Kann man einen Vater lieben, den man nie kennengelernt hat?
Bei einem kleinen Kind ist eine Zugehörigkeit, ein Vertrauen da, das man als Liebe bezeichnet, aber keine Liebe ist. Man nimmt es einfach an, weil ja die Kinder die Eltern zu lieben haben. Aber ich glaube nicht, dass es die Liebe ist. Die wird sich erst nach und nach entwickeln oder auch nicht. Es gibt da keinen Schalter, den man umdreht und schwupps liebt das Kind den Vater.
In deinem Fall kennt die 17-jährige den Vater nicht. Da deine Cousine zu ihrem unbekannten Vater weder Vertrauen haben konnte, noch eine Zugehörigkeit empfand, entwickelte sie eine so große Liebe – wie sie fälschlicherweise meint. Es ist mehr Sehnsucht nach dem Vater, den er ihr vorenthalten hat. Sie lernte den Umgang ihrer Freundinnen und Schulkameraden mit den Vätern kennen und wünschte sich von Herzen auch einen solchen Vater. Dieses Gefühl steigerte sich so wahnsinnig, dass es übermächtig wurde und es für sie nur einen Ausweg gibt, den scheinbar so geliebten Vater zu finden. Ehe sie ihn nicht gefunden hat, wird sie keine Ruhe finden und auch nicht geben.
Wawa666 hat geschrieben:[ Mit "irrational" meine ich, dass man nicht hinterfragt, sondern einfach die Leute liebt, die einen versorgen.
Cid hat geschrieben:Bei einem kleinen Kind ist eine Zugehörigkeit, ein Vertrauen da, das man als Liebe bezeichnet, aber keine Liebe ist.
Das stimmt. Man bezeichnet es als Liebe, weil es sich ähnlich äußert. Aber letztlich ist es eben nur diese evolutionär sinnvolle Zugehörigkeit.
Aber letztlich kann man das doch über jede Art von Liebe sagen. Liebe ist einfach zu abstrakt, um sie wirklich so genau in Worte zu fassen. Warum liebt man denn den einen Mann, mit dem man dann eine Familie gründet? Wirklich nur wegen seinem einzigartigem Charakter? Ich glaube nicht an den einen Seelenverwandten. Es wäre ganz schön großer Zufall, dass der eine Seelenverwandte unter 7 Milliarden Menschen auf genau die gleiche Uni geht, damit man ihn kennenlernen kann. Nein, der Charakter sollte schon ansprechend sein. Aber hinzu kommen noch tausende andere Faktoren, wie z.B. die Zeit. Wenn man ihn mit 5 kennenlernt, kann man noch nicht heiraten und Kinder kriegen und verliert sich womöglich wieder aus den Augen.
Liebe ist oft ein Wort für etwas anderes. Z.B. zum richtigen Zeitpunkt kennengelernt, oder gebraucht werden, oder nicht allein sein wollen, den gleichen Traum haben, Dankbarkeit, viele gemeinsame Erinnerungen haben. Und in dem Fall ist es eben das sich nach ihm sehnen.
Ich finde es einfach gemein, so offen darüber zu urteilen. Natürlich kann man mit ihr darüber reden, dass sie nur eine Wunschvorstellung von ihm im Kopf hat, die wahrscheinlich nicht stimmt. Und dass es schwierig wird, ihn zu finden und wahrscheinlich in einer Enttäuschung endet. Aber wenn sie diese Liebe fühlt, finde ich es grausam, ihr immer wieder zu sagen, dass das nicht echt ist.
Es ist ein Gefühl. Kann das wirklich unecht sein? Manche haben auch Angst ohne einen richtigen Grund, z.B. Spinnenphobie. Die Angst ist unnötig und irrational. Aber sie ist doch trotzdem echt. Meine Mutter hat mich für meine Angst auch einfach ausgelacht und hat mich mit riesigen Spinnen im Zimmer im Stich gelassen. Das hat überhaupt nicht geholfen.
WaWa666 hat geschrieben:Ich vertrete außerdem wirklich die Meinung, dass nicht jeder zwangsläufig seine Familienmitglieder liebt.
Es gibt durchaus Ausnahmen. Die gibt es immer. Wenn die Eltern emotional auch nicht gerade überschäumen, wird sich das Kind auch distanzieren, um nicht verletzt zu werden. Mein Verhältnis zu meiner Mutter war auch nie von überschäumender Liebe geprägt. Aber aus Neugierde muss ich mal fragen: War es bei dir wirklich schon immer so? Also auch als kleines Kind oder in der Pubertät? Hast du dich nie um die Liebe deiner Eltern bemüht und weil du sie nicht bekommen hast, hast du deine Gefühle irgendwann abgeschaltet?
WaWa666 hat geschrieben:Von daher glaube ich auch nicht, dass ein Kind, das ohne Vater aufgewachsen ist und gar keinen anderen Zustand kennt, automatisch ohne diesen Vater leiden und sich nach ihm sehnen muss. Das dürfte individuell unterschiedlich sein.
Auf jeden Fall. Ich hatte eine Freundin, die ein Kind von einem nicht so tollen Mann bekommen hat. Sie hat an ihm festgehalten, weil er der Vater ist, aber ich denke, dem Kind wäre es komplett ohne viel besser ergangen. Es ist nicht zwangsläufig so, dass dem Kind dadurch etwas fehlt. Ich denke, das hängt zum großen Teil von der Mutter ab. Daher meinte ich auch in meinem ersten Beitrag zu dem Thema hier, dass hinter dem Wunsch mehr steckt, als nur den Vater kennenlernen zu wollen. Womöglich fehlt etwas in der Beziehung der Cousine zu ihrer Mutter und dann wird der Vater zur ultimativen Lösung ernannt, anstatt sich dem echten Problem zuzuwenden.
Bienenkönigin hat geschrieben:Warum liebt man denn den einen Mann, mit dem man dann eine Familie gründet?
Charakter, gemeinsame Vorstellungen in Sachen Ethik, möglicherweise auch sexuelle und optische Attraktion, gemeinsame Interessen und Hobbies, zu einem bestimmten Anteil vielleicht auch Hormone und Körperchemie. Dazu kommt natürlich auch noch, dass man sich zufällig im richtigen Moment begegnen muss. Sonst lernt man einander natürlich nie kennen.
Ich denke aber auf jeden Fall, dass man einen Menschen kennen muss, um ihn zu lieben. Das ist nicht der Fall, wenn jemand den Vater noch niemals gesehen hat. Und das ist ja hier auch das Thema, bei dem Mädchen, um das es im ersten Posting geht. Und da denke ich, dass sie höchstens ein Idealbild, dass sie sich vom Vater im Kopf zusammenbastelt hat, "liebt". Aber nicht den Vater selber, als Menschen. Was nicht heißt, dass ihr Sehnen dadurch geringer oder weniger schlimm für sie wäre. Aber wäre es wirkliche Liebe, wenn man Liebe als Zuneigung gegenüber einer bestimmten Person, die man auch kennt und gerade deswegen schätzt, definiert? Das bezweifle ich.
Bienenkönigin hat geschrieben:Aber aus Neugierde muss ich mal fragen: War es bei dir wirklich schon immer so? Also auch als kleines Kind oder in der Pubertät? Hast du dich nie um die Liebe deiner Eltern bemüht und weil du sie nicht bekommen hast, hast du deine Gefühle irgendwann abgeschaltet?
Ich kann mich nicht daran erinnern, mich je sonderlich um Zuneigung bemüht zu haben, und das, obwohl meine Erinnerungen bis in mein zweites Lebensjahr zurückreichen. Ich war immer ziemlich eigenbrötlerisch und wenig an Bindungen interessiert. Einige gute Freunde vermuten Asperger-Autismus, aber das kann ich weder bestätigen noch widerlegen. Das müsste wohl ein Arzt prüfen. Aber so wichtig ist es mir nicht, denn ich fühle mich wohl, wie ich bin. Anstoß an meinem angeblich nicht so intensiven Gefühlsleben nimmt höchstens mein Umfeld. Also Leute, die das eigentlich nichts angeht und nach denen ich mich nicht richten werde, solange ich anders glücklich bin. Allerdings erkenne ich natürlich an, dass ich auch einfach "seltsam" sein könnte, und dass meine Empfindungen daher nicht unbedingt als ein Maßstab für die Norm gelten sollten.
Deine Cousine wird sicher eine Fahrt der Gefühle fahren, weil sie in dem einen Moment natürlich ihren Vater liebt, aber in dem anderen auch nicht, in dem sie begreift, dass sie ihn nie kennengelernt hat. Ich selbst bin Gott sei dank nicht in so einer Situation und ich wünsche sie auch keinem, denn einen größeren Zweispalt könnte es nicht geben und man selbst ist ja nicht Schuld daran, sondern es wurde einem praktisch "in die Wiege gelegt".
Mit Sicherheit kann man jemanden lieben, den man nicht kennt, einfach Weil er zur Hälfte das eigene Blut in sich trägt. Die wirkliche Frage ist ja eigentlich ob man ihm das verzeiht, dass er anscheinend keinen Wert darauf legt, dass man ihn kennen lernen kann. Gerade das muss besonders schwierig sein, zumindest kenne ich das so von einer Freundin von mir. Sie meint sie könnte ihm verzeihen, wenn sie wüsste, dass sie ihm etwas bedeutet/dass ihm an ihre etwas liegt.
Doch was wäre, wenn man diesen einen Mann/diese eine Person eines Tages kennenlernt und extrem enttäuscht ist? Denn auch so ein Beispiel kenne ich. Und zwar ist es da genau anders herum gewesen. Der Vater wollte Kontakt zu seinem Sohn haben, doch die Mutter hat es nicht zugelassen, da sie einen anderen Mann kennengelernt hatte und den Sohn mit diesem "falschen" Vater großziehen wollte. Als nach Jahrzehnten ein Kennenlernen möglich wurde, musste der Vater jedoch feststellen, dass sein eigener Sohn, den er 2 Jahre lang noch mit aufgezogen hatte nicht begeistert von ihm war. Er wollte Geld, mehr nicht.
Diese Enttäuschungen/auch die Angst vor so einer Enttäuschung lassen die Menschen in diesem Zweispalt und manchmal wollen sie ihre Menschen eben gar nicht erst kennenlernen, weil sie Angst vor dem Echo haben.
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