsplatz. Viele Studenten haben zwei oder mehr Jahre hintereinander keinen Platz bekommen. Auf diese Weise die Regelstudienzeit zu schaffen ist natürlich unmöglich und da diese Exkursionen nur jedes Jahr im September stattfanden, verlor man im Prinzip ein ganzes Jahr, wenn man keinen Platz bekam.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Olly173 hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass es in erster Linie an der "faulen" Einstellung der Bachelor-Studenten liegt, dass viele die Regelstudienzeit nicht schaffen. Oft liegt es auch daran, weil manche Studenten eben keine Unterstützung durch die Eltern bekommen und nebenbei arbeiten müssen. Versuch du mal 20 Stunden pro Woche zu arbeiten und dann noch nebenbei das Studium durchzuziehen.

Wenigstens hast du noch die Zeit zu arbeiten. Bei uns tanzen wir in der Regel um sieben oder spätestens acht Uhr an der Universität an und verlassen das Labor nicht vor 20 Uhr. Da wären wir froh, wenn wir noch Zeit hätten, nebenbei arbeiten zu gehen.

Was das Wahlpflichtmodul angeht, so liegt es doch letzten Endes bei dir, dass du dort nicht voran kommst, denn es heißt ja auch ''Wahl''-pflichtmodul und wenn das von dir gewählte Fach besetzt ist, dann spricht doch auch nichts dagegen ein anderes zu wählen. Du kannst doch schlecht Ewigkeiten an der Universität bleiben und darauf warten, dass in den Modul mal ein Platz frei wird, wenn es regelmäßig überlastet ist. Bei uns haben das auch alle Studierenden so gemacht, dass sie ein anderes Modul genommen haben, wenn sie ihr Wunschfach nicht bekommen haben. So wählerisch darf man da nicht sein.

Das es an der Organisation der Universität scheitert, dass man sein Studium in der Regelstudienzeit schafft, ist natürlich ärgerlich. Ich kann von meiner Universität eigentlich aber nicht behaupten, dass man hier schlecht organisiert wäre. Eigentlich läuft hier alles nach Plan und auch bei Doppelstudiengängen war man erstaunlich gut vorbereitet. Nicht jeder Studierende kann seine mangelnde Leistung damit begründen.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Du verstehst nicht Crispin, wer sagt denn dass ich freiwillig Zeit habe zu arbeiten? Wenn du als Alternative nur hast, zu verhungern wenn du nicht arbeiten gehst, dann gehst du eben arbeiten, so einfach ist das.

Die ganze Organisation auch bei den Nebenfächern ist total das Chaos. Viele Fächer werden spontan nicht mehr angeboten, weil irgendwelche Dozentenstellen nicht besetzt sind. Oder aber die Kapazitäten sind nicht ausreichend. Meinst du wirklich, ich würde 3 Semester mich nur um ein einziges Nebenfach kümmern und ansonsten faul rumsitzen? Ich fahre schon mehrgleisig und habe schon so viele andere Fächer versucht zu belegen, aber entweder wird man aus Platzmangel abgelehnt oder das Nebenfach wird gar nicht erst genehmigt.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Du wunderst dich noch, dass es viele Studenten nicht schaffen, in der Regelstudienzeit zu bleiben, wenn erwartet wird, dass man bis 20 Uhr täglich im Labor forscht und lernt? Es gibt da noch so einige Studenten, die wie ich Familie mit Kindern und Uni unter einen Hut bringen müssen. Welche Kita hat schon bis 20 Uhr auf? Und welches kleinere Kind hält so lange durch, dass man nach 20 Uhr nach der Abholung noch Familienleben führen kann? Welches Schulkind kann zu der Uhrzeit mit den Eltern noch Hausaufgaben machen?

Eine so geplante Studienorganisation ist seitens der Hochschule für meine Begriffe zutiefst diskriminierend. Im Endeffekt heißt das, dass man nur als Kind reicher Eltern ohne weitere Verpflichtungen so ein Studium überhaupt ansansatzweise schaffen kann. Wenn man kein Bafög bekommt, beispielsweise aus Altersgründen, oder weil die Eltern einen finanziell nicht unterstützen, dann ist man hier schon quasi so gut wie zum Scheitern verdammt. So etwas kann ich nicht für gut befinden. Ein Vollzeitstudium sollte meiner Meinung nach nicht allzu viel mehr an Workload mit sich bringen, als der normale Arbeitnehmer mit ca. 40 Stunden pro Woche leistet.

Irgendwann, wenn man nicht genug geistige Pausen und Schlaf bekommt, dann lernt ein normaler Mensch auch nicht mehr effektiv. Studium sollte auch Platz für ein wenig Studium generale lassen. Aber bei den Druck und der ständigen Klausurbulimie, die in den letzten Jahren unter den Studenten seit der Bologna Reform Einzug gehalten hat ist Studieren einfach nur noch eine Plage. Und es wundert mich nicht, dass in England mittlerweile die ersten Studenten wegen Überlastung im Studium sterben. Das wird bei uns auch nicht mehr lange dauern, bis es so weit ist.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich selbst studiere meine Fächer ebenfalls im Bachelorsystem und konnte mit einem Diplomstudiengang, außer aus Erzählungen, keinerlei Erfahrungen machen, sodass ein Vergleich schwierig sein dürfte. Ohne dafür irgendwelche Zahlen nachweisen zu können, glaube ich aber, dass die Zahl derjenigen, die ihr Studium in der Regelstudienzeit schaffen, sich durch die Einführung des Bachelors nicht signifikant verändert haben dürfte. Es gab immer schon Studenten die sich lieber ein bisschen mehr Zeit gelassen haben, ebenso wie es diejenigen gibt, die ihr Studium in Rekordzeit durchziehen wollen. Das ist wohl Einstellungssache und hängt nur sehr bedingt vom System ab.

Was ich mich aber frage: Warum stilisierst du es als absolutes Ideal, unbedingt in der Regelstudienzeit bleiben zu können? Wenn jemand von staatlichen Transferleistungen abhängig ist, die nur über eine gewisse Zeit gezahlt werden, sehe ich das vollkommen ein, aber das scheint bei dir ja nicht der Fall zu sein. Hätte ich einen Tag wie du, der scheinbar aus 14 Stunden Arbeit für die Universität ohne jedwede Berücksichtigung von Wochenenden besteht, hätte ich wohl nach wenigen Wochen einen Nervenzusammenbruch. Ich mag meine Studienfächer sehr und sie sind nicht nur mein zukünftiger Beruf, sondern auch meine Leidenschaft, aber um mir diese Freude zu behalten, brauche ich noch Raum für andere Dinge.

Manche Studenten, darunter ich, müssen arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Andere haben familiäre Verpflichtungen, denen sie nicht ausweichen können oder wollen. Und in meiner Definition eines ausgeglichenen und erfüllten Lebens spielen auch eine Partnerschaft, Freundschaften und ein Hobby eine wichtige Rolle. Hätte ich all diese Dinge nicht und würde nur für die Universität arbeiten, ginge mir jegliche Freude an meinem Studium verloren und vermutlich könnte man mich irgendwann in der Klinik besuchen.

Natürlich möchte ich auch nicht mit 30 Jahren noch in der Universität sitzen und erzählen, dass ich schon im 20. Semester bin. Momentan könnte es sogar sein, dass ich in der Regelstudienzeit bleibe, aber ein oder zwei Semester mehr sind für mich auch absolut kein Weltuntergang. Letztlich glaube ich sogar, dass es im späteren Leben keinerlei Nachteile bringt, zwei Semester mehr an der Universität verbracht zu haben. Ich habe in dieser Zeit nicht nur studiert, sondern schon gearbeitet und gezeigt, dass man mir in meinen Jobs Verantwortung übertragen kann. Außerdem habe ich ein kleines Ehrenamt, das meine Sozialkompetenz unterstreichen dürfte.

Und ganz davon abgesehen schaue ich über den Tellerrand und belege an der Universität nicht nur die Kurse, die ich brauche, sondern auch zusätzliche Veranstaltungen zum Thema Kompetenztraining. Ich mache das, was studieren für mich ausmacht: Ich besuche auch Veranstaltungen, die mich interessieren, auch wenn ich dafür keine Punkte bekomme. Vielleicht lerne ich sogar noch eine zusätzliche Sprache. Zumindest bei einem Personalchef, der sich nicht nur für harte Fakten, sondern auch für Schlüsselqualifikationen interessiert, dürfte ich vermutlich mit meinem Lebenslauf trotz ein oder zwei Semestern zu viel auf dem Buckel mehr Chancen haben, als ein Absolvent, der sein Studium im vorgesehenen Zeitraum gemeistert hat, dafür aber nichts Anderes vorweisen kann.

» Anemone » Beiträge: 1740 » Talkpoints: 764,26 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Das Verhalten der Studenten hat jedenfalls nichts mit dem Bachelor zu tun. Auch im Diplomstudiengang gab es Studenten, die geschoben haben und viele Semester überzogen haben. Das ist ganz normal. Einige Gründe wurden ja schon genannt. Dazu kommt noch, dass ein Studiengang zwar normalerweise für eine 40h-Woche ausgelegt ist, jedoch gilt das theoretisch für einen Durchschnittstudenten. Praktisch klappt das in den Naturwissenschaften aber nur für die guten Studenten. Es muss also logischerweise Leute geben, die viel mehr Arbeit rein stecken müssen und es deshalb auch niemals in der Regelstudienzeit schaffen. Nicht weil sie faul sind oder besseres zu tun haben (das gibt es sicherlich auch), sondern weil sie einfach nicht mehr leisten können.

Wenn du dich so unterfordert fühlst, dass du über verkürzen nachdenkst, würde ich dir dringend empfehlen, die Zeit anderweitig zu nutzen. Du kannst sicherlich noch einen zusätzlichen Sprachkurs oder ein nicht fachbezogenes Nebenfach machen. Oder dich einfach tiefer mit der Materie beschäftigen, zum Beispiel intensiver die Sekundärliteratur recherchieren. Oder dir eine Stelle als Tutor oder studentische Hilfskraft suchen. Das alles sind Dinge, die dir viel mehr bringen, als das Studium zu verkürzen. Im Studium geht es nicht darum, möglichst schnell den Schein zu bekommen, sondern in der gegebenen Zeit so viel wie möglich mitzunehmen. Und die beste Methode dafür ist, das Wissen direkt anzuwenden oder noch besser weiterzugeben.

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