Jugendliche denken, nur Neonazis interessiert die NS-Zeit

vom 26.01.2014, 00:52 Uhr

Aus beruflichen Gründen höre ich mich immer mal gerne um, was Jugendliche eigentlich zum Thema Nationalsozialismus und auch zum Thema Gedenkstätten denken. Dabei habe ich, und darüber bin ich auch froh, doch in letzter Zeit oft mitbekommen, dass viele Jugendliche KZ-Gedenkstätten doch eigentlich sehr gut und informativ finden. Eine oft gehörte Aussage ist, dass ein Besuch dort zwar belastend und traurig sei, dass es aber wichtig sei, über das Thema zu informieren. Dass es Jugendliche gibt, die so denken, beruhigt mich wirklich ein wenig. Es scheint also noch Leute zu geben, die nicht automatisch beim Thema Nationalsozialismus die Ohren auf Durchzug stellen und das Thema aus Prinzip schon ablehnen.

Nun verlange ich natürlich nicht, dass sich Jugendliche bei dem Thema irgendwelche Selbstvorwürfe machen, aber informiert sein sollte man schon. Und je mehr Jugendliche das Thema allgemein ablehnen und nicht anhören und überdenken wollen, desto mehr vergrößert sich auch das Problem der Uninformiertheit. Das ist jedenfalls der Eindruck, den ich bekommen habe. Also muss man sich, beziehungsweise müssen die Gedenkstätten sich, auf jeden Fall auch bemühen, Jugendliche irgendwie zu erreichen. Dabei muss teilweise aber auch gegen etwas seltsame Vorurteile angekämpft werden, habe ich festgestellt.

So habe ich schon von mehreren Jugendlichen Aussagen zu hören oder zu lesen bekommen, die im Grunde darauf hindeuteten, dass einige Jugendliche wohl glauben, Interesse an der Zeit des Nationalsozialismus sei nur etwas für Neonazis. Ich habe beispielsweise auch mal in einem Forum gelesen, dass eine offenbar jüngere Jugendliche einige Fragen zum Thema Konzentrationslager gestellt hatte, und dann aber an ihre Fragen noch verstohlen den Satz anfügte: "Keine Sorge, ich bin kein Nazi, ich interessiere mich nur so für das Thema!" Und das scheinen offenbar einige Jugendliche für notwendig zu halten. Sie glauben allen Ernstes, wer Interesse am Nationalsozialismus habe, wer KZ-Gedenkstätten besuche, der täte das, weil er die damalige Zeit so mögen würde. Eigentlich völlig absurd, aber auf die Idee scheinen wohl doch einige Jugendliche zu kommen.

Wieso ist das so? Und was kann man dagegen tun? Wäre es hilfreich, mit der Schule beispielsweise derartige Gedenkstätten zu besuchen, damit die Jugendlichen mitbekommen, dass es dort ganz sicher nicht um die Verherrlichung des damaligen Systems geht? Oder wäre es vielleicht auch hilfreich, im Unterricht das Verhalten von Neonazis von heute zu besprechen und vielleicht auch mal zu klären, wieso diese sich teilweise KZ-Gedenkstätten ansehen?

Letzteres ist tatsächlich so. Leider gibt es in den Gedenkstätten auch immer beleidigende, neonazistische Einträge in den Gedenkbüchern. Offenbar scheinen manchmal wirklich Neonazis dort zu erscheinen, um Hakenkreuze und SS-Runen in die Bücher zu krakeln und sich darüber zu amüsieren. Also Neonazis, die KZ-Gedenkstätten besuchen, gibt es definitiv. Aber wie bringt man den Jugendlichen bei, dass das nicht der Normalfall ist, und dass der Grund, eine Gedenkstätte zum Thema NS-Zeit zu besuchen, keine positive Faszination dieser Zeit gegenüber sein sollte, und es in den meisten Fällen auch nicht ist?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich kann dir das natürlich auch nicht sagen und ich weiß nicht wie es heute an den Schulen gehandhabt und unterrichtet wird, aber zu meiner Zeit empfand ich die schulische Behandlung dieser Zeit immer irgendwo befremdlich. Da wurde gern der moralische Zeigefinger gehoben oder um die Thematik herum geeiert ohne sie richtig anzupacken. Das Thema kam immer mal wieder in mehreren Fächern auf, und man nahm es dann nur unter "nicht schon wieder" auf. Letztlich war Schindlers Liste für mich informativer als alles was in der Schule lief. Wenn das heute noch ähnlich ist, dann wundern mich deine Beobachtungen nicht.

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» Bellikowski » Beiträge: 7700 » Talkpoints: 16,89 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich finde es auch sehr wichtig, dass man über das Thema informiert, und fand es erschreckend, dass wir auf der Gesamtschule damals nur wenig darüber gesprochen haben. Zumal wir eher nur über Hitler selber gesprochen haben, als über das, was er wirklich getan hat. Schindlers Liste war der einzige Film, den wir gesehen haben. Gleichwohl erfuhr ich von meiner Partnerin, die auf die selbige Schule ging, dass sie viel mehr gesehen haben über das Thema.

Richtige Dokumentationen & Co. Heute von meinen Verwandten und Neffen höre ich, die auch auf diese Schule gehen, dass das Thema aus Respekt den ausländischen Kindern gegenüber nicht gezeigt wird. Für mich einfach nur total bekloppt die Aussage, denn mit Respekt hat es nichts zu tun, sondern einfach nur damit, dass man hier wieder eine „Extra-Wurst“ parieren möchte. Entweder aber auch keine Lust hat das Thema zu diskutieren, weil es hitzig werden könnte oder aber einfach nur befürchtet, dass womöglich das Gedankengut geschürt wird.

Viele Jugendliche schätzen das Thema sehr wohl. Auch Auschwitz und die anderen KZ sind für sie interessante Punkte. Man stelle sich nur vor, was dort im Ansatz los war. Alleine, wenn man mal Schindlers Liste sieht, dann wird einem im Grund und Boden schlecht. Ich kriege nur Gänsehaut, wenn ich diese Zeilen schreibe, weil ich die schwarz weißen Bilder aus dem Film vor mir habe. Wie der Aschequalm der toten Menschen empor steigt. Einfach grausam.

So etwas muss man den Kindern mitteilen, weil es ein Teil der deutschen Geschichte ist. Da der Staat sich noch heute, wie zuletzt Gauck, für die Taten von damals rechtfertigt und entschuldigt, würden Jugendliche ohne Fachwissen oder Kenntnisse doch gar nicht verstehen, worum es geht! Wie fatal würde unsere Geschichte, ob nun gut oder schlecht, verloren gehen?

Wieso viele auch Angst haben, wenn sie das Thema interessiert, als Nazi tituliert zu werden ist mir allerdings schleierhaft. Ich glaube eher, dass es Vorurteile sind und die Sorge, was andere Leute denken, könnten groß ist. Man weiß immerhin auch, dass „Nazis“ gesetzlich auf eine sehr dünnen Schiene laufen und zumindest schon einmal von kaum einen Ausländer akzeptiert werden. Auch viele Deutsche können sie nicht leiden. Vielleicht haben die Kiddies Angst, dass man sie für das enthusiastische Interesse verurteilen könnte und sie dadurch Probleme fürchten müssen?

» Glasreinigerin » Beiträge: 1008 » Talkpoints: 0,10 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



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