Soldaten geben ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit ab

vom 22.01.2014, 21:54 Uhr

In Deutschland gibt es das zu den Menschenrechten zählende Recht auf körperliche Unversehrtheit. Es ist um Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland niedergeschrieben. Durch dieses Recht wird dem Menschen ein Schutz für seine geistige und körperliche Gesundheit zugesprochen. Wer die Gesundheit eines anderen Menschen zerstört oder schädigt, macht sich strafbar. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit im Grundgesetz verbietet Folter, Misshandlungen und Menschenversuche ohne die Einwilligung des betroffenen Menschen. Auch Zwangskastrationen oder auch Zwangssterilisationen, die während der Zeit des Nationalsozialismus, teilweise aber in einigen Ländern auch noch danach, immer wieder durchgeführt worden sind, sind durch das Recht auf körperliche Unversehrtheit verboten.

Einige Notsituationen können allerdings dafür sorgen, dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit nur eingeschränkt gilt. Bei ausbrechenden Seuchen können Menschen zwangsweise geimpft werden. Personen, die im Hungerstreik sind und daher zu verhungern drohen, können notfalls auch zwangsweise ernährt werden, um den Tod zu verhindern. Aber abgesehen von solchen Fällen hat jeder Mensch das Recht darauf, keine geistigen oder körperlichen Misshandlungen erdulden zu müssen.

In einem Text, in dem es eigentlich um etwas andere Dinge ging, ist mir eine nebenbei getroffene Aussage aufgefallen, dass jemand, der sich als Soldat für die Bundeswehr verpflichtet, mit dem Vertragsschluss sein Recht auf körperliche Unversehrtheit abgäbe. Das scheint wohl legal zu sein, obwohl das Recht auf körperliche Unversehrtheit eigentlich nur besagt, dass ein geistig gesunder Mensch Verletzungen an sich selbst erlauben kann, sofern es keine "sittenwidrigen Umstände sind", was ja beispielsweise bei einigen medizinischen Eingriffen oder auch bei Tätowierungen oder Piercings der Fall ist. Aber davon, dass man das Recht generell abgeben kann, freiwillig per Vertragsschluss, darüber steht dort nichts Genaues.

Nach kurzen Recherchen habe ich herausgefunden, dass man beim Eintritt in die Bundeswehr tatsächlich dieses Recht abgibt. Das finde ich etwas fragwürdig, aber wer das freiwillig tun möchte, kann das natürlich ruhig tun. Es ist ja jedem Menschen selbst überlassen. Ich frage mich nur, wie das in der Praxis aussieht. Was bedeutet es, wenn ein Soldat sein Recht auf körperliche Unversehrtheit abgibt? Darf er dann theoretisch willkürlich von Vorgesetzten geschlagen oder misshandelt werden? Oder was soll das Ganze?

Dass ein Soldat möglicherweise im Einsatz verletzt wird, ist ja klar. Aber das geschieht ja normalerweise nicht durch die eigenen Leute. Und wenn die einen Schaden verursachen, dann wäre das ein Unfall. Also dazu müsste das Recht auf körperliche Unversehrtheit nicht extra abgegeben werden. Unfall ist Unfall, und wenn jemand sich im Einsatz bei einem Terroranschlag verletzt, dann ist das ganz klar ein Verbrechen. Verletzungen im Krieg durch den Gegner müssten eigentlich auch in einen anderen Rechtsbereich fallen.

Abgesehen davon haben beispielsweise Polizisten ja auch das Risiko, im Dienst angegriffen und verletzt zu werden. Ein Bombenentschärfer könnte bei seinem Beruf sogar sterben, wenn ihm ein Fehler passiert. Und Feuerwehrmänner haben auch einen gefährlichen Beruf, bei dem sie ernsthaft verletzt werden oder sogar sterben könnten. Und die geben doch alle sicher nicht das Recht auf körperliche Unversehrtheit ab, wenn sie diesen Beruf beginnen, oder?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Du wirfst hier zwei Sachen in einen Topf. Zum einen die Verletzungsgefahr durch den Einsatz. Wenn ich mich entscheide zur Armee zu gehen, dann ist mir auch klar, dass ich bei gefährlichen Missionen zum Einsatz kommen kann. Passiert mir da was, bin ich ja quasi durch den Staat auch abgesichert. Kann man die Leute ausfindig machen, die dafür verantwortlich sind, dann werden sie auch zur Rechenschaft gezogen.

Anders ist die Situation, wenn Misshandlungen stattfinden. Denn damit muss ein Soldat eben nicht rechnen, wenn er sich für diese berufliche Laufbahn entscheidet. Und er gibt in dem Sinn da auch nicht das Recht auf die körperliche Unversehrtheit ab. Auch da werden Täter bestraft, wenn die Sache zur Anzeige kommt. Aber am Ende ist hier der Staat nicht für die Folgen verantwortlich, sondern da muss halt der Täter zahlen, wenn er bekannt ist.

Der Verantwortungsbereich ist eben anders, ob eine Verletzung im Einsatz passiert oder ob vorsätzlich durch Kameraden oder Vorgesetzte gehandelt haben, um jemanden körperlich beziehungsweise seelisch zu schaden. Zumal im zweiten Fall die Schadensersatzansprüche auf zivilrechtlichem Weg durchgesetzt werden.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Soldaten geben ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit nicht komplett auf. Es geht dabei überhaupt nicht um Verletzungen beim Einsatz und Misshandlungen durch Vorgesetzte sind rechtlich ein Unding. Es geht - und harmloser geht es kaum - um Impfungen. Soldaten müssen sich Impfen lassen, egal ob sie Impfbefürworter oder -gegner sind. Und da dies ihre körperliche Unversehrtheit verletzt, wird das Recht eingeschränkt. Aber ganz ausdrücklich nur für den Fall. Nachzulesen im § 17 des Soldatengesetzes.

Ebenso werden ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung in sofern eingeschränkt, dass er nicht alles der Presse sagen darf. Die Rechte von Polizisten können auf genau die gleiche Weise eingeschränkt werden. Beide Berufsgruppen stehen im Staatsdienst. Das beschert ihnen ein paar Pflichten und die Einschränkung von Rechten. Andererseits ist es bei ihnen nicht Mord, wenn sie im Dienst jemanden erschießen.

Viele Internetseiten von Bundeswehrgegner dramatisieren die Sache ziemlich und betonen eben nicht, dass es sich nur um eine teilweise Einschränkung handelt. Dort klingt es immer so, als ob sie das Recht komplett aufgäben und somit wehrlos sind. Dem ist aber nicht so.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich werfe nicht zwei Sachen in einen Topf, sondern ich frage mich, wie es bitteschön in der Praxis aussehen soll, wenn ein Soldat sein Recht auf körperliche Unversehrtheit abgibt. Und das scheint ja, darüber habe ich mehrere Quellen gefunden, der Fall zu sein, wenn jemand Soldat in Deutschland wird. Die große Frage, die ich mir einfach stelle, ist, was das Ganze soll und was es konkret für den Soldaten bedeutet. Daher habe ich überlegt, wie das aussehen könnte, beziehungsweise wann ein Soldat überhaupt man körperlich verletzt wird.

Die eine Möglichkeit wären eben Verletzungen während des Einsatzes durch andere Menschen, beispielsweise durch Gegner. Da schrieb ich ja schon, wenn es Terrorismus war, ist es ein Verbrechen, wenn es ein Unfall war, ein Unfall, und im Krieg gelten sowieso noch einmal andere Rechte. Also diese Sachen können nicht gemeint sein, wenn es darum geht, dass ein Soldat zum Diensteintritt sein Recht auf körperliche Unversehrtheit abtreten muss.

Aber was dann? Legal misshandelt werden darf ein Soldat durch Vorgesetzte ja sicher auch nicht. Aber was soll diese Regelung dann überhaupt?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Machen wir das alles mal an einem Beispiel fest. Man geht in einen Auslandseinsatz der Bundeswehr. Dort wird man eventuell einige schreckliche Dinge zu Gesicht bekommen und auch psychische Folgen davon tragen. Ich verstehe es so, dass man nicht in so einen Einsatz könnte, wenn man dieses Recht nicht abgegeben hat, weil man sonst die Verantwortlichen verklagen könnte. Immerhin passiert einen psychisches Leid und es ist auch nicht klar, ob man körperlich unversehrt bleibt.

Misshandlungen werden deswegen aber nicht weniger bestraft. Ich denke, dass man das so auch nicht miteinander vergleichen kann. Es geht sicherlich auch darum, dass man sich bei der Bundeswehr auch beugen muss, also auch mal angeschrien wird und da könnte man eben schnell sagen, dass man einen psychischen Schaden davon getragen hat.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Danke, Bienenkönigin, für die Antwort. :) Daran, dass es hier um Impfungen geht, hätte ich nicht gedacht. Weil ja das Recht auf körperliche Unversehrtheit im Grundgesetz eigentlich schon vorsieht, dass Menschen in Notfällen zwangsgeimpft werden können. Ich vermutete daher, dass das für Soldaten vielleicht allgemein gilt, und dass man dafür nicht extra dieses ganze Recht aberkennen muss, auch nicht teilweise. Weil es für mich aussah, als sei das schon Teil des Rechtes an sich. Die Ausnahmen sind so ja auch schon im Grundgesetz formuliert.

Wie sieht das eigentlich dann genau im Vertrag aus? Steht dann da wirklich, dass man sein Recht auf körperliche Unversehrtheit teilweise abgibt? Oder heißt es einfach nur, dass man sich zu Impfungen in jedem Fall verpflichtet, und auf das Recht wird an sich nicht einmal genau Bezug genommen?

Da Du auch die Einschränkungen in der Meinungsfreiheit anführst: Ich habe mal ein Praktikum auf einem Amt gemacht und musste auch im Vorfeld ein Dokument unterschreiben, laut dem ich keine Aussagen über während meiner Arbeit erhaltene Informationen machen darf. Wobei das sicher auch bei kommerziellen Unternehmen so ist, dass man Interna nicht ausplaudern darf und, falls man dem im Vertrag zustimmt, sich auch strafbar macht, wenn man es doch tut. Dass man damit einen Teil seines Rechtes auf freie Meinungsäußerung abgibt, stand da aber nie. So hätte ich es aber irgendwie auch nie empfunden. Für mich ist es einfach selbstverständlich, dass man bestimmte Sachen nicht in die weite Welt hinein ausplaudert.

Die Aussage, dass ein Soldat sein Recht auf körperliche Unversehrtheit abgibt, habe ich übrigens nicht von militanten Kriegsgegnern. Ich habe sie aus einem Zeitungsartikel, in dem man jemanden zitierte, der selber der Bundeswehr angehört.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Hier und hier nachzulesen. Beim ersten Link, dem Paragrafen 17, ist es Absatz 4, beim zweiten Link, dem Paragrafen 77, ist es Absatz 4.6.

Ein Soldat ist dazu verpflichtet, seine Gesundheit aufrechtzuerhalten. Und dazu gehören Untersuchungen wie Blutproben, Röntgen und eben das Impfen.

Wenn ein Soldat im Dienst verletzt wird, ist das natürlich eine Verletzung seines Rechts auf körperliche Unversehrtheit. Der Vorfall wird untersucht. War es ein Gegner, ist der Schuld. War es ein Soldat der eigenen Seite, ist der schuld und wird dementsprechend doch auch bestraft. War die Planung des Vorgesetzten die Ursache für die Verletzung, wird auch dieser bestraft. Jedes Mal ist das Recht des Soldaten auf körperliche Unversehrtheit verletzt worden und jemand ist daran schuld und wird gegebenenfalls bestraft.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Mir erscheinen da eher die Argumente von @ Bienenkönigin logisch. Wahrscheinlich könnte es da um Impfungen, medizinische Behandlungen und ähnliches gehen, obwohl ich es schon befremdlich finde, wenn das dann nicht im Einzelnen festgelegt und eingegrenzt wird. Ich bin ja keine Juristin, aber unter eine so allgemein gehaltene und pauschale Formulierung würde ich nur sehr ungern meine Unterschrift setzen. Wenn das nicht weiter spezifiziert ist, gibt es da doch einen viel zu großen Spielraum für Auslegungen und Fehlinterpretationen.

Andererseits werden, wie eingangs gesagt wurde, grundsätzlich bei Seuchen, Katastrophen oder im Kriegszustand bestimmte Bürgerrechte vorübergehend außer Kraft gesetzt. Da Soldaten ja vorwiegend für solche Einsätze vorgesehen sind, erscheint mir diese Klausel auch nicht wirklich abwegig. Es könnte sein, dass unter bestimmten Bedingungen, in denen zum Beispiel die Sicherheit des gesamten Einsatzes oder einzelner Teile der Truppe gefährdet ist, auch körperlicher Zwang oder Freiheitsentzug erlaubt ist, der vielleicht so im zivilen Leben nicht zulässig wäre?

Das sind natürlich nur Mutmaßungen, denn wirklich Ahnung von der Materie habe ich nicht. Interessant finde ich es aber schon, denn ich habe davon noch nie etwas gehört. Ich hoffe mal, den Soldaten wird das vor ihrer Entscheidung ausführlich begründet und erklärt.

» ANNA67 » Beiträge: 114 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Wawa666 hat geschrieben:Wie sieht das eigentlich dann genau im Vertrag aus? Steht dann da wirklich, dass man sein Recht auf körperliche Unversehrtheit teilweise abgibt? Oder heißt es einfach nur, dass man sich zu Impfungen in jedem Fall verpflichtet, und auf das Recht wird an sich nicht einmal genau Bezug genommen?

Das Gesetz trifft auf dich zu, sobald du in die Bundeswehr eintrittst. Ich nehme mal an, dass jedem Soldaten ein Exemplar in die Hand gedrückt wird oder mit ihm darüber geredet wird. Immerhin sind das dann seine Pflichten und Rechte. Aber das muss man nicht explizit unterschreiben. Man ist als Bürger dazu verpflichtet, seine Rechte und Pflichten zu kennen. Man kann sich ja vor Gericht auch nicht darauf berufen, dass man nicht wusste, dass Mord verboten ist.

Wawa666 hat geschrieben:Wobei das sicher auch bei kommerziellen Unternehmen so ist, dass man Interna nicht ausplaudern darf und, falls man dem im Vertrag zustimmt, sich auch strafbar macht, wenn man es doch tut. Dass man damit einen Teil seines Rechtes auf freie Meinungsäußerung abgibt, stand da aber nie.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung enthält im zweiten Absatz gleich mehrere Einschränkungen. Es steht natürlich nicht über allen anderen Gesetzen. Wenn man mit seiner Meinung z.B. die Staats- oder die öffentliche Sicherheit gefährdet oder die Rechte anderer verletzt, dann wiegt das mehr und man kann belangt werden. Und Unternehmen haben eben das Recht auf ihre Geheimnisse.

Wawa666 hat geschrieben:Die Aussage, dass ein Soldat sein Recht auf körperliche Unversehrtheit abgibt, habe ich übrigens nicht von militanten Kriegsgegnern. Ich habe sie aus einem Zeitungsartikel, in dem man jemanden zitierte, der selber der Bundeswehr angehört.

Das hab ich auch gar nicht geglaubt. Diese Seiten sind immer recht schnell als hochdramatisch zu erkennen. Aber auf diese Weise gelangen Halbwahrheiten ins Netz und werden dann auch in weniger dramatischer Form verbreitet und sind nicht mehr als solche zu erkennen. In dem Zeitungsartikel wurde womöglich das Zitat unzulässig gekürzt.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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