Ist der Mensch weniger wert, als der Braunkohletagebau?

vom 19.12.2013, 00:11 Uhr

Gegen die von der öffentlichen Hand enteigneten Grundstücke für den Braunkohltagebau, hat das Bundesverfassungsgericht keinerlei Bedenken. Der Braunkohletagebau Garzweiler II ist somit genehmigt. Das heißt für die Menschen von 13 Dörfern, dass sie ihre angestammte Heimat verlassen müssen und anderweitig angesiedelt werden. In einer Landschaft, die nicht ihre Heimat ist und in der sie nicht wohnen wollen, sondern müssen. In diesen Dörfern lebten bis jetzt 7.800 Menschen. Menschen, die hier geboren wurden, die hier die glücklichsten Tage ihres bisherigen Lebens verbrachten, Menschen, die hier begraben sind. Nun müssen sie aus ihren gewachsenen Dörfern raus.

Und wozu das alles? Ist die Braunkohle wirklich so viel mehr wert, als diese Menschen? Ist der Braunkohletagebau hier wirklich so dringend nötig? Warum wird so viel Braunkohle benötigt? Ich dachte, der Kohleabbau würde eingeschränkt, liege ich da falsch? Hier wird die ganze Natur verschandelt, denn die Braunkohle liegt 200 Meter unter der Erde, also nicht ideal für den Abbau.

Wie ich gelesen habe, ist der Braunkohletagebau teurer, als wenn die Kohle von anderen Staaten angekauft würde. Warum tut man sich das an? Welchen Grund hat RWE, um jährlich 45 Millionen Tonnen dieser Kohle zu fördern? Angeblich auch nur noch gut 30 Jahre.

Die Zechen werden nach und nach stillgelegt. Aber ich glaube, in einer Zeche wird nur Steinkohle gefördert, oder? Auch das Zufüllen der einzelnen Zechenstollen kostet massenhaft Geld. Aber auch anderswo in Deutschland gibt es Probleme mit dem Kohleabbau, nicht nur im Ruhrgebiet.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Ich habe das Thema gestern teilweise im Fernsehen verfolgt. Die Klage eines Mannes lief ja nun schon über Jahre. Es wird also nicht einfach enteignet, sondern man macht den Leuten Angebote. Das geht soweit, dass man die Orte quasi an der neuen Stelle so aufbaut wie es die Menschen gewohnt sind. Nachbarn und Freunde können also weiterhin so zusammenleben, wie bisher.

Und ehrlich gesagt bin ich der Meinung, dass wirtschaftliche Interessen, wo viele Menschen einen Nutzen haben, grundsätzlich Vorrang haben müssen. Immerhin sind mir auch andere Fälle bekannt, wo die Bewohner eines Dorfes durch ihre Verweigerung schon viel wirtschaftlichen Schaden in einer Region angerichtet haben. Dass da die Stadt und auch das Land nie geklagt haben, wundert mich schon lange.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Das Problem, dass man Menschen aus ihren Häusern vertreibt, um diese abzureißen und stattdessen irgendetwas Anderes dorthin zu bauen, gibt es ja nicht nur beim Bergbau. Auch für den Flughafen "Berlin-Brandenburg-International" nahe Berlin wurden mehrere Dörfer komplett planiert. Die Anwohner hat man davor natürlich von dort weggeschickt. Einige hatten sich wohl auch verbarrikadiert, weil sie nicht gehen wollten, aber dann rückte eben die Polizei an. Der Staat sitzt gesetzlich in solchen Situationen auf jeden Fall am längeren Hebel. Sofern irgendwie begründbar ist, dass die Häuser weg müssen, lässt sich das von staatlicher Seite leider immer durchsetzen. Dabei muss es nicht einmal um Bergbau gehen, sondern es können auch viel banalere Dinge vorliegen.

Die Sache mit dem Flughafen hatte ich ja schon genannt. Beim Bau von Bahnhöfen soll es dasselbe Vorgehen geben. Und ich habe es sogar schon erlebt, dass Menschen von einer Fläche vertrieben wurden, wo sie zuvor gut 100 Jahre in ihren eigenen Häusern gelebt hatten, nur, weil diese Fläche ursprünglich mal als Gewerbefläche gedacht war und die Häuser nur "ausnahmsweise" aus welchen Gründen auch immer mal dorthin gebaut worden sind. Man argumentierte dann damit, dass diese Bebauung also eigentlich gar nicht hätte sein dürfen, warf die Hausbesitzer raus, und riss dann alle Häuser, in dem gesamten Gebiet um die 75 Stück, einfach ab. Die Begründung war, man brauche das Grundstück für ein Industriegebiet, das sei zur Verbesserung des Bezirks als Industriestandort einfach unerlässlich. Das alles fiel denen ein, nachdem dort 100 Jahre eine Eigenheim-Siedlung bestand.

Und weißt Du, was sich danach dort getan hat? Nichts! Die Fläche liegt jetzt noch brach, mittlerweile wachsen wieder Gras, Wildblumen und Sträucher darauf. Seit über fünf Jahren sind die Leute, die dort teilweise ihr gesamtes Leben verbracht hatten, vertrieben worden, und das offenbar für nichts und wieder nichts. Ich habe keine private Verbindung zu den Grundstücken, die dort mal waren, aber dieses Verhalten ärgert mich trotzdem sehr. Da lebten viele alte Menschen, teilweise 70-Jährige und auch Ältere. Diese Leute aus ihrem Haus zu scheuchen, ist ja schon schlimm genug, aber wenn das dann auch noch völlig vergeblich erscheint, ist das meiner Meinung nach ein guter Grund zur Aufregung.

Und solche Fälle habe ich in verschiedensten Gegenden Deutschlands schon mehrfach mitbekommen. Ein weiteres Erlebnis war, wie mal eine Wohnsiedlung planiert wurde, und danach an der Stelle ein Baumarkt mit riesigem Parkplatz entstand. Es wurden sogar auch schon einmal in der Nähe eines Flughafens mehrere Einfamilienhäuser und ein kleines Wäldchen abgerissen, um dort ein angeblich für den Flughafen ach wie wichtiges Parkhaus zu bauen. Das Parkhaus blieb übrigens immer halb leer, weil es eigentlich niemand brauchte, und schon gar nicht in der Größe, in der es gebaut worden war.

Wie man sieht, werden Menschen von staatlicher Seite aus den teilweise hirnrissigsten Gründen aus ihren Häusern gescheucht. Dass das auch bei Tagebauen, die vermutlich sowieso nur einige Jahre genutzt werden, der Fall ist, wundert mich leider gar nicht.

Übrigens halte ich auch das Nachbauen des Dorfes an anderer Stelle für keine ideale Lösung. Auch ein Nachbau ist doch nicht genau dasselbe, wie vorher. Und auch der Neubau und der Umzug bedeuten gerade für alte Menschen viel Stress. Daher sollte man wirklich immer gut bedenken, ob Umsiedlungen oder das Abreißen von Wohngebieten wirklich zwingend notwendig ist, oder ob man nicht eine andere Lösung finden kann. Ich habe leider wirklich den Eindruck, dass man sich teilweise kaum Gedanken darüber macht. Stadtplanern kann es vermutlich auch egal sein, wenn sie auf der Landkarte Dörfer umplatzieren oder entfernen. Die Leidtragenden sind die Menschen, die dort leben.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Naja so wie du das beschreibst, müsste man denken, dass es wie in Kriegszeiten abläuft, wo man gerade das Nötigste zusammenpacken konnte. Aber so ist es nun mal nicht. Man verhandelt schon recht lange mit den Leuten und macht sehr viele Zugeständnisse bis man wirklich enteignet. Das Problem liegt dann oftmals eher in der Habgier der Menschen, dass sie zu hohe Ansprüche stellen.

Mir sind da Fälle bekannt, wo man ein Vielfaches der regulären Grundstückspreise rausschlagen wollte. Dass man mit diesen Forderungen nicht durchkommt, sollte wohl vorher klar sein. Aber wenn ich mit meinen ganzen Bekannten geschlossen umsiedeln kann, hätte ich da kein Problem damit. Immerhin muss man sich um die Kosten dabei keine Sorgen machen, da dies ja komplett übernommen wird. Am Ende packt man nur selbst und richtet dann die neue Bleibe einfach nur ein.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Sicherlich wird bei einer Zwangsumsiedlung verhandelt und gefeilscht. Wer das nicht versuchen würde, wäre dumm. Allerdings sollte man auch sehen, dass sie in eine ganz andere Gegend umgesiedelt werden, wo nicht jeder Busch und Strauch oder Baum so ist, wie der einst selbst gepflanzte. Und die Menschen ab gewissem Alter finden sich in der neuen Umgebung auch nicht mehr so gut zu recht.

Du sprichst von Habgier, Punktedieb. Aber ich kann auch verstehen, dass diese Menschen sehr traurig und depressiv sind und sich sagen, wenn die uns einfach umsiedeln, sollen sie auch bluten.

Da hast du recht, Wawa666, der Staat sitzt am längeren Hebel. Wenn die Stadtplaner etwas durchsetzen wollen, tun sie es, ohne Rücksicht und ohne Mitgefühl. Weißt du, wenn es um einen wirklich benötigten Bahnhof geht und es ist nicht möglich, ihn anderweitig aufzubauen, kann ich das noch verstehen. Aber wenn sie Häuser abreißen lassen wegen eines Industriegebietes, das dann nicht dort entsteht, empfinde ich das als Kündigungsgrund für die Stadtplaner.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Ich denke auch nicht, dass es um Habgier geht. Sicher werden teilweise hohe Entschädigungszahlungen angeboten, aber es gibt ja für viele Menschen auch noch emotionale Bindungen an einen bestimmten Ort. Die lassen sich auch durch kein Geld der Welt einfach "wegkaufen". Gerade, wenn man Jahrzehnte an einem Ort gelebt hat, fühlt man sich dort doch oft zuhause und will auch gar nicht mehr weg. Sogar, wenn die Häuser identisch wieder anderswo nachgebaut würden, die Landschaft ist eben doch anders, die Distanz zur nächsten Stadt, die Umgebung, die Pflanzen. Es ist eben doch nicht genau dasselbe.

Und wenn sich aus diesen Gründen Menschen weigern, wegzuziehen, dann rückt tatsächlich die Polizei an und räumt das Haus mit Gewalt. Viel Zeit wird den Bewohnern dann wohl auch nicht mehr gegeben, um ihre Sachen wegzuräumen.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ja, aber es ist eben ein langer Prozess, bis wirklich die Staatsgewalt zum tragen kommt. Und das sollte man dabei auch nicht vergessen, wenn solche Dinge durch die Medien gehen. Immerhin wurde in diesem einen Fall schon seit Jahren vor den Gerichten gekämpft. Es ist also nicht so, dass man heute eine Verhandlung zu einem Grundstück als gescheitert erklärt und morgen schon die Polizei vor der Tür steht.

Und am Ende sollte man eben auch den wirtschaftlichen Aspekt sehen. Wie gesagt, ist mir ein Beispiel von einer Flughafenerweiterung bekannt. Diese konnte bis heute nicht vorgenommen werden und dieser Flughafen hätte damit eine Chance endlich mal wirtschaftlich zu arbeiten. Denn man schreibt dort seit Jahren rote Zahlen. Im Moment ist er einfach zu klein, um da finanziell auf gesunden Füßen zu stehen.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



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