Von Normen, wie man sich im Job kleiden soll, genervt sein?
In einem anderen Beitrag berichtete jemand, dass eine Kollegin mit einer Trainings- bzw. Jogging-Hose zur Arbeit kam und das bei den Kollegen für Verwunderung sorgte. Es ist ja häufig so, dass es im Berufsleben gewisse Bekleidungsnormen gibt. Es gibt ja beispielsweise bestimmte Jobs, bei denen man die Kleidung überhaupt nicht wählen darf, sondern eine Dienstuniform tragen muss. Aber auch ansonsten ist es manchmal zwar nicht explizit geregelt, was angezogen werden soll, aber es laufen dann vielleicht alle im Anzug herum, ohne dass das irgendwo vorgeschrieben ist. Ich denke da etwa an Banken; die Angestellten dort symbolisieren durch ihre elegante Kleidung – die Frauen häufig Kostüm, die Männer oft Anzug – Seriosität und sicherlich wird ein junger Bankangestellter, der seinen ersten Arbeitstag hat, nicht auf die Idee kommen, dort im Shirt zu erscheinen, sondern er wird sich sofort dieser Norm anpassen, ohne dass man ihm das explizit sagen muss.
Dabei gibt es viele Abstufungen, was die Kleidung betrifft. Man könnte fast sagen, dass man die Eleganz der Kleidung auf einer Skala veranschaulichen kann. Als sehr elegant und edel sehe ich etwa Anzüge an, aber es gibt auch Firmen, da ist es nicht gleich der Anzug, sondern da wird dann beispielsweise nur eine Anzughose, kombiniert mit einem hochwertigen Pulli oder Polohemd, getragen. Eine andere Variante wäre es, dass die Hemden oder Blusen nicht unifarben sein sollen, sondern auch gemustert sein dürfen. Das wäre dann schon etwas weniger „hochtrabend“. Genauso gibt es Bereiche, da geht es noch „lockerer“ zu, da muss dann der Pulli nicht unbedingt schwarz oder grau sein, sondern es dürfen sogar mal andere Farben in der Kleidung vorkommen. Noch weniger konventionell wäre es dann, wenn man vielleicht sogar mit einer Jeans auf Arbeit gehen kann und der nächste Schritt ist dann vielleicht die Möglichkeit, legere Shirts zu tragen. Ein T-Shirt kann ja ebenfalls elegant und schlicht sein oder – vielleicht mit bestimmten Motiven – auch lässig und frech wirken.
So sind zahlreiche Abstufungen dahingehend möglich, wie formell oder elegant Arbeitskleidung sein soll oder – auf der anderen Seite – wie viel Freiheit die Mitarbeiter bei der Wahl ihrer Kleidung haben. Meistens passt man sich den Kollegen an. Wenn man am ersten Tag sieht, dass ein bestimmter Grad an konventioneller Kleidung getragen wird, dann orientiert man sich normalerweise in Zukunft daran. Es gibt also mitunter keine richtigen Vorschriften, was man darf oder nicht darf, sondern es ist eher eine Norm, also man beobachtet andere und ahmt die nach, um nicht unangenehm aufzufallen.
Bei meinem ersten Job war es beispielsweise so, dass der Chef immer Anzug trug und manchmal sogar noch eine Krawatte dazu – selbst beim Mittagessen im Kollegenkreis. Die anderen Angestellten waren größtenteils Frauen und trugen Stoffhosen, dazu teils Blusen, teils hochwertige Oberteile, häufig kombiniert mit Westen. Das habe ich dann auch so gemacht. Ich muss aber sagen, dass ich von meinem normalen Kleidungsstil her der schlichte und lässige Typ bin. Ich trage in meiner Freizeit eher normale Shirts, auch mit Aufdruck und Jeans dazu. Das ich mir vorher mal freiwillig eine Bluse angezogen hätte, kam eigentlich nie vor und so war es schon eine Umstellung für mich, dann den Kleidungsstil zumindest für die Zeit auf Arbeit so stark wechseln zu müssen. Ich kam mir dann teilweise richtig verkleidet vor.
Bei meinen späteren Jobs war das alles nicht mehr so streng. Da konnte man im Prinzip tragen, was man wollte, insofern es nicht zu lässig war. Also Shirt und Jeans waren kein Problem, aber Shirts mit lustigen Sprüchen wären dann vielleicht doch zu weit gegangen. Also habe ich nun meistens eine Jeans an und kombiniere diese mit T-Shirts, aber auch Pullovern, Tuniken oder anderen „normalen“ Oberteilen. Im Winter habe ich meistens noch Stulpen über die Arme gezogen und ein Tuch um den Hals gewickelt und das lasse ich dann auch auf Arbeit so an, weil ich sonst schnell friere. Das wäre in meinem ersten Job gar nicht denkbar gewesen, dort mit Stulpen vorm PC zu sitzen.
Wie geht ihr denn mit solchen Bekleidungs-Normen um? Dass man permanent dagegen verstößt, wird sich sicherlich keiner trauen, aber versucht ihr, in eure Berufsbekleidung eine individuelle Note zu bekommen? Fällt es euch leicht, euren Kleidungsstil dem der Kollegen anzupassen oder macht ihr das nur widerwillig? Seid ihr genervt davon, wenn ihr euch wegen des Jobs „verkleiden“ müsst?
Ich denke, dass es in jedem Beruf sinnvoll ist, sich angemessen anzuziehen. Wenn jemand in viel nicht passenden oder ungepflegten Klamotten herumläuft, ist das einfach nicht angemessen. Trotzdem sollte die Kleidung meiner Meinung nach funktionell sein. Ich halte es für total unsinnig, wenn man im Büro ohne Kundenkontakt in Anzug und Krawatte herumlaufen muss. Wenn sich jemand darin wohl fühlt, ist das ja in Ordnung, aber es sollte keine Norm sein. Anders sieht es natürlich aus, wenn man tatsächlich Kundenkontakt hat und in diesen Kreisen Anzug üblich ist.
Selbst viele Versicherungsvertreter tragen in der heutigen Zeit keinen Anzug mehr. Das macht sogar für einige Versicherungssparten echt Sinn, denn ein sogenannter Landwirtschaftsversicherer in einen teuren Anzug doch eher wohl etwas unpassend. Die Kleidung bei der betreffenden Arbeit soll ja eigentlich eher hilfreich sein und eine unterstützende Funktion dabei haben. Einige Arbeitgeber haben in diesen Bereich doch schon viel praktischer gedacht.
Bei real vorhandenem Kundenkontakt kann ich es schon verstehen, wenn es bestimmte Kleidungsvorschriften gibt. Die einzelnen Mitarbeiter repräsentieren ja doch das Unternehmen, für das sie arbeiten. Und wenn der Chef möchte, dass ein bestimmtes Bild vermittelt wird, beispielsweise durch sehr feine Kleidung, dann ist das seine Entscheidung. Sofern von Anfang an klar ist, wie man sich im Beruf kleiden muss, hätte ich damit kein Problem.
Anders sieht es tatsächlich aus, wenn es um Bereiche geht, in denen es keinen Kundenkontakt gibt. Ich könnte mich ehrlich gesagt heute noch aufregen, wenn ich daran denke, was mein Ex-Freund früher erleben musste. Er war Informatiker und hatte langes Haar. In mehreren Bewerbungsgesprächen bei bestimmten großen IT-Firmen hat man wirklich direkt zu ihm gesagt, man nähme ihn sofort, unter der Vorraussetzung, dass er sich die Haare kurz schneiden lässt. Wohlgemerkt gepflegtes, nicht fettiges, sondern sogar ziemlich gesund aussehendes Haar! Und das in Bereichen ohne Kundenkontakt. Eine Stelle befasste sich beispielsweise nur bei der Serverwartung des Unternehmens selber, also wirklich was Internes, Technisches.
In solchen Fällen sehe ich Vorschriften zum Aussehen der Angestellten als etwas ziemlich Unnötiges und Willkürliches an. Sinn macht das für mich nicht. Natürlich kann immernoch jeder Chef selber entscheiden, wen er einstellen will und warum oder warum nicht. Aber besonders sympathisch oder gar intelligent wirkt es auf mich nun nicht, wenn man sich in einem Bereich ohne Kundenkontakt so an einer Äußerlichkeit festbeißt, und dabei die Qualifikationen des Bewerbers komplett hintenan stellt. Wie gesagt, man sagte meinem Ex-Freund, seine Qualifikationen seien super, nur die Frisur war das "Problem". Für mich ist das unverständlich, wieso man sich wegen so etwas Blödem eine offenbar sehr gut geeignete Fachkraft entgehen lässt.
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mich in einem Unternehmen, wo so arg und vor allen Dingen auch ohne konkrete Gründe auf Äußerlichkeiten geachtet wird, einfach nicht wohlfühlen würde. Aber ganz allgemein glaube ich nicht, dass es meinem Wohlbefinden und damit auch meiner Leistungsfähigkeit gut tun würde, wenn ich mich in einem Betrieb bewegen müsste, wo ich mich verkleiden muss. Tatsächlich wäre ich in einem Hosenanzug einfach verkleidet, um mal ein Beispiel zu nennen. So den Alltag zu verbringen, und das täglich, stelle ich mir unangenehm vor. Die Frage wäre ja auch wieder: Wem hilft das eigentlich, wenn sowieso keine Kunden das sehen?
Ich bin schon ziemlich froh, dass in den Bereichen, in denen ich bisher gearbeitet habe, die Kleidung keine große Rolle spielte. Sicherlich sollte man nichts mit geschmacklosen Sprüchen anziehen, und nichts Provokatives. Das halte ich bei Erwachsenen aber schon für relativ normal, nicht nur im Beruf. Aber dagegen, in Jeans und Pullover zu kommen, sofern das bei der Ausübung des Berufs an sich nicht stört, habe ich nun wirklich absolut nichts. Ich bin auch froh, dass ich so zur Arbeit gehen kann. Im Sommer trage ich oftmals obenrum auch ein einfaches unifarbenes T-Shirt. Halstücher kommen auch vor, oder Stulpen, je nach Wetter. Auf allzu ungewöhnlichen Schmuck verzichte ich zwar, und ich schminke mich nur dezent, aber das ist schon in Ordnung für mich.
Die Kollegen laufen im Winter übrigens auch oftmals mit Pullovern herum. Jeans sind auch üblich, außer bei der Chefin, die aber auch Kundenkontakt hat und auch mal wichtige Dinge mit Investoren klären muss. Aber die Leute, die sich im Hintergrund halten, kleiden sich im nicht-provokativen Rahmen eigentlich so, wie sie wollen. Jeans, T-Shirt, Pullover, Poloshirt, alles in Ordnung. Ich finde es schön, dass man sich statt mit der Kleiderfrage lieber mit wichtigen fachlichen Inhalten beschäftigt.
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