Wie lange lebenserhaltende Maßnahmen aufrecht erhalten?

vom 13.01.2014, 16:10 Uhr

Cid hat geschrieben:Hirntot ist eine interessengeleitete Vereinbarung ohne wissenschaftliche Erkenntnisse, die 1968 zugunsten der Transplantationsmedizin so festgelegt wurde, siehe hier. Hirntot heißt also, es handelt sich um Sterbende.

Hirntot ist keine Erfindung. Es gibt den Zustand "hirntot". Er hat nur vor der Möglichkeit Organe zu entnehmen keine Rolle gespielt, weil man den Tod dann durch die fehlende Atmung, den fehlenden Herzschlag und so weiter diagnostiziert hat. Da man diese Dinge künstlich aufrecht erhält, musste man das Kriterium "hirntot" in den Katalog aufnehmen. Aber es ist ein medizinischer Zustand. Keine Erfindung. Es handelt sich auch nicht um Sterbende. Meiner Meinung nach ist derjenige schon tot. Der Körper wird nur am Verwesen gehindert.

Cid hat geschrieben:Ich glaube, in diesem Fall steht noch mehr auf dem Spiel, nicht nur abschalten oder nicht. Ein Urteil kann sich hier wohl niemand erlauben. Hier wurde erwähnt, dass die Angehörigen nicht an das Kind gedacht haben wegen ihrer Trauer. Aber genau das glaube ich nicht.

Die Angehörigen reden aber gar nicht über das Kind. Ihr Argument ist immer der früher mal geäußerte Wunsch der Mutter. Mit keinem Wort sagen sie, dass es nicht gut ist für´s Kind.

Cid hat geschrieben:Ab der wie vielten Woche das so ist, weiß ich nicht, wohl aber schon früh. Was denkt ihr, was das Baby im Bauch einer sterbenden Mutter schon jetzt psychische Probleme hat, die sich später auf sein ganzes Leben auswirken können. Soll solch ein kleines Wesen dazu verdammt sein, das Leben unter solchen Umständen kennen zu lernen? Würdet ihr das wollen? Ich bestimmt nicht!

Ich könnte mir vorstellen, dass das Kind das Gefühl hat, als würde die Mutter durchgehend schlafen. Ob es im Uterus Hirnwellen der Mutter empfängt, wage ich zu bezweifeln. Herzschlag und Atmung sind ja noch vorhanden. Von daher müsste es sich wie Schlafen anfühlen. Die fehlende Stimme und Berührung von außen könnte der Vater ersetzen. Immerhin gibt es auch stumme Mütter und die bekommen auch ganz normale Kinder.

artemis88 hat geschrieben:Was jedoch ist, wenn das Kind nun auf die Welt kommt. Wie erklärt man einem Menschen, dass er im Körper einer Toten künstlich am Leben erhalten wurde? Ich finde dies ethisch sehr sehr schwierig und das Kind könnte eventuell wirklich Probleme bei der psychischen Verarbeitung dieser Begebenheit bekommen.

Dass es schwierig wird, dem Kind diese Geschichte zu erzählen, ist aber doch kein Grund, es sterben zu lassen. Das wäre ja auch der Fall, wenn eine hochschwangere Frau stirbt und der Körper noch vier Wochen am Leben erhalten wird. Dann muss man dem Kind auch irgendwann erklären, dass es noch im toten Körper der Mutter gelebt hat. Natürlich wird das nicht einfach für das Kind. Aber es ist kein Argument, um es nicht zu versuchen.

artemis88 hat geschrieben:Aber auch wenn die lebenserhaltenden Maßnahmen gestoppt werden, finde ich es moralisch schwierig dies als Mord an dem Baby zu betrachten. Denn Fakt ist, ohne die Maschinen wäre das Baby bereits tot und somit ist es nur künstlich am Leben.

Es wird vielleicht künstlich am Leben erhalten, aber es ist kein künstliches Leben. Es ist ein lebendiges Wesen. Und somit beendet man sein Leben, wenn man die Maschinen abstellt. Ob man es als Mord bezeichnen kann oder nicht, hat damit gar nichts zu tun. Denn sonst wäre es auch kein Mord, jemanden, der quicklebendig ist, seinen Herzschrittmacher wegzunehmen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



… es ist nicht das Gewissen des Arztes - sondern das Interesse des Arztes!

Mich interessiert mal deine Meinung zu diesem Thema. Du hast die einige Sätze herausgesucht aus mehreren Beiträgen. Ich glaube, dass ein Arzt schon beruflich Interesse haben könnte zu sehen, wie sich das Baby in einer sterbenden Hülle entwickelt ( du sagst hirntoten Hülle). Meinst du nicht, dass ein solcher Wunsch entstehen könnte?

Deiner Meinung nach sind Hirntote nicht Sterbende, sondern Tote, Bienenkönigin. Aber wo nimmst du die Erkenntnis her, wo steht das so genau? Denn das kann nur ein Fachmann wissen oder auch nicht. In meinem verlinkten Beitrag ist auch zu lesen, dass viele Länder den für dich Hirntoten noch betäuben, wenn an ihm herum geschnitten werden soll. Warum sollten sie dafür extra Geld ausgeben? Ich denke viel eher, das es eine Grauzone ist, die keiner bisher ergründen konnte. Allerdings fallen da doch viele Merkwürdigkeiten auf, die mit angeblich Hirntoten passiert sind. Deshalb sind es für mich auch Sterbende.

Daher glaube ich auch daran, dass das Interesse der Ärzte für das Baby besteht, weil es eben ein Sonderfall ist.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Cid hat geschrieben: Ich glaube, dass ein Arzt schon beruflich Interesse haben könnte zu sehen, wie sich das Baby in einer sterbenden Hülle entwickelt ( du sagst hirntoten Hülle). Meinst du nicht, dass ein solcher Wunsch entstehen könnte?

Das habe ich ja gar nicht bestritten. Um genau zu sein, habe ich mich zu der These gar nicht geäußert. Aber natürlich sind medizinische Sonderfälle für einen Arzt immer von größerem Interesse als die tausendste langweilige Mandeloperation. Aber das sollte nicht die Hauptmotivation für die Entscheidung sein. Es sollte in erster Linie der Wunsch des Patienten beachtet werden. Dass hier zusätzlich noch ein zweiter Patient ins Spiel kommt, der nichts äußern kann, macht es zu einer Grauzone.

Aber dennoch muss ein Arzt doch seine Entscheidung gut begründen können. Wenn moralisch alles dagegen spräche, das Kind am Leben zu erhalten, würde es zu einem reinen Menschenversuch verkommen. Aber es gibt zwei Seiten. Man kann moralisch auch begründen, warum man das Kind am Leben erhält. Aber im Hintergrund steht wahrscheinlich auch, dass es medizinisch interessant ist.

Cid hat geschrieben:Deiner Meinung nach sind Hirntote nicht Sterbende, sondern Tote, Bienenkönigin. Aber wo nimmst du die Erkenntnis her, wo steht das so genau? Denn das kann nur ein Fachmann wissen oder auch nicht. In meinem verlinkten Beitrag ist auch zu lesen, dass viele Länder den für dich Hirntoten noch betäuben, wenn an ihm herum geschnitten werden soll. Warum sollten sie dafür extra Geld ausgeben? Ich denke viel eher, das es eine Grauzone ist, die keiner bisher ergründen konnte. Allerdings fallen da doch viele Merkwürdigkeiten auf, die mit angeblich Hirntoten passiert sind. Deshalb sind es für mich auch Sterbende.

Dass es sich um Tote handelt, ist meine Meinung. Die muss sich nicht auf eine medizinische und irgendwo niedergeschriebene Erkenntnisse berufen. Für dich sind es eben Sterbende. Du bist doch auch kein Fachmann. :)

Wenn das Gehirn nicht mehr arbeitet, ist der Mensch für mich gestorben. Er hat keine Persönlichkeit mehr, wird nicht mehr aufwachen. Der Körper würde ohne die Maschinen ebenfalls im gleichen Moment aufhören zu arbeiten. Damit ist er für mich tot. Dass Organspender betäubt werden, haben wir ja in dem anderen Thread schon diskutiert. Ich denke, es wird als Vorsichtsmaßnahme gemacht, weil viele Ärzte mit der Diagnose Hirntod überfordert sind.

Also man muss unterscheiden. Hirntot ist ein medizinischer Zustand. Wenn er tatsächlich vorliegt, ist die Person tot, fühlt keinen Schmerz mehr und braucht keine Betäubung. Aber dadurch, dass auch Ärzte Fehler machen und nicht richtig in der Diagnose geschult werden, sind Patienten, die von Ärzten als hirntot bezeichnet werden, oft noch gar nicht wirklich hirntot. Und daher ist es sinnvoll, ihnen eine Betäubung zukommen zu lassen. Außerdem beruhigt es die Angehörigen, die Angst haben, dass da doch noch ein bisschen Leben in dem geliebten Menschen steckt. Wurde die Diagnose zu früh gestellt, handelt es sich um einen Sterbenden.

Und dadurch, dass da oft noch Fehler gemacht werden, bleibt die Diagnose Hirntod eine Sache, die noch weiter erforscht werden muss. Wie man sie sicher stellen kann, wie man die Fehler ausräumen kann. Und sicherlich auch, wie lange man die Körperfunktionen aufrechterhalten kann. Da noch Fragen offen sind, ist es sicherlich ein interessanter Fall für einen Arzt. Wie gesagt, spannender als eine Mandeloperation, bei der seit Jahrzehnten alles klar und unverändert ist.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Das ist eine ganz schwere Sache und gerade im Thema Sterbehilfe wohl zum Glück eher ein Einzelfall. In Deutschland wäre die Sterbehilfe ja sowieso verboten,, was ich auch nicht in allen Punkten gutheißen würde.

Natürlich sollte man dem letzten Wunsch einer Person nachkommen, gerade wenn es rechtlich so verfügt ist. Man weiß natürlich auch nicht, ob sie dann leidet. Wenn aber selbst die Angehörigen für eine Abschaltung sind, muss der Druck auf den Arzt erst recht wachsen. Ich glaube auch nicht, dass es rechtens ist, trotz des Babys. Ich weiß aber auch nicht, ob es rechtliche Konsequenzen für die Angehörigen gäbe, wenn sie die Maschienen einfach abstellen würden. Natürlich kann man auch nicht sagen, inwieweit sich der Zustand der Frau wieder verbessern würde. Wenn jemand allerdings schon hirntot ist, wird das möglicherweise schwierig.

Für den Arzt ist das natürlich auch eine Art Forschung, so oft wird man das nicht erleben. Für Mutter und Kind ist das immer nicht so schön, denke ich. Dann gibt es noch zu bedenken, wie das mit dem Kind wird. Einerseits hat natürlich auch das Kind ein Recht zu leben, was man ihm ja gar nicht absprechen will, andererseits muss man auch überlegen, wie dieses Leben aussehen wird. Erstmal, insofern man es überhaupt lebend rausholen kann, wird es sehr geschwächt sein und auch nicht unbedingt einen gesunden Lebensstart beginnen. Dann wächst es ohne Mutter auf - ich glaube, auch wenn eine große Familie und ein Vater dahinter steht ist es hart. Wie letztendlich verfahren wird kann ich nicht entscheiden, mich würde aber auf jeden Fall interessieren, ob und wie die Entwicklung dieses Säuglings verlaufen ist.

» crazykris1 » Beiträge: 605 » Talkpoints: 37,24 » Auszeichnung für 500 Beiträge



@Bienenkönigin, mit meiner Frage wollte ich dich nicht provozieren. Es war wirklich nur mein Interesse, ob ich alleine das Interesse eines Arztes an einem Sonderfall so sehe. Auch dein Vergleich mit einer mehrfachen Mandeloperation ist in Ordnung. Aber gerade bei solch einfach erscheinenden Operationen wird oft weniger beachtet, als es sollte.

Zur Info: Dem HNO-Chefarzt einer Klinik hier in der Nähe starben in Abständen junge Patienten aufgrund von unerwarteten Blutungen. Da es wohl Routine-Operationen für ihn waren, gab er sich nicht die Mühe, auch Stunden oder Tage später nach den Patienten zu sehen. Wäre er sorgfältiger gewesen, hätten die jungen Patienten nicht sterben müssen. Inzwischen wurde ihm der Prozess gemacht.

So werden die behandelnden Ärzte der schwangeren Frau bestimmt mehr Aufmerksamkeit schenken gerade deshalb, weil es kein Routinefall ist. Seine Entscheidung muss ein Arzt zwar begründen, aber wie er das macht, ist seine Sache. Vielleicht hören wir irgendwann, wie sich dieser Sonderfall entwickelt hat.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Ich habe gerade zufällig dieses Video gefunden. Der Fall ist ähnlich wie der aus Amerika, der den Thread hier ausgelöst hat. Die schwangere Frau ist in der 15. Schwangerschaftswoche gestorben und an die Herz-Lungen-Maschinen angeschlossen worden. Drei Monate später, in der 27. Schwangerschaftswoche, wurde dann das Baby auf die Welt geholt und es wurden auch noch Organe der Frau zur Spende entnommen. Das Baby ist gesund. Es ist also durchaus medizinisch möglich. Dies war wohl der dritte Fall, in dem es geglückt ist.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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