Häftlingsbordelle in Konzentrationslagern

vom 08.01.2014, 04:18 Uhr

Wann immer ich mich geschichtlich mit dem Nationalsozialismus und insbesondere mit Konzentrationslagern beschäftige, komme ich früher oder später zu einem Punkt, den ich absolut nicht begreifen kann. Sicherlich ist es allgemein schwer begreiflich und auch schwer zu ertragen, dass Menschen teilweise völlig willkürlich in großen Mengen einfach ermordet worden sind, und das auch noch von einem politischen System legitimiert und penibel organisiert wurde.

Aber dieses kalte, entmenschlichende Denken gegenüber den KZ-Häftlingen beziehungsweise allgemein gegenüber Regimegegnern oder sonstwie ideologisch verhassten Personen, erscheint mir immerhin halbwegs "logisch", wenn man bedenkt, was für krude Theorien von "Untermenschen", "Herrenmenschen" und sonstigem Schwachsinn die Nationalsozialisten so im Kopf hatten. Wenn bestimmte Menschengruppen als fremd und als ungezieferartig betrachtet werden, dann löst das natürlich die Tötungshemmung und macht einen skrupellosen Massenmord erst möglich.

Was ich aber so gar nicht logisch begreifen kann, ist, wie Häftlinge teilweise auch andere Häftlinge schädigen konnten, obwohl sie ja eigentlich "im gleichen Boot" saßen. Ich meine nicht, dass es Prügeleien um Nahrungsmittel gegeben hat, auch nicht Diebstähle und Raub. Dass hungernde, sogar verhungernde, Menschen um ihr Leben kämpfen und auch Nahrungsmittel stehlen, das ist nicht verwunderlich. Was mich aber wirklich immer wieder ratlos und sprachlos macht, ist, dass mehrere Konzentrationslager so genannte Häftlingsbordelle hatten.

In diesen Häftlingsbordellen wurden weibliche Häftlinge zur Prostitution gezwungen. Allerdings waren nicht "nur" nicht inhaftierte KZ-Angestellte die "Kunden" oder eher die Vergewaltiger der dort zur Prostitution gezwungenen Frauen, sondern auch männliche KZ-Häftlinge nutzten diese Bordelle. So kam es vor, dass einzelnen Häftlingen für eine Kooperation Bordellbesuche im Häftlingsbordell erlaubt worden sind. Es diente quasi als Anreiz für bestimmte Verhaltensweisen, für disziplinierte Arbeit oder auch für das Denunzieren anderer Gefangener.

Was ich einfach nicht begreifen kann, ist, wie diese männlichen Häftlinge das Bordell nutzen konnten, obwohl völlig klar war, dass die Frauen dort ebenfalls Häftlinge waren, und dass sie zur Prostitution gezwungen wurden. Ich finde das aus moralischer Sicht vollkommen widerlich, und Zwangsprostitution ist in meinen Augen nichts Anderes als organisierte regelmäßige Vergewaltigung. Wie kann ein Mann das bedenkenlos nutzen? Wieso gab es keine Skrupel? Beziehungsweise wird es sicherlich auch Häftlinge gegeben haben, die Bordellbesuche dort ablehnten, aber es scheint ja auch noch genügend gegeben zu haben, die dort gewissenlos hingingen. Gibt es vielleicht Untersuchungen darüber, was für Männer dort waren und vielleicht auch darüber, wie viele der Häftlinge die Häftlingsbordelle strikt ablehnten?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Die Männer, die diese Dienste in Anspruch nahmen waren ja vor allem "Funktionshäftlinge", also Menschen die sich schon außerhalb ihrer Leute gestellt haben, die andere Häftlinge zur Arbeit antrieben, sie denunzierten und selbst Strafen ausführten. Solche Menschen, die ihre eigenen Leute verraten, interessieren sich kaum für fremde Frauen.

Für die meisten Häftlinge war der Bordellbesuch sowieso verwehrt, aber viele sagten später aus dass diese Bordelle für sie keinerlei Bedeutung hatten. Sie waren da aber man wäre nicht auf die Idee gekommen sie zu nutzen, selbst wenn man es gedurft hätte. Problematisch ist, dass alle Informationen nur im Nachhinein eruiert werden können. Niemand würde zugeben so ein Bordell besucht zu haben, genau wie die meisten Frauen über ihre Funktion als Lagerprostituierte schwiegen. Das System war so perfide aufgebaut dass später kaum Informationen zu ermitteln waren.

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» Karteileiche » Beiträge: 259 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Man sollte es mal von einer ganz anderen Seite betrachten und vor allem nicht, wie man heute darüber denkt. Die Menschen die ins Konzentrationslager kamen, waren sich sicher, dass sie nicht überleben werden. Trotzdem hat man versucht die geringsten Chancen zu nutzen, um durchzukommen. Würdest du in einer solchen Situation denn anders handeln?

Wenn ich jetzt von mir ausgehen würde, wäre mir mein eigenes Leben dann auch wesentlich wichtiger. Und dann denkt man nicht mehr darüber nach, wie andere Mithäftlinge das eigene Handeln empfinden. Man sucht nur einen Weg, um zu überleben. Und notfalls nimmt man dann eben auch den Tod der anderen dabei in Kauf. Am Ende kommt eben nur der tierische Instinkt zum tragen, den jedes Lebewesen besitzt.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Dem widerspricht aber dass die meisten nicht so gehandelt haben. Viele Häftlinge haben sich ihre Menschlichkeit bewahrt. Es waren auch nicht viele Häftlinge die diese Bordelle in Anspruch nehmen durften, das waren wirklich nur "verdiente Mitarbeiter". Es waren keine Ausländer und keine Juden, und auch unter den Prostituierten waren keine Jüdinnen. Bei den KZ-Bordellen sollte man nicht an die bekannten Lagerinsassen zur Vernichtung denken. Die Funktionshäftlinge die diese Vorzüge in Anspruch nahmen waren andere Häftlinge als die zu tötenden Vernichtungshäftlinge. Die Funktionshäftlinge standen außerhalb jeder Gruppe. Das kann man nicht einfach auf "nach mir die Sintflut" runterbrechen. Eine andere Sache sind die Kapos, aber auch die machen nicht die Norm aus sondern sind Ausnahmen.

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» Karteileiche » Beiträge: 259 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Diese Funktionshäftlinge standen aber schon vor den Sonderrechten außerhalb der Gruppe und das hat man sich zu Nutze gemacht. Wenn sonst niemand mit einem redet, dann schwärzt man eben lieber an, damit man Aufmerksamkeit bekommt. Wer in einem Konzentrationslager bestimmte Funktionen bekam, wurde genau ausgesucht. Entweder hatte man durch vorherige Beobachtungen schon die Informationen, wer dafür geeignet ist oder man hat sie nach der Ankunft dann besonders beobachtet.

Wobei es nicht unbedingt nur die Leute betroffen hat, die wirklich als Außenseiter galten. Auch Leute die sich erst als Führungspersönlichkeiten entwickelt haben, wurden solche Vergünstigungen angeboten. Und nicht selten gab es Fälle, wo man in beide Richtungen gearbeitet hat. Die einen zum eigenen Vorteil und andere, wenn auch seltener um ihr Mithäftlinge zu schützen.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Punktedieb hat geschrieben:Man sollte es mal von einer ganz anderen Seite betrachten und vor allem nicht, wie man heute darüber denkt. Die Menschen die ins Konzentrationslager kamen, waren sich sicher, dass sie nicht überleben werden. Trotzdem hat man versucht die geringsten Chancen zu nutzen, um durchzukommen. Würdest du in einer solchen Situation denn anders handeln?

Es geht hier aber doch nicht um das Überleben! Wenn es darum ginge, anderen Häftlingen das Essen zu stehlen, um nicht zu verhungern, oder sich um Decken zu prügeln, um nicht zu erfrieren, dann kann ich dieses menschentypische Verhalten schon verstehen. Natürlich würden die meisten Menschen das machen, aus ihrem inneren Überlebenstrieb heraus.

Aber das kann man doch nicht mit der Ausnutzung einer Zwangsprostituierten vergleichen. Keiner muss mit irgendeiner Frau Sex haben, um zu überleben. Wenn man keinen Sex hat, stirbt man ja nicht. Und ja, ich finde es normal, dass man um keinen Preis einen anderen Menschen vergewaltigt, wie das eben auch bei Zwangsprostitution der Fall ist. Egal, wie die Rahmenbedingungen aussehen. Notfalls hat man immernoch zwei Hände, die man benutzen kann. Da muss man sich garantiert nicht an einem anderen schutzlosen Menschen vergehen.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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