Thuggee - indischer Ritualmord im Namen von Kali
Man lernt immer wieder neu dazu. Das durfte ich vor Kurzem noch einmal feststellen, als ich herausfand, dass das in der englischen Sprache für Kleinkriminelle gebräuchliche Wort "thug" sich eigentlich aus der indischen Sprache ableitet. Dort soll es ursprünglich ebenfalls die Bedeutung von "Betrüger" oder auch von "Kleinkrimineller" haben. Bekannter ist der Name Thug aber letztendlich für eine Gruppe von Ritualmördern geworden. Der Akt des rituellen Tötens wurde Thuggee genannt. Was ich besonders interessant finde, ist, dass die Morde alle einen religiösen Grund hatten. Die Thugs meinten, mit ihren Morden der indischen Totengöttin Kali Opfer bringen zu können.
Begonnen soll der Kult schon im 13. Jahrhundert haben. Organisiert waren die Thugs als Bruderschaft. Diese fand ihr Ende wohl erst durch die englischen Kolonialisten, soll also bis dahin 600 Jahre lang bestanden haben. Die Vermutungen über die Opferzahlen variieren mangels besserer Quellenlage sehr stark. Einige Historiker gehen von etwa 50.000 Opfern aus, andere von über zwei Millionen. Fest steht, dass definitiv mindestens etliche tausend Menschen ermordet worden sind, in den späteren Jahrhunderten oftmals Reisende, die sich in der Gegend nicht auskannten und deren Verschwinden in der Umgebung auch niemandem auffiel, weil sie fremd waren und man nach ihrem Verschwinden einfach vermutete, sie seien weitergereist.
Wenn der Kult religiös motiviert war, würde mich sehr interessieren, wie das Weltbild der Thugs aussah. Wieso glaubten sie, ausgerechnet Kali anbeten und ihr Opfer bringen zu müssen? Wie kam man in diese Gesellschaft und wie wurde allgemein über Mitmenschen gedacht? Kamen den Thugs nicht möglicherweise mit der Zeit Zweifel an ihrem Tun? Waren alle Angehörigen aus Überzeugung mit dabei, oder gab es für Aussteiger große Strafen bis hin zu Todesdrohungen, sodass ein Ausstieg einfach nicht mehr so leicht möglich war?
Ein sehr ungewöhnliches, aber interessantes Thema. Die Frage, die sich nach dem momentanen Forschungsstand am ehesten stellt, ist ja, ob und inwieweit die Thuggee überhaupt eine religiös motivierte Form einer Bruderschaft bildeten. Manche Forschen behaupten, die Deutung als eine solche, unterliege der möglicherweise falschen Interpretation der englischen Kolonialherrscher, welche die ihnen so fremdartig erscheinende Religion, wo Menschenopfer auch heute noch ein Thema sind, mit der unvorstellbaren Anzahl an Morden zur damaligen Zeit als sich aus einer Quelle rekrutierend sahen.
Andere Autoren beschreiben zwar regelrechte Initiationsriten, aber das könnte auch als Mittel der Bindung an die Gruppe zu sehen sein. Möglicherweise dienten tatsächliche etwaig religiöse Aspekte als eben solch ein Instrument, Mitglieder zu binden. Die Behauptung Kali zu dienen, könnte zum Teil auch als moralische Rechtfertigung zum Mord zu sehen sein. So gab es deutlich mehr Anhänger von Kali, die nicht mordeten, im Umkehrschluss aber viele Thuggs, die sich als Sikhs oder Moslems herausstellten. Vermutlich werden sich alle Arten von Motiven zum Mord gefunden haben, der häufigste wird aber aufgrund der damals vorherrschenden Armut der klassische Raubmord gewesen sein.
Was für mich für die These untermauert, die Thuggee mehr kriminell als religiös motiviert zu sehen, ist die Art der Morde: Die Bandenmitglieder haben sich in vorher gut abgesprochener Art und Weise unter die Mitglieder von Reisegesellschaften gemischt, um diese in der Nacht kurz und effizient auszuschalten. Die Leichen wurden am Straßenrand verscharrt und verdeckt, um nicht aufgefunden zu werden. Das scheint mir nicht die klassischen Elemente eines Ritualmordes zu beinhalten, sondern eher der Modus Operandi von Räubern zu sein, die nicht auffliegen wollen.
Möglicherweise haben einige Mitglieder dieser Organisation ihr Handeln tatsächlich als religiös motiviert gesehen oder auch vor anderen verbrämt, um das eigene Gewissen zu beruhigen, möglicherweise gab es auch Menschen darunter, die das als Methode der psychischen Stabilisierung tun mussten. Wie will man mit dem ständigen Raubmord umgehen, wenn man in ein solches System hinein geboren wurde und keine Aussicht auf ein Entkommen hat? Da scheint ein religiöses Element als sehr schonend für das eigene Gewissen.
Meiner Ansicht nach subsumieren sich also unter dieser Fahne alle Arten von Mitläufern, Mördern, Räubern, Fehlgeleiteten, Serienmördern, vielleicht sogar auch tatsächlich religiös motivierten Mördern, vermutlich hat es das klassische Mitglied, den Thuggee, gar nicht gegeben und die Bruderschaft war vor allem ein Bund, um kriminelle Machenschaften zu organisieren.
Sie beteten nur offiziell Kali an als Deckmantel für ihre Verbrechen, um dieser dunklen Göttin ihre Schandtaten wie Rauben und Morden in die Schuhe schieben zu können. Inoffiziell ging es ihnen um die Beute. Sie waren sehr arm und eine Gruppe Thuggee bestand meistens nur aus Verwandten. Im Laufe der Jahre entwickelte sich dann die geheime Sekte zu Ehren Kalis.
Aber die Raubmörder waren nicht wirkliche Anhänger von Kali; sie verdeckten nur ihre Schandtaten mit der Anhängerschaft. Deshalb konnten und haben sie auch keine Reue über ihr Tun empfunden. Es waren alles Mitglieder einer untersten Kaste. Ihnen ging es nur um die Beute. Ob sie überhaupt fähig waren, so etwas wie Reue zu empfinden?
Jedes Mitglied dieser Sekte brachte im Laufe seines Lebens etwa 250 Menschen um, immer Reisende, die niemand sofort vermisste. Die Gesichter wurden unkenntlich gemacht, Glieder abgetrennt und dann vergraben. Beim Morden jedoch sollte kein Tropfen Blut fallen. Deshalb fielen die Anhänger dieser grausamen Göttin heimtückisch über die Reisenden her und erdrosselten sie mit einem Halstuch.
Ich habe früher einige Bücher über Indien gelesen, worin auch immer wieder die Sekte vorkam und ebenso sah ich einige Filme, die zum Teil wirklich grausam diese Anhänger Kalis darstellten. Die Armut dieser Menschen war unvorstellbar, die im Schatten des Hofstaates der reichen Maharadschas ihr Leben fristen mussten.
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