Erwachsenes Kind hält Mutter 'schlechte' Kindheit vor
Ich war gestern etwas perplex, als meine Tante erzählte, dass ihr Sohn sich von ihr abgewendet hat. Er hielt ihr plötzlich eine "schlechte" Kindheit vor. Meine Tante hatte es nie leicht und sie hat zwei Kinder. Sie war schon früh alleinerziehende Mutter, weil der Vater der Kinder, ihr Mann sie verlassen hat. Sie musste immer sehen, wie sie die Kinder und sich über Wasser hielt. So ist sie auch putzen gegangen. Und das nicht nur an einer Stelle. Wenn die Kinder Ferien hatten, egal, ob die letzte Zeit im Kindergarten oder Schule, hatte sie auch keinen, der auf die Kinder aufpassen konnte. Sie wohnte damals auch weiter weg.
So hat sie die Kinder schon mal mitgenommen zu den Putzstellen. Dort konnten die Kinder sich dann in eine Ecke setzen und malen oder ruhig spielen. Sie wollten allerdings eher helfen und so haben sie dann den Müll mal hinaus gebracht oder mit dem Staublappen ein wenig herum gewischt. Und genau das hat der Sohn seiner Mutter nun vorgehalten. Angeblich mussten sie schon als Kind Geld mit verdienen, weil die Mutter es nicht auf die Reihe bekommen hat und sie mussten angeblich immer mit zum Putzen kommen.
Meine Tante war ziemlich erschrocken über diese Aussage, weil sie die Kinder nur nicht alleine lassen wollte und sie diese daher mit genommen hat. Und die Kinder (Zwillinge) damals 7 Jahre alt haben auch freiwillig "geholfen", was man helfen nennen konnte. Denn eine Hilfe waren sie ja so groß auch nicht. Gerade, wenn man irgendwo putzen geht, muss es ja schon doch ordentlicher sein.
Der Bruder von meinem Cousin ist im Ausland und hat dazu auch nichts gesagt. Aber es tut meiner Tante auch sehr weh, weil sie den Kindern wirklich versucht hat so viel wie möglich zu ermöglichen. Die Kinder sind jedes Jahr ins Ferienlager. Der besagte Cousin aber sieht das als "Abschieben", damit seine Mutter die Ruhe hatte.
Kann man davon ausgehen, dass Kinder im Erwachsenenalter es wirklich so sehr anders sehen als im Kindesalter? Die Kinder waren immer glücklich in Urlaub fahren zu können und meine Tante hat sich dafür krumm gelegt um das ihnen zu ermöglichen. Ich muss sagen, dass ich schon ein wenig Angst bekomme, dass meine Kinder mir meinen guten Willen auch mal vorhalten. Muss man denn wirklich so genau schauen, was man Kindern wie ermöglicht und wie die Kinder im Erwachsenenalter darauf reagieren könnten? Mein Cousin ist übrigens 26 Jahre alt.
Ich persönlich glaube, dass da viel mehr dahinter steckt, als es auf dem ersten Blick aussieht. Wegen so einer Kleinigkeit wendet sich niemand von seiner Mutter ab. Möglicherweise war da noch viel mehr, aber die Mutter ist zu stolz es zuzugeben, weil sie Fehler nicht einsehen möchte?
Meine Mutter beispielsweise hat auch so einige Fehler gemacht. Sie hat nie zugehört, mich immer "von oben herab" behandelt, mich ausgelacht oder ignoriert, wenn ich Kummer, Ängste oder Sorgen hatte. Selbst heute, wenn ich versuche, mit ihr über Probleme oder Sorgen zu sprechen kommt meistens so ein Spruch wie: "Du hast doch gar keine Ahnung, was Probleme sind" oder "Du bist noch ein Kind und hast keine Ahnung vom Leben." Ich muss dazu sagen, dass ich fast 25 bin und schon lange kein Kind mehr, auch wenn sie das nicht einsieht. Diese herblassende und gleichzeitig sehr kontrollierende und bevormundende Art und Weise hat mich schon sehr eingeschränkt und da ich im Laufe der Jahre nie eine Besserung gesehen habe, musste ich mich auch von ihr abwenden, um meine psychische Gesundheit zu erhalten.
Ich hatte über die Jahre immer wieder versucht, sie auf ihre Fehler hinzuweisen und das so verständnisvoll und einfühlsam wie möglich. Ich analysierte auch ihre Kindheit und machte ihr klar, dass sie dieselben Fehler macht, die sie ihrer eigenen Mutter früher immer vorgeworfen hat. Ich sagte ihr damals: "Siehst du, du hast dich damals schlecht gefühlt, wenn deine Mutter so zu dir war, warum soll ich mich gut fühlen, wenn du dasselbe bei mir machst?" Es hatte aber alles keinen Zweck. Sie hörte mir einfach nicht zu. Wozu auch, ich war ja in ihren Augen das nie älter werdende Kleinkind.
Ich denke, dass dein Cousin mehrmals versucht haben wird, mit seiner Mutter zu reden und dass da wie gesagt noch viel mehr war, als man als Außenstehender beurteilen und wissen kann. Einfach so wendet man sich nicht von der Mutter ab. Meine Mutter erzählt ja auch überall herum, dass es an mir liegt und dass sie immer alles richtig gemacht hat und dass es praktisch an mir und meinem "kindischen" und "pubertären" Verhalten läge. So ein Unsinn. Manche Menschen machen eben nie Fehler, selbst wenn es Tausende sind.
supermami hat geschrieben:Kann man davon ausgehen, dass Kinder im Erwachsenenalter es wirklich so sehr anders sehen als im Kindesalter?
Ich sehe das wie Olyy173. Wer sagt denn, dass die Mutter das jetzt wahrheitsgetreu sieht? Sie hatte es offenbar nicht leicht. Es wäre ein Wunder, wenn sie das von den Kindern hätte fernhalten können. Aber vielleicht redet sie das im Nachhinein alles klein, so dass sie mit ihren Fehlern leben kann. Die Verantwortung als Elternteil ist so gewaltig, dass viele nicht damit leben könnten, zuzugeben, dass sie dieser Verantwortung nicht ausreichend nachgekommen sind.
Meine Mutter hat vor wenigen Jahren ganz ernsthaft mal den Satz rausgehauen, dass sie ja als Mutter nichts falsch gemacht hätte. Nichts? Das ist vollkommen unmöglich bei 6 Kindern und es war auch definitiv nicht der Fall. Immerhin hat sie zu keines ihrer Kinder ein unbefangenes, ungetrübtes Verhältnis. Wir haben uns (noch) nicht von ihr abgewendet. Aber wie kann man die Vergangenheit so verklären, dass man auf das Ergebnis Nichts kommt?
Ich denke mal, dass deine Tante wirklich versucht hat, ihren Kindern einiges zu ersparen und auch zu gönnen. Aber bei Kindern setzen sich weniger so schöne Momente wie die Ferienlager fest, sondern die Grundstimmung, die zuhause herrschte. Vielleicht hat sie ihnen immer vorgehalten, dass sie so viel arbeiten muss, um ihnen so etwas zu ermöglichen. Und sicher sind die Kinder damals freudig in den Urlaub gefahren. Aber es ist doch okay, wenn man gewisse Erlebnisse aus der Kindheit als Erwachsener, im Nachhinein, mit mehr Wissen anders bewertet.
Das sollte man als Elternteil natürlich im Hinterkopf behalten. Aber es ist doch nicht so, dass du dein Handeln jetzt nur danach abwägst, wie deine Kinder das als Erwachsene sehen könnten. Kinder brauchen vor allem Liebe. Solange man Liebe nicht mit anderen Dingen - wie Ferienlager, Schulbildung auf Teufel komm raus, Bemuttern, Vorbereiten auf das harte Leben oder ähnliches - verwechselt, kann da nicht viel schief gehen.
Du kannst nicht vorhersagen, was für Menschen deine Kinder mal sein werden, welche Einflüsse sie erhalten werden und wie sie dein Verhalten später mal auslegen werden. Vielleicht ist es bei deinem Cousin auch nur eine späte Abnabelungsphase. Man kann das nicht planen. Man kann nur sein Bestes tun.
Meine Mutter hat mal im Nachhinein ihr schlechtes Gewissen geäußert, weil sie mit ihrem Lebensgefährten zwei Mal im Jahr in Urlaub gefahren ist. Meine Mutter ist nicht konsequent; in einem Moment hat sie nie einen Fehler gemacht und im nächsten Moment äußert sie so etwas. Aber ihre Urlaube und dass sie uns da alleine gelassen hätte, steht gar nicht auf der Liste der Dinge, die wir ihr vorwerfen. Das haben wir ihr alle gegönnt.
Ob es wirklich so gewesen ist, wie nun Tante und auch Cousin behaupten, kannst du doch gar nicht wissen. Daher sollte man nun nicht einfach den Cousin verurteilen. Ich selbst war auch viel bei meinen Eltern bei der Arbeit. War auch kein Wunder, da unsere Wohnung genau über der Arbeitsstelle meiner Eltern lag. Da habe ich auch Aufgaben erledigt, die eben in den Arbeitsbereich meiner Mutter gefallen sind. Meist habe ich dies von mir aus so gewollt. Es gab aber auch Situationen, wo meine Mutter gefragt hat, ob ich das denn übernehmen würde.
Das würde ich aber meiner Mutter heute nie vorwerfen. Auch, dass ich das Abendessen bereitet habe, wenn beide Eltern in der Spätschicht waren, ist mir keinen Vorwurf wert. Auch wenn ich damals dazu verpflichtet wurde. Dafür haben mir meine Eltern viele andere Dinge ermöglicht, wovon sonst Kinder damals nur träumen konnten.
Und selbst wenn deine Tante ihre Kinder gebeten hat, dass sie eben den Müll rausbringen auf der Putzstelle, so haben sie doch dann mit Sicherheit am Ende ein wenig mehr Zeit mit der Mutter gehabt. Aber solche negativen Erlebnisse prägen sich eben mehr ein, als die positiven Dinge. Das ist recht normal und kommt nicht nur bei Kindern vor.
Ich denke, dass man irgendwann im Leben anfängt, sich zu vergleichen und das auch in Bezug auf die Kindheit. Wie war meine Kindheit? Wie sind andere aufgewachsen? Wer hatte es besser? Und ich könnte mir denken, dass jemand, dessen Mutter es nicht leicht hatte, dann eher zu dem Schluss kommt, dass das Leben für ihn als Kind auch weniger annehmlich war.
Auch das mit dem Ferienlager ist so eine Sache. Nicht jedes Kind geht da gerne hin, es gibt auch Kinder, die mögen das gar nicht und denen erscheint das Ferienlager dann wie ein Abschieben. Vielleicht wirkten die Kinder nicht unglücklich damit, weil sie sich nicht getraut haben, zu sagen, dass sie nicht in das Ferienlager möchten? Dieser gute Willen, den Du beschriebst, kann ja mitunter nach hinten los gehen, wenn man die Kinder zu etwas nötigt, was man selber als toll ansieht, was die Kinder aber vielleicht gar nicht wollen. Viele stecken ihre Kinder ja auch in irgendwelche Musikkurse usw. und fragen nicht danach, ob die das wirklich wollen und die Kleinen wiederum artikulieren ihre Abneigung dagegen nicht richtig.
Mitunter projizieren Eltern auch ihre Wertvorstellungen und Hobbys auf ihre Kinder und kommen gar nicht auf die Idee, dass die Kinder das anders sehen könnten. Mein Vater etwa geht total gerne wandern und hat mich als Kind da mitgeschleift. Dass ich da keine Freude dran hatte, konnte er nicht verstehen, weil für ihn Wandern etwas Schönes war. Für mich war das immer ein versauter Tag, wenn ich raus musste.
Eltern können leider keinen Einfluss darauf nehmen wie ihre Kinder Situationen später einschätzen. Wie schon geschrieben ist es oft das "Gesamtbild", die "Grundfärbung" des Zusammenlebens die später beeinflussen wie das Kind später urteilt und an welche Episoden es sich erinnert. Auch dass die gleiche Situation von den Eltern und den Kindern gänzlich unterschiedlich interpretiert werden ist nicht unnormal.
Es geht auch andersherum. Meine Brüder die sämtlich wesentlich älter als ich sind haben früher nie ein gutes Haar an meinen Eltern gelassen, immer gab es Streit und böse Worte und es wurde sogar der Tod meiner Eltern herbeigesehnt um sie beerben zu können. Als meine Brüder dann ausgezogen waren änderte sich ihr Bild immer weiter ins Positive. Als meine Eltern starben waren meine Brüder untröstlich. Obwohl wir im gleichen Elternhaus aufgewachsen waren und wirklich sehr viel im Argen lag hätte man Jahre später meinen können wir wären in verschiedenen Familien aufgewachsen.
In den Augen meiner Brüder war alles nur noch eitel Sonnenschein. Hier haben spätere Erfahrungen mit der eigenen Familie die Einschätzung der Lage verändert und es wurde sich mehr an die guten Erlebnisse erinnert und früher negativ bewertetes Verhalten der Eltern später positiv umgedeutet.
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