Nüchtern die Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft sehen?

Ich war völlig entsetzt, als eine Cousine von mir meinte, dass sie bald eine Wirtschaftsgemeinschaft eingehe. Ich wusste erst nicht, was sie damit meinte und dann meinte sie, dass sie bald heiraten wird und dass es doch nichts anderes wäre. Man spart Steuern, der Mann verdient gut und wird auch, wenn sie sich trennen wollten dann für sie und die eventuellen Kinder Unterhalt zahlen müssen und deswegen ist es für sie eine Wirtschaftsgemeinschaft. Sie meint, dass sie auch ohne Ehe mit ihrem Partner zusammen bleiben würde. Aber wenn man doch auch noch Vorteile mit nehmen kann, dann ist es doch nichts anderes als eine Wirtschaftsgemeinschaft.

Seht ihr das auch so? Könnt ihr die Ehe wirklich so nüchtern betrachten? Was haltet ihr von so einer Aussage. Ich muss zugeben, dass ich ein wenig entsetzt war, als ich das hörte.

Ich kann diese Aussagen sehr gut nachvollziehen. Ich habe es nie so formuliert, aber im Endeffekt war es bei mir und meinem Mann nicht anders. Wir haben geheiratet, damit ich in seine Krankenversicherung rutschen konnte. So haben wir 140 Euro im Monat gespart, was für uns sehr viel ist.

Wenn das nicht so gewesen wäre, hätten wir niemals geheiratet. Wir lieben uns und wollen unser Leben miteinander verbringen. Aber dafür brauchen wir den Wisch vom Standesamt doch nicht. Die Eheschließung ist ein amtlicher Akt, bei dem man dem Staat mitteilt, dass man zusammengehört. Und was spielt der Staat dabei für eine Rolle? Er begünstigt das durch Steuerersparnisse und dergleichen. Aber mit Liebe hat dieser Teil nichts zu tun.

Also die Beziehung zu dem Mann an meiner Seite ist mir natürlich unglaublich wichtig. Wir sind seit über 9 Jahren zusammen. Besondere Ereignisse waren es, als wir zusammengezogen sind und vor allem, als wir dann das Haus gekauft haben und dass wir den Betrieb zusammen aufbauen. Wir planen unser Leben gemeinsam. Aber die Eheschließung war einfach nur das Unterschreiben eines Vertrages. Das war kein besonderer Tag für uns.

Ich kann schon verstehen, dass dich das irritiert. Es ist nun mal Tradition, aus diesem Tag etwas Besonderes zu machen. Aber so richtig kann ich das heutzutage nicht mehr nachvollziehen. Früher war das der Tag, ab dem man dann zusammengewohnt hat, ab dem man Sex hatte, ab dem man mit der Familienplanung anfing. Das fällt doch alles weg. Heute sieht das Leben vor der Hochzeit und nach der Hochzeit oft gleich aus. Die Wohnverhältnisse ändern sich nicht, weil man eh schon zusammenwohnt, Kinder sind oft schon da oder kommen dann trotz Eheschließung erst Jahre später. Dass man sein Leben miteinander verbringen will, ist auch schon oft lange vorher klar. Was sich ändert, sind die Wirtschaftsverhältnisse.

Ich denke, dass viele Leute nur wegen der Steuerklasse oder der Krankenversicherung heiraten oder dann, wenn Kinder unterwegs sind, damit da eine gewisse Absicherung besteht. Für mich selber wäre das nie in Frage gekommen, ich habe - so kitschig das klingt - aus Liebe geheiratet und als Zeichen meiner Liebe meinem Mann und meinem Umfeld gegenüber. Mein Mann sieht das genauso.

In meinem früheren Umfeld waren viele der Ansicht, erst wenn die Frau schwanger wird wäre es sinnvoll zu heiraten. Das fand ich immer etwas traurig, denn bei einer Hochzeit sollte es doch meiner Ansicht nach um die Gefühle füreinander und nicht um finanzielle oder rechtliche Vorteile gehen. Ich habe damals immer gesagt, dass ich eben genau dann nicht mehr heiraten würde, wenn ich unerwartet schwanger werden würde, weil ich dann immer das ungute Gefühl gehabt hätte, mein Partner will eigentlich gar nicht mich, sondern nur das Kind. Ich denke aber, das muss jeder für sich entscheiden, aus welchen Gründen er eine Ehe eingeht.

Wenn dich die Tatsachen "entsetzen", dann liegt das wohl eher daran, dass du eine falsche Vorstellung hast oder in eine Ehe irgendwas hinein interpretieren möchtest, das mit den Tatsachen nicht unbedingt etwas zu tun hat. Ich finde es eher "entsetzlich", wenn ich sehe, was Leute für Erwartungen an einen Trauschein haben, also nicht im finanziellen Sinne sondern was die Qualität ihrer Beziehung betrifft. Sie erwarten dann, dass sich dadurch irgendwas in der Beziehung ändert oder verbessert, was natürlich überhaupt nicht funktionieren kann.

Ich bin seit Jahren in einer Beziehung und wir haben uns auch schon die Frage gestellt, ob wir nicht heiraten sollten. Wir haben das auch ganz "entsetzlich nüchtern" mit meinem Steuerberater durch gerechnet und da es sich für uns nicht lohnt sind wir eben bis heute nicht verheiratet. Wir sehen einfach keinen Grund unsere Beziehung durch den Staat oder gar die Kirche absegnen zu lassen. Wir wissen, dass wir uns lieben und, dass wir zusammen bleiben wollen, das ist eine ganz persönliche Sache und die geht Außenstehende eigentlich überhaupt nichts an und vertraglich festschreiben kann man Liebe doch sowieso nicht. Eine Beziehung funktioniert oder eben nicht, egal ob man einen Vertrag unterschrieben hat oder nicht.

Natürlich hätten wir die finanziellen Vorteile mitgenommen, wenn wir die Möglichkeit gehabt hätten, aber das hätte mit unserer Beziehung ja nichts zu tun. Das wäre wirklich eine rein wirtschaftliche Entscheidung gewesen, weil der Staat eben diese Möglichkeit für einige Paare einräumt wenn sie bereit sind einen Trauschein zu unterschreiben.