Schwarzfahrer - ein rassistisches Wort?
Dass es rassistische und diskriminierende Wörter gibt, kann man nicht leugnen. Natürlich gibt es sie, so, wie es auch andere Arten von Beleidigungen gibt, die meistens bestimmte "Minderheiten" treffen. Für Andersartigkeit, auf welche Weise auch immer, denken sich immer irgendwelche Leute Spottbezeichnungen aus, von eher harmlos bis extrem beleidigend. Und ja, es kommt leider auch vor, dass diese Begriffe bei einigen Menschen in der Umgangssprache landen. Dann finde ich es auch gut, darauf hinzuweisen, dass sie verletzend wirken, und ein Bewusstsein dafür schaffen zu wollen, dass so ein beleidigender, tatsächlich rassistischer Sprachgebrauch möglichst wenig vorkommen sollte.
Trotz dieser Meinung sehe ich aber in den Behauptungen von Orhan Akman, der nicht nur der Partei Die Linke angehört, sondern außerdem Gewerkschaftssekretär bei Ver.di ist und mal Stadtrat in München war (ob er es noch ist, konnte ich gerade auf die Schnelle nicht herausfinden), keinen wirklichen Sinn. Herr Akman äußerte nämlich die Ansicht, dass das Wort "Schwarzfahrer" ein rassistischer und diskriminierender Begriff sei, den man aus dem deutschsprachigen Wortschatz entfernen sollte. Der Begriff stelle nämlich, so Orhan Akman, "die Hautfarbe bestimmter Menschen in einen negativen Kontext". Was dann wohl auch bei anderen negativen Begriffen, wie mit "Schwarz-" beginnen, der Fall sein dürfte?
Unterstützt wird Orhan Akmans Ansicht vom "Arbeitskreis Panafrikanismus München e.V.", der sich selbst als Zusammenschluss und Interessengemeinschaft von in Deutschland lebenden Menschen, die ursprünglich aus verschiedensten afrikanischen Staaten stammen, bezeichnet. Argumentiert wird von ihnen ganz offen damit, dass der Begriff "schwarz" beziehungsweise die Vorsilbe "Schwarz-" schon seit dem Mittelalter traditionell als "böse" Farbe gelten würde. Assoziiert wird sie mit dem Unheimlichen, mit Dämonen, dem Teufel, mit Hexen, und so weiter. Außerdem bedeutet Dunkelheit natürlich auch, nichts zu sehen. Da schwingt der Begriff der Heimlichkeit mit. Und das erklärt meiner Meinung nach auch den Wortursprung von Begriffen wie "Schwarzfahrer", aber auch "Schwarzarbeit". Ich persönlich würde nun sagen, dass bei dieser Herleitung offensichtlich ist, dass es nicht um dunkelhäutige Menschen geht und auch keineswegs irgendeine Form von rassistischer Diskriminierung in diesen Begriffen mitschwingt.
Der oben genannte Verband sieht das allerdings anders. Auf seiner offiziellen Website äußert er sich folgendermaßen dazu:
Schwarz als Farbempfindung, die beim Fehlen eines Farbreizes entsteht, also als Abwesenheit von Licht jeglicher Wellenlänge, ist mit seinen zahlreichen negativen Bedeutungszusammenhängen wie z.B. "Schwarzfahren", Schwarzarbeit, schwarz sehen, schwarzer Peter, “ etc. assoziativ an das Bild von Afrikaner_innen und Menschen afrikanischer Abstammung gekoppelt.
Könnt Ihr das nachvollziehen? Ich habe ehrlich gesagt so meine Probleme damit. Ich denke jedenfalls definitiv nicht assoziativ an dunkelhäutige Menschen, wenn ich das Wort "Schwarzfahrer" höre. Allgemein assoziiere ich "Schwarz" nicht mit dunkelhäutigen Menschen, ganz einfach, weil diese eigentlich nicht wirklich schwarz sind, sondern eher dunkelbraun. Ich bin als Asiatin schließlich auch nicht gelb, sondern habe eher eine leicht karamellfarben getönte Haut. Das mag banal klingen, aber bei "Schwarz" denke ich persönlich einfach nur an die Farbe, und nicht an Menschen oder Hautfarben. Und daher denke ich bei "Schwarzfahren" definitiv auch nicht an dunkelhäutige Afrikanerinnen oder Afrikaner.
Was denkt Ihr über die ganze Sache? Meint Ihr, um Menschen, die sich dadurch verletzt fühlen könnten, sollte man versuchen, für das Wort "Schwarzfahrer" Synonyme zu finden und diese zu etablieren, bis das Wort "Schwarzfahrer" vollkommen in der Versenkung verschwunden ist? Hier gibt es übrigens mehr zum Thema zu lesen.
Ich bin wie immer der Ansicht, dass man es auch übertreiben kann mit der "political correctness" und dass es unserem Zusammenleben als Menschen in einer Gesellschaft mehr nützen würde, wenn man weniger über die Herkunft und Verwendung bestimmter Wörter und Begriffe debattieren würde, sondern einfach damit aufhören würde, Leute auf Grund ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion zu behandeln wie den letzten Dreck.
Im Deutschen wie in vielen anderen Sprachen bezeichnet die Vorsilbe "Schwarz-" in zusammengesetzen Substantiven etwas Illegales, das ohne Zustimmung der beteiligten Behörden und offiziellen Stellen geschieht. Das hat rein linguistisch schon mal gar nichts mit der Hautfarbe irgendwelcher Leute zu tun. Begriffe wie Schwarzmarkt, Schwarzschlachtung, schwarzsehen oder sich schwarz ärgern geistern seit Generationen durch unseren Wortschatz und sind bestimmt nicht rassistisch gemeint.
Gerade Farben werden je nach Kultur mit bestimmten Assoziationen in Verbindung gebracht, und Schwarz macht hier keine Ausnahme. Wir könnten natürlich das Wort an sich verbieten, weil es einerseits negative Konnotationen hat, andererseits dafür verwendet wird, die Hautfarbe von Menschen zu beschreiben, aber das nützt den Leuten nichts, die auf Grund ihrer Hautfarbe bei uns diskriminiert und wie Idioten behandelt werden.
Ich selbst finde es viel schlimmer, wenn Politiker aller Couleur zwar wohlgesetzte, politisch korrekte Ausdrücke verwenden, aber dennoch Vorurteile schüren und Volksverhetzung gegenüber Minderheiten betreiben. Begriffe wie "Integrationsverweigerer" oder "Armutszuwanderung" klingen zwar schön wissenschaftlich, dienen jedoch dazu, Menschen pauschal über einen Kamm zu scheren, und zwar nicht nur deswegen, weil sie den ÖPNV ohne Fahrschein benutzen.
Am Besten schaffen wir die Farbe schwarz doch gleich ganz an, denn vielleicht ist es ja auch rassistisch, wenn ich gerne schwarze Kleidung trage. Aber Ironie beiseite, ich finde man kann es auch damit übertreiben, hinter jedem zweiten Begriff Rassismus zu sehen. Mag sein, dass ein Begriff früher einmal und von der Herkunft her rassistisch war, aber viele Generationen später der Zusammenhang gar nicht mehr hergestellt wird.
Wenn man mich fragen würde, warum meiner Ansicht nach jemand ohne Fahrschein als Schwarzfahrer oder jemand, der am Finanzamt vorbei arbeitet als Schwarzarbeiter bezeichnet wird, hätte ich eine ganz andere Assoziation: ich würde meinen, es ist jemand, der etwas verbotenes tut und damit also "im Dunklen", also "im Schwarzen" bleiben und nicht entdeckt bzw. erwischt werden will.
kerry3 hat geschrieben:Mag sein, dass ein Begriff früher einmal und von der Herkunft her rassistisch war, aber viele Generationen später der Zusammenhang gar nicht mehr hergestellt wird.
Die Farbe Schwarz an sich, beziehungsweise das Wort dafür, waren ganz bestimmt noch niemals rassistisch gedacht. Schwarz ist einfach eine Farbe. Dass man möglicherweise durch die Aktion, Menschen mit dunkelbrauner Haut "Schwarze" zu nennen, vor Jahrhunderten mal eine Assoziation zu etwas Besonderem, Fremdem, Unheimlichen schaffen wollte, das würde ich vielleicht noch als Annahme akzeptieren können. Aber dafür kann die Farbe Schwarz nichts. Irgendwie sehe ich bei dieser ganzen Sache keine logische Kausalkette.
Eine Schwierigkeit gibt es aber bei dieser Angelegenheit auch noch. Normalerweise würde ich sagen, wenn eine "Minderheit" sagt, dass sie ein Wort diskriminierend findet, dann sollte man das akzeptieren. Und in diesem Fall gab es ja wohl eine Initiative dunkelhäutiger Menschen, die die Behauptung, dass "Schwarzfahrer" ein rassistischer Begriff sei, bejaht hat. Sie empfinden es offenbar so. Was also nun?
Ich finde aber an sich die Behauptung, dass Menschen beim Wort "Schwarzfahrer" zuerst an dunkelhäuftige Menschen denken würden, schon nicht haltbar. Ich glaube nämlich nicht, dass irgendwer bei dem Wort wirklich diese Assoziation hat. Ich habe sie nicht und in meinem Bekanntenkreis habe ich interessehalber auch mal gefragt. Dort verbindet auch niemand das Wort "Schwarzfahrer" mit afrikanischstämmigen Menschen. Für mich wäre die Behauptung, dass "Schwarzfahrer" rassistische Assoziationen wecke, also damit widerlegt. Nur, was soll man tun, wenn nun einige Betroffene sich trotzdem diskriminiert fühlen?
Ein Problem ist eben auch, dass ich nicht weiß, wie weit man dann gehen sollte mit den Verboten. Vielleicht gibt es auch Asiaten, die sich von Worten, die mit "Gelb-" beginnen, irgendwie angegriffen fühlen? Und dann gibt es möglicherweise indigene Einwohner der USA, die die Vorsilbe "Rot-" schlimm finden? Nein, eigentlich denke ich nicht, dass es so etwas wirklich gibt. Aber wenn es so wäre, dann dürfte man wohl alle Wörter abschaffen, weil sich jeder von irgendeinem Begriff angegriffen fühlen könnte. Wo soll das dann enden? Wo zieht man die Grenze zwischen einer echten Diskriminierung und einem Fall, wo Leute sich "zu Unrecht" diskriminiert fühlen? Wer hat das Recht, darüber zu bestimmen?
Dass es reichlich Rassismus in unserer Gesellschaft gibt, steht außer Frage. Man kann diskutieren darüber, ob der traditionelle Begriff Negerkuss für die bei Kindern beliebten Süßwaren wirklich diskriminierend war. Aber immerhin wird hier ja das eindeutig relativ unstrittig diskriminierende Nomen Neger verwendet. Von daher sehe ich da auch eine schlüssige Argumentationskette. Auch die von Loriot bekannt gemachten Kosakenzipfel sind ja nicht ganz ohne. Aber nun gut, dann wird eben die Süßigkeit umbenannt, damit niemand das Gefühl hat, lächerlich gemacht zu werden. In dem Fall kann ich das auch noch gut nachvollziehen.
Aber dass Schwarzfahren diskriminierend ist, ist mir auch neu. Darf man bald auch nicht mehr die traditionell schwarze Kleidung zu Begräbnissen tragen, weil sich Menschen einer Hautfarbe potentiell diskriminiert fühlen, wenn ihre Hautfarbe mit Trauer assoziiert wird? Darf der Bund der Steuerzahler sein allbekanntes Schwarzbuch auch bald nicht mehr so nennen, weil hier diese Farbe auch negativ konnotiert verwendet wird? Wenn man die Logik der Negerküsse weiter übertragen würde, dürfte bald auch kein Schwarz-Weiß-Gebäck mehr verkauft werden, denn auch hier würde die Bezeichnung einer Hautfarbe auf Lebensmittel angewendet, so dass diese Kekse wohl besser in Kakao-Vanille-Muster-Gebäck umbenannt werden sollten? Letztlich dürfte es dann die Bezeichnung Schwarzarbeit auch bald nicht mehr geben und man müsste diesen Terminus durch ein politisch korrektes Wortungetüm ersetzen. Wo kann und sollte man da eine sinnvolle Grenze ziehen?
Letztlich täte manch andere Aktion gegen Rassismus weit mehr Not. Ich behaupte auch, dass es weit effektivere Maßnahmen gegen Rassismus gäbe, deren Erwähnung hier zu weit vom eigentlichen Thema weg führen würde. Letztlich ist so etwas immer eine Aktion auf der Ebene von Worthülsen. Um mal ein wenig eine Parallele zu ziehen, die nicht so vermint ist: Vor einiger Zeit hat eine Universität beschlossen, dass alle Mitglieder der Hochschule, auch die Männer, pauschal nur noch mit dem weiblichen Begriff angeredet werden dürfen. An der Gleichstellung von Frau und Mann wird bislang kaum entscheidend was geändert haben. Solche Wortfrisierereien halte ich nur für Kosmetik, die tieferliegende Probleme leicht beschönigen und so unsichtbar machen, statt ins Bewusstsein zu rücken.
Auf jeden Fall sollte man hier offen diskutieren, inwiefern dieser Politiker eine Einzelmeinung vertritt, oder ob hier breite Schichten der Betroffenen auch diese Meinung teilen.
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