Hartz IV Bezieher durch Marathonläufe in neue Jobs bringen?
Schon wieder mal gibt es ganz schlaue Expertenvorschläge, wie man die ach so trägen Hartz IV Bezieher in neue Jobs bringen könnte. Das Zauberwort heißt diesmal: Marathonläufe! Dadurch sollen Selbstvertrauen und natürlich jede Menge Energie getankt werden.
Und wie gewohnt gibt es natürlich gleich zwei Lager die darüber heftigst diskutieren. Was haltet ihr denn von dieser Idee, welchem Lager würdet ihr euch zuordnen? Würdet ihr diese Maßnahme begrüßen und befürworten oder eher als Spinnerei und Frechheit einstufen?
Solange da niemand mitmachen muss, ist es doch einfach ein nett gemeintes Angebot. Ich denke mal, dass viele Arbeitslose das sogar sehr begrüßen würden, weil sie sich eine Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio oder Sportverein nicht leisten können. Da freuen die sich doch über ein kostenloses Sportangebot, wo sie andere Menschen treffen und sich sportlich betätigen können.
Vom Psychologischen her haben sie doch Recht. Es tut gut, sich zu bewegen und Erfolge zu erzielen. Im Endeffekt sind Angebote für Jugendliche nichts anderes. Die gibt es auch haufenweise in ärmeren Gegenden. Da können die Kids dann Fußball spielen und es sind keine teuren Mitgliedspreise und Trikots nötig. Da sagt doch auch niemand, dass es eine Frechheit ist, wenn man sich der Jugendlichen annimmt und trainiert.
Vor einiger Zeit wurde ich von einem User dafür gerügt, solche Neuigkeiten aus der BILDzeitung zu verbreiten. Ich nehme an, man versuchte mal wieder, auf dem Rücken der Hartz IV-Empfänger sich die Zeit zu vertreiben. Klar ist Sport eine schöne und gute Sache, aber nur für die Hartz IV-Empfänger? Und ausgerechnet Marathon laufen! Es fehlt nur noch, dass die Hartz IV-Empfänger sich versammeln müssen in Sportkleidung in jeder Ortschaft und einer sie antreibt zum Laufen. Andere stehen am Straßenrand und klatschen Beifall. Ganz toll! Fällt den Verantwortlichen nicht mal etwas Besseres ein? Sie verdienen doch das viele Geld und sollen sich auch endlich mal dafür Gedanken machen, wie sie die Arbeitslosen besser integrieren können.
Wer hat denn diese ganze miese Arbeitssituation geschaffen? Ganz bestimmt nicht die Arbeitslosen.Witzig wäre ja noch, dass diejenigen, die nicht mitmachen wollen ein ärztliches Attest vorlegen müssen. Dann gäbe es viel zu tun für die Ärzte. Aber da es ja freiwillig sein wird, gibt es das nicht. Ich halte Sport als eine gute Voraussetzung, allerdings nur, wenn man dazu in der Lage ist und wenn man wirklich etwas dabei gewinnt. Das könnte ein Herausreißen aus der Lethargie bedeuten. Aber am Ende muss dann auch die Belohnung stehen. Das aber glaube ich in diesen Fällen nicht.
Cid hat geschrieben:Vor einiger Zeit wurde ich von einem User dafür gerügt, solche Neuigkeiten aus der BILDzeitung zu verbreiten.
Man kann viele Quellen im Internet heraus suchen, die darüber berichten, wie zum Beispiel diese hier oder diese hier. Es läuft zur Zeit in allen Nachrichten und auch in den Nachrichtensendern. Im Radio wird alle Stunden davon berichtet. Die Bild hat es natürlich auch aufgegriffen.
Ich weiß nicht, ob ich es gut finden sollte oder nicht. Wenn es nicht nur eine Veranstaltung für Hartz 4 Empfänger ist, sondern man ihnen die Teilnahme nur ermöglicht, in dem man das Startgeld übernimmt und das Training, welches ja auch Geld kostet, finde ich es gut. Wenn es aber nur eine Veranstaltung für Hartz 4ler sein soll, dann finde ich es schon diskriminierend, wenn dann jeder weiß, dass die Leute, die da gerade laufen nur deswegen laufen, weil man sie "gegen das Verlottern" auf die Straße geschickt hat.
Cid hat geschrieben:..., aber nur für die Hartz IV-Empfänger?
Aber sollen denn die Arbeitsämter mit Steuergeldern Marathonläufe für Menschen mit Jobs und Geld organisieren? Wohl kaum. Natürlich könnte man Arbeitslosen die Teilnahme an normalen Marathonläufen ermöglichen. Aber ich glaube kaum, dass sie da mitmachen werden. Denn der Mensch bleibt nun mal lieber unter Seinesgleichen.
Wenn man sich das mal vorstellt, wie man als Langzeitarbeitsloser zu einem normalen Marathon kommt. Zum einen hat man dann das dringende Bedürfnis, nicht in seinen alten Laufklamotten aus den 80ern anzutanzen, weil alle anderen bestimmt neue Sachen anhaben werden. Also Folgekosten. Und wenn man dann jemanden kennenlernt, ist eine der ersten fünf Fragen die nach der Arbeit.
Das ist generell das Problem bei sozialen Kontakten. Man stellt sich vor, vielleicht noch die Frau, dann eine Frage zu der Veranstaltung, auf der man sich gerade kennenlernt und bumm: " Was machen Sie so?". Das ist für Arbeitslose bestimmt super unangenehm. Also ich gehe davon aus, dass Arbeitslose eher weniger zu einem Marathon mit Nicht-Arbeitslosen gehen wollen, um diese Situationen zu vermeiden. So wie in ihrem restlichen Leben auch. Man trifft sich nur noch mit anderen Arbeitslosen oder geht gar nicht aus dem Haus.
Es geht hier doch darum, Langzeitarbeitslose zu motivieren. Die sind noch mal eine ganz andere Sache als Kurzzeitarbeitslose. Die haben oftmals fast keine sozialen Kontakte mehr. Auf Plakate oder Flyer zu regulären Marathonläufen würden sie gar nicht reagieren. Ohne Geld schaut man sich solche Plakate und Flyer nicht an, weil es darauf zu 99 % ums Geldausgeben geht. Also muss die Motivation vom Arbeitsamt ausgehen. Und ich finde nicht, dass es sinnvoll ist, sie gleich ins tiefe Becken zu schubsen. Lieber klein anfangen, im Nicht-Schwimmerbecken.
Ich schrieb, dass Sport eine gut Sache ist. Weiter hätte ich auch schreiben können: ...nicht nur für Arbeitslose, sondern auch für jeden. Dann wäre aber das Fragezeichen entfallen. Denn genau so habe ich es gemeint. Nicht nur Arbeitslose sitzen zu hause rum und bewegen sich wenig, sondern auch andere treiben keinen Sport. Glaubst du wirklich, wenn sich 100 Langzeitarbeitslose aufraffen würden und sich für den Marathon entscheiden, dass nur 10 dieser Menschen anschließend eine vernünftig bezahlte Arbeit bekommen? Sie machen sich Hoffnungen und geben sich Mühe beim Marathon, doch am Ende fallen sie um so tiefer, weil sie keine Arbeit bekommen. So sehe ich das.
Sport ist doch immer eine gute Sache und als Arbeitsloser ist man eben auch schnell mal in einem Tief, dass man sicherlich auch mit Sport umgehen kann. Ich würde nun nicht wollen, dass man dazu gezwungen wird, aber als Maßnahme finde ich es schon sinnvoll. Immerhin tut Sport ja auch gut und ist nicht nur gut für den Geist, sondern auch für den Körper, was man auch als Arbeitsloser brauchen kann. Sport finde ich als Maßnahme nicht wirklich schlimm, ehrlich gesagt.
Arbeitslose brauchen vor allem Arbeit. Viele Langzeitarbeitslose sind krank, oder zu alt um gefragt zu sein. Qualifizierungsmaßnahmen finden nicht statt aber eine "Aktivierungsmaßnahme" nach der anderen. Die älteren Arbeitslosen in Brandenburg haben weder durch Schrittzähler noch durch Bauchtanz eine Arbeit gefunden. Solange Ehrenamt und private Fortbildung (falls man sie sich leisten kann) verboten sind ist es reiner Hohn immer wieder neu das Bild des fetten, faulen Hartzers heraufzubeschwören. Wer Eigeninitiative hemmt aber andererseits dann diese fehlende Initiative bemängelt ist entweder dumm oder skrupellos.
Als Angebot mag die kostenfreie Vorbereitung und Teilnahme an einem Marathon-Lauf ja schon ganz nett sein, jedenfalls für die Arbeitslosen, die sich dafür interessieren. Man sollte sich nur keine Illusionen machen, dass das irgendwie zur Abnahme der hohen Arbeitslosenquote in Deutschland führen würde. Die Probleme liegen jedenfalls woanders, nicht bei der angeblichen und klischeehaften Faulheit der Arbeitslosen.
Ob nun aber ausgerechnet ein Marathonlauf die richtige Idee ist, darüber kann man sich auch streiten. Nicht jeder Mensch ist gesundheitlich in der Lage, so eine große Distanz zu laufen, egal, wie viel Training davor durchgeführt wird. Schließlich gibt es unter den Arbeitslosen auch behinderte Menschen und solche, die an chronischen Krankheiten leiden. Es gibt Arbeitslose mit Herzschwäche, mit einer kaputten Hüfte, geschädigten Knien, oder auch solche, die aus welchen Gründen auch immer übergewichtig sind. Würde das Marathonlaufen zum Zwang werden, würde ich das schon als dreist bezeichnen, weil keineswegs auf den individuellen körperlichen Zustand der Personen geachtet wird. Arbeitslos oder nicht, nicht jeder Mensch ist sportlich oder gesund. Und nicht jeder möchte überhaupt einen Marathon laufen. Allein deswegen finde ich es schon ein wenig seltsam, dass man kein volksnaheres und allgemein beliebteres Beispiel genommen hat, das trotzdem gesund wäre. Beispielsweise das Schwimmen oder auch verschiedene Teamsportarten, an denen viele Leute Spaß haben oder hätten.
Bienenkönigin hat geschrieben:Wenn man sich das mal vorstellt, wie man als Langzeitarbeitsloser zu einem normalen Marathon kommt. Zum einen hat man dann das dringende Bedürfnis, nicht in seinen alten Laufklamotten aus den 80ern anzutanzen, weil alle anderen bestimmt neue Sachen anhaben werden. Also Folgekosten. Und wenn man dann jemanden kennenlernt, ist eine der ersten fünf Fragen die nach der Arbeit. (...) Also ich gehe davon aus, dass Arbeitslose eher weniger zu einem Marathon mit Nicht-Arbeitslosen gehen wollen, um diese Situationen zu vermeiden. So wie in ihrem restlichen Leben auch. Man trifft sich nur noch mit anderen Arbeitslosen oder geht gar nicht aus dem Haus.
Ich weiß nun nicht, ab wann man als Langzeitarbeitsloser gilt, aber ich bin der Meinung, dass das nicht heißen muss, dass man nur vor der Glotze hockt und sich von arbeitenden Menschen abschottet. Auch die Aussage, dass jeder Arbeitslose am Liebsten unter "Seinesgleichen" bliebe, kann ich daher eher anzweifeln. Ich hatte mal eine Kollegin, die mehrere Jahre am Stück ihren körperlich und geistig behindert geborenen Sohn aufzog, und die daher in dem Zeitraum nicht arbeitete. Sie nahm trotzdem am gesellschaftlichen Leben teil, machte Sport, weil ihr das Spaß machte, und irgendwie verlottert sah sie nun auch nicht aus.
Abgesehen davon hätte ich persönlich übrigens auch keine Probleme, Mitmenschen auf ihre Frage nach meinem Beruf zu antworten, dass ich gerade nicht arbeiten würde, wenn dies nun wirklich zutreffend wäre. Sicherlich gibt es Vorurteile gegenüber Arbeitslosen und es dürfte vielleicht sogar stigmatisierend wirken, wenn man zugibt, dass man gerade nicht arbeitet, aber letztendlich ist es wohl auch eine Frage des eigenen Selbstvertrauens, wie man so mit der Situation und mit derartigen Fragen umgeht. Ich kenne Menschen, die waren nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums für ein halbes Jahr und länger arbeitslos, und dennoch wurden sie von ihren Mitmenschen respektiert und konnten, sofern es ihnen finanziell möglich war, auch an "normalen" gesellschaftlichen Tätigkeiten teilnehmen.
Wawa666 hat geschrieben:Ich hatte mal eine Kollegin, die mehrere Jahre am Stück ihren körperlich und geistig behindert geborenen Sohn aufzog, und die daher in dem Zeitraum nicht arbeitete. Sie nahm trotzdem am gesellschaftlichen Leben teil, machte Sport, weil ihr das Spaß machte, und irgendwie verlottert sah sie nun auch nicht aus.
Ich kenne Menschen, die waren nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums für ein halbes Jahr und länger arbeitslos, und dennoch wurden sie von ihren Mitmenschen respektiert und konnten, sofern es ihnen finanziell möglich war, auch an "normalen" gesellschaftlichen Tätigkeiten teilnehmen.
Die Frau ist doch in einer ganz anderen Situation. Da hat doch niemand gleich das Bild des faulen Arbeitslosen im Kopf, wenn sie ihren behinderten Sohn erwähnt. Die ist bestimmt gut beschäftigt den ganzen Tag. Die Frau würde ich auch gar nicht als arbeitslos bezeichnen, sondern als Hausfrau und Mutter. Das ist was ganz anderes. Und die ehemaligen Studenten sind auch keine richtigen Arbeitslosen. Sie haben einen Abschluss gemacht und da nimmt doch jeder an, dass sie aktiv auf der Suche sind und diese Suche halt ein bisschen dauert. Das sind beides gesellschaftlich anerkannte Situationen.
Ein Langzeitarbeitsloser, mit 40 Jahren, ruft aber ein ganz anderes Bild hervor. "Seit 3 Jahren arbeitslos". Da denken doch viele gleich, dass er es nicht richtig versucht. Und wenn dann aus den 3 Jahren vier, fünf und 10 Jahre werden, geht man immer weniger aus dem Haus und nimmt nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teil. Nicht alle, aber ich denke, die Mehrheit.
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