Berliner Lehrer: 75% lachen über schwulenfeindliche Sprüche
Einerseits behaupten viele Menschen schon seit einiger Zeit, dass es in Deutschland kein Problem mehr mit Homophobie gäbe. Andererseits ist es mittlerweile wieder zum Alltag geworden, dass Schüler sich in der Schule gegenseitig mit schwulenfeindlichen und lesbenfeindlichen Schimpfwörtern und Sprüchen bewerfen. "Scheiß Schwuchtel!" und "Doofe Lesbe!" sind keine seltenen Beschimpfungen, das Wort "schwul" ist wohl sogar schon zu einer seltsamen Art von "Universal-Schimpfwort" geworden. Einige Schüler bezeichnen neuerdings alles als "schwul", was man früher als "blöd" oder "scheiße" bezeichnet hätte. Die unerwünschte Klassenarbeit wird dann "schwul" genannt, wenn man nachsitzen muss, findet man das "voll schwul", und wenn der Kugelschreiber nicht schreiben will, dann ist der auch "schwul".
Man könnte den Eindruck bekommen, dass die Kinder, die so sprechen, teilweise gar nicht wissen, was das Wort "schwul" bedeutet. Aber es scheint schon auch lesbenfeindliche und schwulenfeindliche Sprüche zu geben, und auch Witze, die in diese Richtung zielen, die durchaus eindeutig auf die sexuelle Orientierung Bezug nehmen. Also die Kinder scheinen in den meisten Fällen schon zu wissen, was Homosexualität bedeutet.
Und wenn Schüler saloppe homophobe Sprüche oder Witze von sich geben, dann scheinen viele Lehrer das gar nicht problematisch zu finden. Deutschlandweit sind es wohl 25 Prozent aller Lehrer, die homophobe Sprüche oder Witze lustig finden, tolerieren oder sogar wirklich mitlachen, wenn sie diese Sprüche oder Witze von ihren Schülern hören. In Berlin sollen es sogar 75 Prozent der Lehrer sein. Insbesondere schwulenfeindliche Witze sind wohl "beliebt", lesbenfeindliche Sprüche sollen etwas seltener sein. So oder so: Die Zahl hat mich wirklich schockiert.
Meint Ihr, die Schüler fühlen sich in ihren Sprüchen, die ja oftmals extrem klischeehaft und vor Vorurteilen nur so triefend sind, bestätigt, wenn sie merken, dass die Lehrer sogar noch mitlachen? Oder zielen die Sprüche auf Provokation ab und nehmen vielleicht sogar ab, wenn die Schüler merken, dass ihre Lehrer darüber lachen und sich nicht aufregen? Was meint Ihr, was für ein Klima erzeugt dieses Verhalten in der Schule gegenüber homosexuellen Schülern? Mich würde vor allen Dingen interessieren, wie heterosexuelle Menschen darüber denken, die die Problematik nicht als selber betroffene Personen kennen. Und an die Lehrer hier im Forum: Wie benehmt Ihr Euch, wenn Eure Schüler homophobe Witze machen? Geht Ihr dagegen vor? Wenn ja, wie genau?
Zwar bin ich keine Lehrerin, aber ich habe schon viel mit Jugendlichen gearbeitet. Dass Homophobie besonders unter männlichen Jugendlichen weit verbreitet ist, kann ich nur bestätigen. Auch da würde ich aber teilweise die Pubertät mit dafür verantwortlich machen. In dem Alter neigen sie dazu, sich über alles, was nur im entferntesten mit Sexualität zu tun hat, lustig zu machen. Sie haben nicht einmal ihre eigene sexuelle Identität gefunden und fühlen sich innerlich eigentlich total verunsichert und verwirrt. Das können sie sich vor ihrer Peer-Group natürlich keinesfalls anmerken lassen. Diese Sprücheklopferei ist nur eine Kompensation ihrer eigenen Angst und ihres Schamgefühls.
Ob die Berliner Lehrer nun wirklich fast alle über Schwulenfeindlichkeit lachen, wage ich zu bezweifeln. Allerdings ist es bei solcher Sprücheklopferei von Möchtegernmachos meiner Erfahrung nach auch kontraproduktiv, in dem Moment eine politisch korrekte Ausdrucksweise einzufordern. Dadurch fühlen sie sich nur noch mehr bestätigt. "Schwul" gilt unter vielen Jugendlichen leider als Schimpfwort. Das ist einfach ein Fakt, den wir erst mal so hinnehmen müssen, denn noch keine Generation hat sich ihre Jugendsprache von den Erwachsenen vorschreiben oder verändern lassen. Sie dient ja gerade der Abgrenzung von der Erwachsenenwelt und der Infragestellung ihrer Wertvorstellungen. Sie soll provozieren, was ihr ja somit auch gelingt.
Die Frage ist aber, ob das Schimpfwort "schwul" überhaupt noch in jedem Fall in der ursprünglichen Bedeutung verwendet wird. Ich habe das Jugendliche mal in einem entspannten Gespräch gefragt und erstaunliche Antworten erhalten. Sie haben das nämlich in der Mehrheit gar nicht mehr mit Homosexualität in Verbindung gebracht, sondern verwenden es in einem ganz anderen Kontext, der meist gar nichts mehr mit der ursprünglichen Bedeutung zu tun hat. Viele der von mir angesprochenen Jugendlichen zeigten sich sogar empört darüber, als ich ihnen Schwulenhass unterstellte. und sie distanzierten sich eindeutig davon. Solche Bedeutungsveränderungen oder Verschiebungen sind ja typisch für Slang-Begriffe. Eine politisch korrekte Jugendsprache kann und wird es daher wohl nie geben.
Ich finde es wichtiger, mit den Jugendlichen offen über diese Dinge zu reden. Sie müssen lernen, dass sie andere Menschen damit verletzen und diskriminieren. Das kann man zum Beispiel durch Rollenspiele erreichen, in denen sie auch mal nachempfinden, wie es ist, selbst in einer Minderheitenposition und Opfer von Ausgrenzung zu sein. Je selbstverständlicher und unverkrampfter man solche Dinge thematisiert, desto uninteressanter wird der Tabubruch. Sicher klappt das nicht bei allen. Aber viele Jugendliche sind gar nicht so furchtbar, wie es manchmal den Anschein erweckt. Man muss die harmlose Mehrheit nur von den wirklich gefährlich aggressiven "trennen" Mit bloßen Zurechtweisungen und Belehrungen bringt man nur die gesamte Gruppe gegen sich auf und stärkt einzelne,sich wirklich antisozial verhaltende "Problemfälle" in ihrer Position.
Wenn Lehrer solche Probleme aber aus Feigheit oder Bequemlichkeit einfach unter den Tisch kehren , finde ich das aber wirklich besorgniserregend. Ich hoffe nicht, dass es da so viele davon gibt. Das wäre wirklich armselig und eine Schande für den gesamten Lehrerberuf. Keine Frage, dass der Schwulenfeindlichkeit in den Schulen konsequent entgegengewirkt werden muss. Nur müssen die Strategien auch nachhaltig wirksam sein und über oberflächliche Verbote hinausgehen. Wenn solche Denkweisen bereits im Elternhaus und im persönlichen Umfeld an der Tagesordnung sind, ist es nicht so einfach, an diesen Einstellungen von heute auf morgen was zu ändern. Man kann die Jugendlichen nur zum eigenständigen Nachdenken motivieren und sie dazu bringen, bestimmte überlieferte Ansichten mal kritisch in Frage zu stellen.
ANNA67 hat geschrieben:Die Frage ist aber, ob das Schimpfwort "schwul" überhaupt noch in jedem Fall in der ursprünglichen Bedeutung verwendet wird.
Dass es oft vorkommt, dass mit dem Begriff "schwul" kein wirklicher Bezug zur männlichen Homosexualität gezogen wird, weiß ich. Sicherlich denkt kein männlicher Jugendlicher an wirkliches Schwulsein, wenn es heißt "Die Hausaufgaben sind voll schwul". Aber um solche Fälle geht es in diesem Beispiel ja nicht. Sondern um klischeehafte Witze, die tatsächlich über Homosexuelle, hauptsächlich männliche Homosexuelle, gerissen werden. Und da geht es durchaus um die sexuelle Orientierung und "schwul" ist nicht einfach nur ein Synonym für "doof" oder "langweilig", das den eigentlich Wortsinn vollkommen verloren hat.
Umso schlimmer finde ich es eben, dass Lehrer da einfach wegsehen. Oftmals wird die Thematik wohl mit solchen Denkweisen wie "Es sind ja nur Witze!" abgetan. Sicher mögen die Sprüche von denen, die sie aussprechen, vielleicht nur als lustig empfunden werden. Und vielleicht hat jemand, der solche Sprüche klopft, im Alltag sonst tatsächlich nichts gegen Schwule. Aber man sollte sich überlegen, welche Auswirkungen solche Witze dennoch auf Betroffene haben.
Man kann es vielleicht mit diversen Ausländerwitzen vergleichen, die in den 1990er Jahren noch sehr geläufig waren. Wenn ja beispielsweise klischeehaft über Afrikaner oder Asiaten hergezogen wurde, wenn bestimmte Kulturen als besonders blöd dargestellt worden sind. Den Kindern, die damals solche Witze erzählten, traue ich durchaus zu, dass sie beispielsweise auch afrikanische Freunde haben oder allgemein gegenüber einem afrikanischen Menschen kein schlechtes Verhalten an den Tag legen würden, wenn sie einem begegnen. Aber trotzdem schaffen die Witze einfach gegenüber denen, die verlacht werden, eine Atmosphäre, die unangenehm ist. Ganz egal, ob es jetzt beispielsweise um bestimmte Ausländer geht, oder um Schwule oder Lesben.
Deutlich gesagt: Wenn ich mir an der Grundschule täglich Witze über dumme Asiaten anhören musste, dann fand ich das gar nicht lustig. Wenn ein schwuler junger Mann mitbekommt, dass in seiner Klasse andauernd über Schwule hergezogen wird, dann kann das von ihm mitunter auch als bedrohlich empfunden werden. Sicher wird es nicht bei allen so ankommen, aber doch bei genügenden. Und das ist Argument genug, um so ein Verhalten zu verhindern.
Ein gern gehörtes Argument, das dann immer kommt, ist, dass es ja beispielsweise auch Witze über Blondinen gäbe. Aber mal abgesehen davon, dass blonde Frauen teilweise wirklich unter dem Vorurteil leiden müssen, dumm zu sein, ist es bei Haarfarben ja immerhin noch so, dass sie notfalls "abgelegt" werden könnten. Ein blonder Mensch könnte sich notfalls die Haare färben. Aber was soll beispielsweise ein dunkelhäutiger Mensch tun? Sich weiß anmalen? Und ein homosexueller Mensch kann sich auch nicht einfach sagen "Ich werde dann halt hetero!", das geht einfach nicht.
Und abgesehen davon gibt es beispielsweise auch sehr viele blonde Menschen. Die Witze ihnen gegenüber werden oft einfach als Witze gesehen, die von der Realität abgekoppelt sind. Blonden Menschen, die mit ihrem Verhalten die Vorurteile widerlegen, begegnet man andauernd. Aber dunkelhäutige Menschen und geoutete Homosexuelle trifft man vielleicht im Alltag seltener. Also prägen sich die über Witze verbreiteten Vorurteile schon ein, weil man eben nicht täglich mit dem Gegenteil konfrontriert wird. Ist verständlich, worauf ich hinaus möchte?
Ich beziehe mich übrigens mit der Ausführung hier nicht auf Deinen Beitrag. Nicht, dass ein Missverständnis auftritt. Ich nehme nur Bezug auf die Verharmlosungen, die ich bisher über die Problematik homophober Witze gehört habe. Denn die häufigste Entschuldigung ist wohl tatsächlich, dass diese Witze doch nicht schlimm seien, weil das ja bloß Humor sei und es über Ostfriesen und Blondinen schließlich auch Witze gäbe. Aber das ist einfach nicht vergleichbar.
Ich verstehe deine Argumente gut und bin mir auch dessen bewusst, dass das kein Kavaliersdelikt ist. Machen wir uns mal nichts vor, auch diskriminierende Sprüche und "Witze" gegenüber Ausländern sind ja noch längst keine Seltenheit. Und wahrscheinlich empfindest du auch auf Grund deiner eigenen schmerzlichen Erfahrungen wesentlich mehr Empathie für die Opfer solcher Attacken, als jemand, der davon noch nie selbst betroffen war.
Als zu Beginn der 90iger die Diskussionen über politische Korrektheit auch hier in Deutschland zunahmen, änderte sich schon etwas im Bewusstsein einiger (wenn auch leider nicht aller) Menschen. Bei so manchem habe ich aber auch den Eindruck, dass es sich lediglich um "Kosmetik" handelt, sich ihre innere Einstellung aber kaum geändert hat. Ob es da um Rassismus, Sexismus, Homophobie oder anderes handelt. In bürgerlichen Kreisen ist es eben nicht mehr akzeptiert, solche diskriminierenden Äußerungen zu machen. Genau, wie es nicht "schick" ist, Frau und Kinder zu schlagen. Was hinter geschlossenen Türen geschieht, wissen wir aber auch nicht. Alice Schwarzer sagte letztens mal, Doppelmoral sei ja immer noch besser als gar keine Moral. So kann man es natürlich auch sehen. Immerhin existiert da noch so was wie ein Unrechtsbewusstsein.
Was mir oft selbst an solchen schwierigen Jugendlichen gefällt, ist ihre Ehrlichkeit. Sie sagen noch, was sie denken. Nicht, dass mir ihre Gedanken immer sonderlich gefallen. Aber es ist nicht, entschuldige bitte den Ausdruck, so eine verschissene Doppelmoral wie bei vielen vermeintlich "gut situierten" Erwachsenen, die sich hinter einer künstlich aufrechterhaltenen Fassade verstecken. Die meisten Jugendlichen kann man im Gegensatz zu ihnen noch emotional erreichen.
Ich glaube, dass sich auch unter Lehrern und Erziehern solche Menschen befinden. Wenn jemand nicht selbst von dem überzeugt ist, was er nach außen vermittelt, kann er bei den Jugendlichen gar nichts erreichen. Aufgesetzte Pädagogik entlarven die sofort. Dafür haben die Kids ein sehr gutes Feingefühl. Wenn ein Lehrer insgeheim also selbst was gegen Schwule oder eine frauenfeindliche oder rassistische Einstellung hat, dann nützen auch die zahlreichen von der Bundesregierung so gerne finanzierten Veranstaltungen und Aktionen zur Förderung der Toleranz nichts.
Es gibt auch viele Menschen, darunter eben auch Lehrer, denen es an jeglicher Zivilcourage mangelt. Ich habe in meinem Leben leider schon so viele Leute kennengelernt, die fleißig Worthülsen von sich geben, sich im Rahmen Gleichgesinnter für eine politisch korrekte Ausdrucksweise ausgesprochen haben, aber im Ernstfall nicht den Mut hatten, mal für ihre angeblichen Überzeugungen einzustehen. Erst in solchen Situationen zeigt sich nämlich, wessen Geistes Kind sie sind.
Deshalb hat meine anfängliche Begeisterung für solche theoretischen Floskeln mit der Zeit auch schon etwas nachgelassen. Wenn das gesellschaftliche Klima gerade politische Korrektheit einfordert, passen sie sich sofort an und stellen sich oft scheinbar sogar noch an die Spitze der Bewegung. Sobald aber die allgemeine Stimmung kippt, zeigen sie keinerlei Courage, dem etwas entgegenzusetzen. Das ist auch der Grund, warum ich solche perfekt angepassten Charaktere nicht mag. Ich glaube, dass wir in Deutschland immer noch viel zu viele von diesen Mitläufern haben.
Meine Mutter sagte mal, dass ihr nie eingeleuchtet hat, warum Hitler so weit kommen konnte, ohne dass ihn jemand aufhielt. Gerade im deutschen Bürgertum war er ja von Anfang an nicht sonderlich beliebt. Warum hat nicht schon viel früher mal jemand ein Attentat gegen ihn verübt, als er noch gar nicht so mächtig war? Warum taten selbst die nichts, die schon deutlich sahen, wohin das alles noch führen könnte?
Ich glaube, dass nicht alle zu blind waren, um zu sehen, was da geschah. Viele waren einfach zu feige. Bloß nicht aus dem Rahmen fallen, bloß immer schön angepasst, unauffällig und autoritätshörig sein. Das ist das deutsche Spießbürgertum. Von denen kannst du keine Aufruhr erwarten. Und eben auch keine Zivilcourage.
ANNA67 hat geschrieben:Ich glaube, dass nicht alle zu blind waren, um zu sehen, was da geschah. Viele waren einfach zu feige.
Viele Menschen sind bequem. Viele waren von den Restriktionen und Gewalttaten, die das damalige Regime für verschiedene Bevölkerungsgruppen mit sich brachte, selber gar nicht betroffen. Vereinfacht gesagt: Wer kein Jude, Ausländer, Homosexueller oder "Zigeuner" war, und auch nicht politisch aufmuckte, hatte nichts zu befürchten. Natürlich haben viele dann kein Wort gesagt, weil sie sich keinen Ärger einhandeln wollten.
Solche, die es doch taten, gab es aber auch schon früh. Die landeten dann teilweise 1933 direkt in "Schutzhaft". Die ersten Konzentrationslager gab es auch schon seit Einsetzen der "Reichstagsbrandverordnung". Und ab dem Zeitpunkt wurden die Menschen massenhaft verschleppt, misshandelt und teilweise ermordet. Diese Tatsache, dass es sehrwohl schon früh Proteste gab, wird gerne verschwiegen. Und ja, auch vor 1933 gab es schon viele Proteste. Es war doch ein einziges Gekloppe zwischen verschiedenen politischen Strömungen. Aber das geht jetzt sowieso zu sehr vom eigentlichen Thema hier ab.
Jedenfalls finde ich, dass man die damalige Situation und die heutige Situation zumindest beim Thema der homophoben Witze schlecht vergleichen kann. Damals griffen die Leute nicht bei Diskriminierungen ein, weil sie Angst um ihre eigene Sicherheit hatten.Weil sie wussten, was ihnen droht, wenn sie aufmucken. Aber heute? Was soll denn heute jemandem passieren, wenn er eingreift und seine Meinung sagt, wenn er einen homosexuellenfeindlichen Witz hört? Staatliche Restriktionen hat er dadurch ganz sicher nicht zu befürchten. Nichtbeachtung wäre das Schlimmste, was ihm passieren könnte. Verschleppt und gefoltert zu werden, ist zumindest in Deutschland auszuschließen. Also Angst um das eigene Leben kann es heute nicht sein, was die Menschen dazu bringt, homophobe Sprüche einfach zu "überhören".
Sicher kann man die Dimension nicht vergleichen, aber unter einer Mehrheit von Homophoben oder Ausländerfeinden kann es auch heute noch sehr ungemütlich werden. Bei den Erfahrungen, die ich hier ansprach, ging es schon auch um nicht ganz ungefährliche, teilweise auch handgreifliche Situationen.
Von staatlicher Seite musst du zwar hier und heute keine Verfolgung mehr fürchten, wenn du dich gegen Diskriminierung einsetzt, aber du kannst dich trotzdem noch in sehr unangenehme und bedrohliche Situationen bringen. Dann ist es eben die Frage, ob du mitmachst, schweigst oder die Courage aufbringst, mal den Mund aufzumachen.
Gerade in Berlin haben Lehrer auch nicht selten Angst vor Konflikten mit ihren Schülern. Die können ihnen schon auch das Leben zur Hölle machen, wenn sie wollen. Davor knicken manche eben dann ein.
Es kommt wohl auch immer auf das direkte Umfeld an. An einem Stammtisch voller verkappter Menschen mit rechtem Gedankengut oder auf einer NPD-Kundgebung sollte man sich wohl lieber nicht laut mit Ausländern solidarisieren, wenn man den Ort wieder ohne gebrochene Rippen verlassen möchte. In bestimmten Umgebungen kommt es auch nicht gut an, Homosexuelle in Schutz zu nehmen, und fällt mitunter negativ auf einen zurück, wenn man es doch tut.
Ich hatte nur bisher gehofft, dass zumindest an Schulen die Lehrer noch irgendetwas sagen können, ohne dafür Gewalt fürchten zu müssen. Ich weiß, dass es Schüler gibt, die dem Lehrer auf der Nase herumtanzen und ihm nicht zuhören, geschweige denn seine Argumente ernst nehmen. Aber ist es heute wirklich so geworden, dass der Lehrer von den eigenen Schülern Prügel erwarten muss, wenn er sie für homophobe Sprüche kritisiert?
Ist es nicht vielleicht so, dass Lehrern auch klar ist, dass die Kinder auch nur Phasen durchmachen? Sorry, aber man kann manches auch schlimmer reden, als es eigentlich ist. Ich habe zwar aktuell niemanden in meinem Bekanntenkreis, der homosexuell ist. Aber ich habe früher auch mit einem schwulen Mann unter einem Dach gewohnt. Es war bekannt, dass er sexuell so ausgerichtet ist und ich habe mich mit ihm gut verstanden. Trotzdem habe ich auch über Schwulenwitze gelacht und kann es heute noch.
Da kann man doch jede menschliche Gruppe hernehmen. Wir haben als Jugendliche auch Polizistenwitze erzählt und trotzdem ist eine ehemalige Mitschülerin später zur Polizei gegangen. Sie kann auch heute noch selbst solche Witze reißen, obwohl es, wenn man es ganz genau nehmen will, gegen ihre eigene Person geht.
Und so könnte man die Liste weiterführen. Was bei uns noch scheiße war, war dann ein paar Jahre später einfach uncool und nun ist es eben schwul. In der Beziehung sehe ich die Verwendung von bestimmten Worten einfach nur als Modeerscheinung, die man übernimmt ohne weiter über die Bedeutung nachzudenken.
Punktedieb hat geschrieben:Sorry, aber man kann manches auch schlimmer reden, als es eigentlich ist. Ich habe zwar aktuell niemanden in meinem Bekanntenkreis, der homosexuell ist.
Finde den Fehler. Ich habe selber homosexuelle Freunde, sowohl Lesben als auch Schwule, und selber habe ich auch schon in homosexuellen Beziehungen gelebt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sehr wohl viele es nicht angenehm finden, wenn andauernd über Schwule hergezogen wird und "schwul" als Schimpfwort zum neuen "Scheiße" wird.
Das heißt natürlich nicht, dass jeder einzelne homosexuell empfindende Mensch Schwulenwitze schlimm finden muss. Schließlich ist immernoch jeder Mensch unterschiedlich, unabhängig von seiner sexuellen Identität. Also dass Dein ehemaliger Mitbewohner solche Witze okay fand, ist sein gutes Recht. Aber Tatsache ist einfach, dass es Leute gibt, die es sehrwohl stört, und auch nicht zu wenige. Reicht es nicht, auf diese Rücksicht zu nehmen, selbst, wenn es "nur" 50 Prozent wären?
Abgesehen davon ist es noch einmal ein Unterschied, ob Homosexuelle selber Witze über sich reißen, oder ob solche Witze oder Sprüche von anderen Leuten kommen. Einige dunkelhäutige Menschen reden sich auch gegenseitig derb-scherzhaft mit "Nigger" an. Wenn ein Fremder es zu ihnen sagt, ist es deswegen nicht weniger eine Beleidigung.
Wenn man damit anfangen will in einer Runde, wo gerade begonnen wurde Witze zu erzählen, auf die Befindlichkeiten jeder einzelnen Person zu achten, dann braucht man gar keine Witze mehr erzählen. Es ging mir auch nicht darum, dass man ständig irgendwelche Zoten reißt, wenn eine homosexuelle Person dabei ist. Aber es sollte auch nicht schlimm sein, wenn das mal vorkommt. Da kenne ich zumindest keine Person, die sich angegriffen fühlt.
Aber um noch mal auf die Schüler zu kommen. Was würde es den Lehrern bringen, wenn sie ständig gegen diese Ausdrücke eine Moralpredigt halten? Nichts, denn die Kinder werden dann ganz bewusst ihre Ausdrücke noch öfter gebrauchen, wenn sie merken, dass man damit noch jemanden provozieren kann.
Also ist es doch sinnvoller, wenn man es einfach so hinnimmt und der Sache nicht noch weiter Nahrung bietet. Eventuell kann man als Lehrer gegensteuern, in dem man Begriffe verwendet, die sich nicht gegen eine Menschengruppe richtet, aber die die Kinder vielleicht dann irgendwie toll finden und übernehmen. Aber Zurechtweisungen bringen mit Sicherheit nicht den gewünschten Effekt.
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