Psychotherapie für Männer die mit über 30 bei Eltern wohnen?

vom 24.01.2014, 22:22 Uhr

Der Bruder einer Freundin wohnt mit fast 40 immer noch bei seinen Eltern. Er verdient weder sein eigenes Geld noch hat er je außerhalb seiner Familie gewohnt, obwohl die Eltern sogar für ein WG-Zimmer oder eine kleine Wohnung aufgekommen wären. Angeblich studiert er noch, was meine Freundin aber inzwischen bezweifelt. Noch nie hat er eine Freundin mit nach Hause gebracht Er interessiert sich aber durchaus für Frauen und ist auch nicht schwul. Nachts scheint er sich ewig herum zu treiben. Die fast 80 jährige Mutter telefoniert ihm dann hinterher, fragt ihn aus, wo er denn gewesen sei und macht ihm richtige Szenen, weil sie sich angeblich Sorgen gemacht habe. Er schaltet gewöhnlich sein Handy aus und erzählt ihr auch nichts von seinen nächtlichen Unternehmungen.

Ich finde das alles total krank. Besonders auch das Verhalten der Mutter. Ich bin der Meinung, dass sie total klammert und ihren Sohn einfach nicht loslassen will. Meine Freundin kritisiert immer, dass er ihre Mutter mit seinem Verhalten noch ins Grab brächte, weil sie ständig Angst haben müsse, ihm sei etwas zugestoßen. Ich finde es aber nicht normal, dass ein Mann diesen Alters seiner Mutter noch Rechenschaft über seine Aktivitäten und Aufenthaltsorte schuldig ist.

Natürlich ist sein Verhalten auch alles andere als normal, denn er scheint ja irgendwie nicht den Absprung in ein eigenes, unabhängiges Leben geschafft zu haben. Meine Freundin sagt, dass seine Ansprüche gegenüber dem Aussehen von Frauen unrealistisch hoch sind, während er selbst immer dicker wird und sein Äußeres (wie auch sein Zimmer) immer mehr verwahrlosen lässt. Aus purem Geiz zieht er auch zerschlissene, altmodische Klamotten an, obwohl ihm (natürlich von Mami) längst neue gekauft wurden. Vor ein paar Jahren habe ich ihn mal kennen gelernt. Da sah er eigentlich noch ganz ansehnlich aus und machte auf mich auch einen äußerst intelligenten und sympathischen Eindruck. Irgendwie ist es schade um ihn.

Es gibt immer wieder Streit zwischen ihm und seinen Eltern. Gleichzeitig besteht da aber auch ein beidseitiges und meiner Ansicht nach sehr ungesundes Abhängigkeitsverhältnis. Meine Freundin hat furchtbare Angst, dass das mal richtig eskaliert. Außerdem wird es auch für die Mutter in ihrem Alter immer beschwerlicher, ihm ständig hinterherzuräumen. Er beteiligt sich überhaupt nicht am Haushalt und verursacht dazu noch überall Unordnung und Chaos. Zwar beschwert sie sich darüber, will ihn aber andererseits auch ständig um sich haben und fährt sogar mit ihm in den Urlaub. :?: Sie jammert ständig auf melodramatische Weise über ihre Gesundheit und will, dass er sich um sie kümmert. Er fährt sie schon auch zum Arzt und zeigt sich sehr besorgt, wenn Ihr etwas fehlt. (Sie ist jetzt nicht schwer krank oder pflegebedürftig.) Damit hält sie ihn meiner Ansicht nach schon seit Jahren davon ab, sein eigenes Leben zu leben.

Nach dem, was mir meine Freundin erzählt, hatte die Mutter ja auch grundsätzlich etwas gegen die Partner ihrer Töchter vorzubringen gehabt. Niemand war ihr je gut genug für ihre Kinder. Kein Wunder, dass der Sohn ihr noch nie eine Freundin vorgestellt hat und ihr auch nichts von sich erzählt! Inzwischen wird er wohl auch kaum noch Chancen haben, mal eine Partnerin zu finden. Ich würde jedenfalls kein Interesse an einem Mann haben, der mit Ende 30 noch bei Mutti wohnt. Außerdem würde es mich skeptisch machen, wenn jemand so ein ambivalentes Hassliebe-Verhältnis zu seiner Mutter hätte. Erfahrungsgemäß haben solche Männer eine sehr gestörte Einstellung gegenüber Frauen. Das würde mir Angst machen. Selbst meine Freundin vermutet das inzwischen. Ganz abgesehen von diesem kindischen Machoverhalten, dass er in diesem Alter nicht einmal seine eigenen Sachen wegräumt, seine eigene Wäsche wäscht und sich noch von Mami bedienen lässt. Durch die Tatsache, dass er bei Frauen mit seiner Art überhaupt nicht mehr landen kann, erst Recht nicht bei den von ihm begehrten sehr attraktiven, wird er auch immer frustrierter. Das ist eine richtige Zeitbombe.

Ich habe den Eindruck, dass solche gestörten Mutter-Sohn -Beziehungen gar nicht so selten ist. Auch der Sohn einer Bekannten meiner Mutter lebt mit 60 immer noch bei Mutti. Er hat schon eine jahrelange Affaire mit einer Frau, mit der er sich aber nur außerhalb der Wohnung treffen kann, weil das Mami sonst nicht Recht wäre. Wenn meine Mutter mit ihr unterwegs ist, stürzt sie mit ihren über 80 Jahren manchmal unvermittelt los, um Sohnemann das vorgekochte Essen aufzuwärmen. Das kann der offensichtlich in seinem Alter noch nicht alleine! Kennt ihr den Film "Ödipussi" von Loriot? Der scheint gar keine Übertreibung zu sein.

Habt ihr auch solche Fälle in eurer Umgebung? Glaubt ihr, dass der Bruder meiner Freundin überhaupt noch mal die Kurve kriegen kann? Sie versucht ja neuerdings, ihn von einer Psychotherapie zu überzeugen, was er bisher aber strikt verweigert. Grundsätzlich finde ich das ja einen guten Ansatz. Allerdings frage ich mich, ob es dafür nicht schon längst zu spät ist.

» ANNA67 » Beiträge: 114 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Das bloße Wohnen bei den Eltern finde ich nicht schlimm. Kann doch sein, dass die Eltern einen eigenen Hof haben oder ein Haus und der Sohn eben eine eigene Wohnung in diesem Haus hat, weil er das Gebäude ohnehin irgendwann erben wird.. Das war früher auch so üblich, was ist daran also so schlimm? Das ist auf dem Land sogar recht häufig anzutreffen, dass dann die spätere Frau etwa mit ins Haus zieht. Ich bin auch mit meiner Oma im gleichen Haus aufgewachsen; meine Großeltern hatten eine Etage und meine Eltern hatten eine Etage.

Das mit dem Bekochenlassen hat vielleicht auch einen praktischen Aspekt: Die Mutter kocht ohnehin für sich, warum soll sie dann nicht dem Sohn etwas davon abgeben? Auch das empfinde ich nicht als problematisch. Der Sohn bekommt da was (Essen, Wäsche), er gibt aber auch (bringt die Mutter zum Arzt). Im Prinzip ist das eine Austauschbeziehung. Vielleicht sind beide mit der momentanen Lage nicht ganz glücklich, aber ob sie glücklicher wären, wenn er ausziehen würde?

Vielleicht denkt sie sich, dass sie ihm zwar hinterherräumen muss und sich manchmal Sorgen macht, aber dass so zumindest jemand da ist, der sich um sie kümmert. Und er denkt eventuell, dass die Mutter zwar manchmal nervt und er sich rechtfertigen muss, aber dafür bekommt er Essen und saubere Wäsche. Kann doch gut sein, dass die das so wollen. Und ob er nicht doch eine Freundin hat, wissen wir ja nicht. Kann gut sein, dass er doch jemanden hat und die eben nachts besucht. Ich finde nicht, dass man jeden, der einen etwas anderen Lebensstil hat, gleich zur Psychotherapie schicken muss.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


@Zitronengras Die Fragestellung hatte ich übrigens ursprünglich auch nicht ganz so reißerisch verfasst. Sie wurde wohl im Nachhinein ohne mein Zutun redaktionell geändert. Ich fragte eher, ob ihr auch solche Fälle kennt. Das bloße Wohnen bei den Eltern sehe ich auch nicht bereits als Anlass für eine Psychotherapie. Wie du sagst, kann es dafür ja auch andere Gründe geben.

Ich halte es aber schon für bedenklich, wenn sich daraus eine krankhafte Mutter-Sohn- Beziehung entwickelt, die schon Ehe ähnliche Züge annimmt und eine eigenständige Reifung und Weiterentwicklung der Persönlichkeit gar nicht mehr zulässt.

» ANNA67 » Beiträge: 114 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Meines Erachtens bräuchte in solchen Fällen oftmals nicht der Sohn, oder nicht nur der Sohn, psychologische Hilfe. Ein großes Problem besteht auch seitens der Mutter, die ihr Kind ja oftmals einfach nicht gehen lassen will. Das gibt es übrigens nicht nur bei Müttern und Söhnen, sondern auch in anderen Konstellationen. Vielleicht ist es seltener, aber ich kenne beispielsweise auch Töchter, die von ihren Muttern immer festgehalten wurden, und natürlich gibt es auch Töchter, die in so einer Angelegenheit mit ihrem Vater zu kämpfen haben.

Ich musste es leider selber erleben. Wobei es sich auch noch einmal in der Frage, wie das Kind reagiert, unterscheidet. So gibt es sicher welche, die es lieben, sich bemuttern und versorgen zu lassen und keine Verantwortung übernehmen zu müssen. Aber es gibt auch viele, die es ganz grausam finden und sich dann früher oder später einfach losreißen. Es ist ihr gutes Recht, aber psychologisch ist es so einfach leider auch nicht immer.

Ich kann da nur meine eigene Situation anführen: Mein Vater war extrem authoritär und wollte mich in meiner gesamten Jugend, auch kurz vor meiner Volljährigkeit noch, immer und bei allem kontrollieren. Er entschied oftmals ungefragt über meinen Kopf hinweg und wollte mir immer Vorschriften machen. Egal, was ich wollte, er wusste immer besser, was angeblich gut für mich sei. Mit 18 bin ich dann einfach gegangen. Unter Geschrei und Gefluche, aber mir war klar, dass ich dort auf Dauer zugrunde gehen würde.

Jahre später schien es, als habe er seine Fehler eingesehen. Ich war zu dem Zeitpunkt frisch getrennt und leider nicht in der besten finanziellen Situation, also war ich zu dem Zeitpunkt so doof, dass ich mir dachte, ich könne in der Not erst einmal zwei oder drei Wochen bei meinem Vater unterkommen und in der Zeit in Ruhe eine neue Wohnung suchen. Ich dachte ja, er sei zur Vernunft gekommen. So hatte er sich jedenfalls benommen.

Sobald ich aber drei Tage dort war, fiel er sofort in sein altes Muster zurück. Ich war zu dem Zeitpunkt 24 Jahre alt und hatte, wie gesagt, nur vor, wenige Wochen zu bleiben. Aber nun fing er an, mir jeden Tag Vorwürfe zu machen und sogar, meine Wohnungssuche zu sabotieren. Jeden Tag musste ich mir Sprüche anhören, dass es dumm oder unvernünftig sei, zu gehen, ich könne doch bei ihm bleiben und Geld sparen. Das sei sowieso viel besser, dann müsse ich nicht noch mehr nebenbei arbeiten und könne mich voll und ganz auf mein Studium konzentrieren. Auf den ersten Blick mag das vielleicht sogar plausibel klingen, bei einem normalen Verhältnis zwischen Elternteil und Kind vielleicht sogar irgendwie annehmbar. Aber nicht, wenn der Vater sich jeden Tag in alle persönlichen Belange einmischt, Kleidervorschriften aufstellen will, kontrollieren will, mit wem ich telefoniere, mit wem ich mich treffe, und so weiter. Ich habe ihm mehrfach gesagt, dass ich in dem Alter das Recht habe, selber zu entscheiden, aber er sah es nicht ein.

Als ich mich von meinem Kurs, möglichst bald wieder wegzuziehen, nicht abbringen ließ, fingen die Vorwürfe an. Er sei ja so alt und gebrechlich. Ich sei undankbar und herzlos, ihn einfach, Zitat, "sitzen zu lassen". Nur wegen mir würde er wohl irgendwann verhungern, verdursten, tot in der Wohnung liegen, und so weiter. Und mit meinen Widerworten würde ich ihn ja immer so aufregen, wegen mir würde er noch an einem Herzinfarkt sterben! Ich wäre ein schrecklicher, böser Mensch, würde meine Familie mit Füßen treten, und das, obwohl er es doch so gut mit mir meine und mir in meinem Leben immer bei allem geholfen habe.

Manch ein Mensch hätte vielleicht bei den täglichen "Du bist herzlos, böse und schlecht!"-Sprüchen resigniert. Ich habe meine Sachen gepackt und bin erst einmal bei Freunden gelandet, und dann kurz später wieder in meiner eigenen Wohnung. Aber dazu muss man emotional einfach auf eine gewisse Art und Weise gepolt sein, denke ich. Ich glaube, viele Leute würden, wenn sie von ihren Eltern solche Vorwürfe bekämen, zumindest Zweifel oder Schuldgefühle bekommen. Ich glaube, auch das kann oft der Grund sein, wenn Erwachsene noch bei ihren Eltern leben. Also dass sie dort wirklich sein wollen, um sich bedienen zu lassen, muss nicht in jedem Fall so sein.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Was du da von deinem Vater erzählst, kommt mir sehr bekannt vor. Ich hatte beruflich und persönlich schon viel mit Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund zu tun. Da verhalten sich die Eltern häufig sehr ähnlich. Es kostet die jungen Leute dann sehr viel Kraft, sich von solchen Schuldvorwürfen frei zu machen und ihren eigenen Weg zu gehen. Nicht alle schaffen es. Aber diejenigen, die sich ihre Freiheit gegen alle Widerstände und Manipulationsversuche erkämpft haben, habe ich meist als äußerst beeindruckende starke Persönlichkeiten kennengelernt.

So weit ich weiß, ist der Stellenwert und die Autorität älterer Menschen in vielen asiatischen Kulturen ja wesentlich höher, als es hier üblich ist. In der türkischen (und vielen anderen Kulturen) verhält sich das ähnlich. Einerseits empfinde ich das als einen großen Vorzug gegenüber unserer westlichen Kultur, weil sich da wesentlich selbstverständlicher um alte Menschen gekümmert wird und diese auch mit viel mehr Respekt behandelt werden. Es hat aber auch Nachteile. Wenn sich Ältere nämlich nicht damit abfinden wollen, dass die jüngere Generation ein Recht auf ein eigenes Leben und eigenständige Entscheidungen hat.

Gerade in Kulturen, wo eben ganz selbstverständlich ist, sich den Eltern gegenüber gehorsam und aufopferungsvoll zu verhalten, ist es wahrscheinlich unheimlich schwer, sich ohne quälende Schuldgefühle von der Familie zu lösen. Bei den türkischen Jugendlichen habe ich auch erlebt, wie ihnen, nicht nur von den eigenen Eltern, sondern auch vom gesamten sozialen Umfeld Herzlosigkeit, Undank und mangelnde Liebe vorgeworfen wurde, nur weil sie mal ein paar Schritte in ein unabhängiges Leben wagen wollten. Da sie ihre Eltern selbstverständlich sehr lieben und ihnen auch dankbar sind, stürzt sie das oft in ein furchtbares Dilemma. Ich denke dann immer, dass Eltern, die ihr Kind wirklich lieben, es nicht willentlich in so eine psychisch belastende Situation bringen sollten. Aber die tun das wahrscheinlich oft unbewusst, weil sie das eben aus der Tradition und ihrer eigenen Erziehung heraus nicht anders kennengelernt haben.

Meine Eltern haben mich zwar nie daran gehindert, von zu Hause wegzuziehen oder einen Freund zu haben, aber in anderen Aspekten ihres Verhaltens haben sie auch so ihre Probleme mit dem Loslassen, und zwar bis heute. Sie haben mir und meinen Schwestern auch oft unbewusst ihre Wunschvorstellungen und Lebensvorstellungen übergestülpt und uns indirekt emotional sehr unter Druck gesetzt. Ein sensibles Kind, dass dazu neigt, Schuldgefühle zu entwickeln oder sich die elterliche Liebe mit Wohlverhalten zu "erkaufen", braucht nämlich weder durch Zwang noch durch Schläge auf Linie gebracht zu werden. Auch emotionale Erpressung ist ein sehr effektives Mittel, um Kinder gefügig zu machen.Wenn die Mama dem Kind sagt, sie sei von seinem Verhalten oder Versagen enttäuscht, kann das manchmal schlimmer sein als eine Ohrfeige. Bei sehr einfühlsamen Kindern muss so etwas nicht einmal mehr gesagt werden. Die spüren schon, wie sie sich verhalten müssen, damit Mama und Papa nicht "ihretwegen" unglücklich sind.

Ich habe mich zum Beispiel sehr lange irgendwie für die schlechte Ehe meiner Eltern "verantwortlich" gefühlt. Sie haben mich und meine Geschwister derart mit in das dramatische Auf und Ab ihres Beziehungslebens mit rein gezogen, dass wir kaum Energie noch Motivation hatten, selbst eine Partnerschaft einzugehen. Bis heute bin ich von diesem ganzen Drama, das alles in unserer Familie überschattet und dominiert hat, total abgenervt und erschöpft. Noch lange nachdem sich meine Eltern nun mit über 50 endlich mal voneinander getrennt hatten, redete meine Mutter oft stundenlang von meinem Vater und all seinen negativen Eigenschaften und Verhaltensweisen am Telefon auf mich ein. Ich kam mir vor wie ein seelischer Mülleimer.

Dabei steckte ich oft gerade selbst in einer Partnerschaft, hatte Liebeskummer oder eben meine ganz eigenen Probleme. Die waren aber für meine Mutter total uninteressant, weil nur ihre Beziehung zu meinem Vater zählte. Heute habe ich die Kraft, sie zu stoppen, wenn sie erneut damit anfängt. Ich habe ihr irgendwann auch mal gesagt, wie oberflächlich ich es von ihr finde, dass sie sich teilweise nicht mal die Namen meiner Freunde gemerkt hatte, mit denen ich länger als 2 Jahre zusammen war und die mir viel bedeutet hatten, während sie von mir im Gegenzug ungeteiltes Interesse und ununterbrochene Aufmerksamkeit für jedes Detail in der Beziehung zwischen ihr und meinem Vater einfordert.

Du siehst, auch meine Eltern versuchen, dem Lauf der Zeit und dem Wechsel der Generationen entgegen zu wirken. Es hat wohl auch mit ihrer ureigenen Angst vorm Älterwerden und dem damit verbundenen Verlust an Einfluss, Autorität und Attraktivität zu tun. Wer sich damit abfindet, dass seine Kinder in die Phase des Erwachsenseins eintreten bzw. sich schon längst darin befinden, der muss auch einsehen, dass er selbst auch eine neue Lebensphase betritt, nämlich die eines älteren Menschen. Es ist ja durchaus verständlich, dass dieser Prozess der Bewusstwerdung auch für unsere Eltern nicht einfach ist. Uns wird es bestimmt einmal ähnlich ergehen. Aber es ist eben wichtig, der nachwachsenden Generation das Zepter in die Hand zu geben und ihr auch den Raum zu überlassen, sich zu entfalten.

» ANNA67 » Beiträge: 114 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Nur mal nebenbei: Mein Vater ist Deutscher. Allerdings schon ein älteres Semester, schon zu meiner Geburt. Der asiatische Teil meiner Familie ist der mütterlicherseits. Und dort gab es bei mir persönlich niemals irgendwelche authoritätsbedingten Probleme. Im Gegenteil, meine Mutter hätte es nicht schlecht gefunden, wenn ich mit 16 Jahren schon ausgezogen wäre, weil sie ja mitbekommen hat, dass ich mit meinem Vater nicht zurechtkomme. Leider hatte sie nichts zu sagen, weil meine Eltern geschieden waren und das Sorgerecht bei meinem Vater lag.

Gegen den Respekt gegenüber älteren Menschen habe ich absolut nichts. Im Gegenteil, ich empfinde tatsächlich auch eine gewisse Verpflichtung, auf seine alten Eltern ein wenig aufzupassen, jedenfalls dann, wenn sie einem vorher nicht zu viel angetan haben. Das ist vermutlich einfach eine Mentalitätssache. Für mich ist es selbstverständlich, dass man die Menschen, die einen während der Kindheit und Jugend versorgt und geschützt haben, denn so sollte es im Normalfall ja sein, später im Alter nicht im Stich lässt. Seien wir doch auch mal ehrlich: Kaum jemand wünscht sich, im Alter von den eigenen Kindern im Stich gelassen zu werden. Und somit sollte man sich auch bewusst machen, in welcher Situation die eigenen Eltern sind.

Wobei dieses ganze Konzept, dass man auf seine Familie allgemein acht geben sollte, natürlich auch Schwierigkeiten mit sich bringt. Wie ja schon anklang: Schnell landet man in der Falle, dass man Vorwürfe an den Kopf geworfen bekommen kann, man sei undankbar oder würde die Eltern vernachlässigen und enttäuschen. Wobei ich doch meine, dass sich einige Eltern das, egal, welcher Kultur sie angehören, auch gehörig selber eingebrockt haben. Wer sein eigenes Kind immer unterdrückt oder Gewalt gegenüber dem Kind ausübt, muss sich nun wirklich nicht wundern, dass das Kind irgendwann keinen Kontakt mehr halten möchte.

Und da tritt dann oft auch noch das Problem ein, dass die Eltern dann umso mehr klammern. Das Gefühl, dass das eigene Kind es wirklich ernst meint und gehen wird, verursacht sicherlich eine Menge Angst. Leider löst das daraufhin erfolgende Geklammer aber nur noch mehr Stress beim Kind aus, und dieses distanziert sich daher erst recht von den Eltern. Jedenfalls, wenn es den Mut hat. Wobei ich gar nicht weiß, ob man es wirklich als Mut bezeichnen kann. Einige Kinder schaffen es eben, irgendwann auszubrechen, andere vegetieren vielleicht mit 40 Jahren noch unglücklich bei ihren Eltern vor sich hin, aus Angst, undankbar oder böse zu sein, wie es seitens der Eltern ja immer vorgeworfen worden ist, wenn es um das Thema Auszug in ein eigenes Leben ging.

Wo wir wieder beim Threadthema wären. Ein psychisches Problem liegt in solchen Fällen ganz offensichtlich nicht nur beim Kind vor, sondern auch bei den Eltern. Wobei die Art von psychischem Problem variieren dürfte. Es mag Eltern geben, die verhätscheln ihr Kind einfach extrem und vergöttern es, sodass sie es bereitwillig auch im Erwachsenenalter noch wie Personal bedienen. Andere wiederum haben größtenteils einfach Angst vor dem Alleinsein und klammern deswegen. Aber irgendetwas läuft seitens der Eltern meines Erachtens immer falsch, wenn erwachsene Kinder in einem hohen Alter noch bei den Eltern leben und dabei keine Individualität entwickeln dürfen oder entwickeln können.

Anders wäre es natürlich, wenn man auf einem riesigen Grundstück in mehreren Generationen zusammenlebt. Da ist es natürlich nicht weiter schlimm, wenn die Kinder freiwillig als Erwachsene noch bei den Eltern leben. Auch nicht, wenn dann auch noch eigene Kinder folgen, und dann quasi mit Oma und Opa zusammengelebt wird. Wenn das wirklich freiwillig geschieht und jeder seine eigenen Entscheidungsmöglichkeiten hat, und von keinem anderen Familienmitglied bedrängt oder eingeschränkt wird, dann ist alles bestens.

Ob ich selber meinen eigenen Kindern gegenüber so klammern würde, und ob ich Angst vor dem Älterwerden hätte, kann ich schwer einschätzen. Kinder möchte ich selber sowieso keine bekommen. Abgesehen davon empfinde ich das Altern und auch den Tod schon heute als nichts Bedrohliches, sondern als völlig natürlich und normal.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich finde es schon problematisch, wenn man in dem Alter noch bei seinen Eltern wohnt. Irgendwann sollte man eben ausziehen und auf eigenen Beinen stehen. Die Eltern leben ja auch nicht ewig und wenn man dann nichts kann im Alter steht man blöd da. Ich finde das immer ziemlich traurig, wenn man nicht den Start ins eigene Leben schafft.

Ob da eine Therapie helfen kann bin ich mir aber unsicher. Zu einer Therapie muss man ja erst mal hingehen wollen und wenn man das Problem erkannt hat, wird man auch ausziehen können. Ich denke nicht, dass da eine Therapie Sinn macht, weil man das selber erkennen und handeln muss.

Man ist in dem Alter ja auch schon ziemlich festgefahren, wenn man bei seinen Eltern wohnt und niemanden vorstellen kann. Auch ist es so, dass man einfach auch keine guten Karten bei den Frauen hat, wenn man nicht ausgezogen ist. Daher denke ich, dass man selber den Schritt wagen muss und wenn man das Problem nicht einsieht, wird es wohl auch nichts und die Spirale wird sich nach unten weiter bewegen.

Ich kenne einen Mann, der sein ganzes Leben mit seiner Mutter zusammengewohnt hat. Er hatte nie eine Frau, weil seine Mutter das nicht wollte und er konnte auch nichts selber machen. Nun ist sie verstorben und er kann gar nichts. Er kann sich nicht mal Essen machen, auch nicht aus der Dose. Man musste ihm alles zeigen. So etwas sollte man als Eltern auch nicht zulassen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ramones hat geschrieben:Ich finde es schon problematisch, wenn man in dem Alter noch bei seinen Eltern wohnt. Irgendwann sollte man eben ausziehen und auf eigenen Beinen stehen. Die Eltern leben ja auch nicht ewig und wenn man dann nichts kann im Alter steht man blöd da.

Eigentlich müsste man ja differenzieren. Das Problem liegt ja eher nicht darin, bei seinen Eltern zu wohnen, sondern eher darin, dass man mitunter wenig Privatsphäre hat, wenig selber machen muss, kann oder darf, und dass einige Leute von den Eltern vielleicht auch einfach so "bemuttert" werden, dass sie nicht lernen, Dinge selber zu tun, wie Du ja schon schriebst.

Aber sobald an dem Ort, wo die Familie zusammenlebt, genug Platz wäre, und auch genug Möglichkeiten vorhanden wären, sich zu entfalten, dann wäre es gar kein Problem, zusammen zu wohnen, finde ich. Also wenn man quasi zusammen, aber dennoch eigenständig und individuell wohnt, und wenn die erwachsen gewordenen Kinder sich schon selber versorgen und selber entscheiden.

Ich kenne auch ein paar Familien, wo das wirklich so der Fall ist. Also Familien, wo das Kind ein eigenes Stockwerk bewohnt, teilweise zum Studieren einige Jahre wegzieht, aber letztendlich später wieder in das Stockwerk einzieht. Und dann oftmals auch mit dem Partner und eventuell mit eigenen Kindern. Es ist sicherlich auch eine individuelle Mentalitätsfrage, ob das klappt, oder nicht. Aber wenn man sowieso gerne mit seiner Familie zutun hat, dann klappt das sicherlich.

Ich kenne sogar eine Familie, die in einem ziemlich großen Haus mit drei Etagen lebt. In einer leben die Eltern, in der zweiten die Tochter mit ihrem Mann, und im dritten der Sohn, ob mit oder ohne Partnerin derzeit, weiß ich nicht. Aber es scheint gut zu klappen. Jeder lebt eigenständig, keiner muss zwangsläufig mit den anderen zu tun haben, wenn er es gerade nicht möchte, aber wenn man doch mal zusammen Zeit verbringen will, dann geht das auch problemlos und schnell. Und ja, ich denke, wenn Kinder vorhanden sind, könnte das für die auch sehr schön sein, auf diese Weise häufig bei Oma und Opa sein zu können. Schädlich ist an so einer Lebensweise nichts.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Wieso sollte er die Kurve kriegen? Es zwingt ihn doch niemand bei den Eltern zu wohnen, also scheint es ihm dort ja zu gefallen. Dann kann er auch weiter dort wohnen bleiben.

Schlimm wäre es erst, wenn er aus finanziellen Gründen bei den Eltern wohnen müsste, aber das sollte mit 40 eigentlich nicht der Fall sein. Es sei denn er ist hoch verschuldet oder krank.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Sternenbande hat geschrieben:Wieso sollte er die Kurve kriegen? Es zwingt ihn doch niemand bei den Eltern zu wohnen, also scheint es ihm dort ja zu gefallen. Dann kann er auch weiter dort wohnen bleiben.

Schlimm wäre es erst, wenn er aus finanziellen Gründen bei den Eltern wohnen müsste, aber das sollte mit 40 eigentlich nicht der Fall sein. Es sei denn er ist hoch verschuldet oder krank.

In dem von mir beschriebenen Fall lebt der Sohn noch immer in finanzieller Abhängigkeit von den Eltern. Allerdings denke ich nicht, dass das der Hauptgrund dafür ist, dass er noch nicht auszieht. Die Eltern nagen seinetwegen sicher nicht am Hungertuch, aber für ihn stelle ich es mir schon ziemlich unangenehm vor.

» ANNA67 » Beiträge: 114 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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