Arme und Arbeitslose bei Bundestagswahl benachteiligt?

vom 12.12.2013, 17:55 Uhr

Ich bin auf eine Nachrichtenmeldung gestoßen, in der behauptet wird, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen bei politischen Wahlen benachteiligt seien. Dies treffe auf Arbeitslose, Menschen mit geringerer Schulbildung oder sogar auf "Menschen mit geringer Kaufkraft", also arme Menschen, zu. Ein Politologe des Max-Planck-Institutes für Gesellschaftsforschung bezeichnet die Bundestagswahlen deswegen sogar als "sozial prekär".

Wie man darauf kommt, dass ärmere oder wenig gebildete Menschen bei der Wahl benachteiligt werden, obwohl sie ja genauso eine Stimme zur Verfügung haben, wie jeder andere Mensch auch? Dies wird daran festgemacht, dass unter Armen, Arbeitslosen und Menschen mit niedrigem Schulabschluss die Wahlbeteiligung viel niedriger sei, als bei Leuten mit höherem Einkommen, Abitur oder abgeschlossenem Studium, und allgemein unter Berufstätigen.

Da habe ich erst einmal gestaunt. Wie kann von einer Benachteiligung die Rede sein, wenn bestimmte Personengruppen offenbar ihr Wahlrecht einfach nicht nutzen wollen? Es hält sie ja niemand davon ab, wählen zu gehen. Offenbar scheint einfach kein Interesse daran vorhanden zu sein. Umso seltsamer finde ich es, dass man Maßnahmen gegen diese "Benachteiligung" entwickeln möchte. Wie sollen diese aussehen? Es ist ja nicht so, dass man nicht auch heute schon Politikunterricht an den Schulen hätte. Nur, wer nicht wählen will, der geht eben nicht hin. Bei Desinteresse hilft auch keine bessere politische Bildung. Aber welche Anreize sollte man denn überhaupt auch schaffen, damit mehr Menschen aus dieser Schicht wählen gehen? Sollte man ihnen etwa dafür Belohnungen schenken, finanzielle Vergütungen? Das wäre absolut unfair gegenüber anderen Menschen, die vielleicht ihr Abitur gemacht haben und berufstätig sind, die dann nicht extra etwas dafür bekommen, wenn sie wählen gehen.

Ich kann über diese ganze Sache irgendwie nur den Kopf schütteln. Benachteiligung ist es für mich, wenn Menschen aufgrund persönlicher Aspekte von bestimmten Dingen gegen ihren Willen ausgeschlossen werden. Eine geringe Wahlbeteiligung bei Arbeitslosen fällt für mich definitiv nicht in diese Kategorie. Einige Menschen mögen zwar durch ihre familiäre Situation wenig Zeit haben, aber dass ein armer Arbeitsloser mit schlechtem Schulabschluss es einfach nicht schaffen könnte, am Wahlsonntag mal schnell zu seinem Wahllokal zu gehen und paar Kreuzchen zu machen, halte ich ehrlich gesagt für ziemlich unwahrscheinlich. Wenn er nicht wählen geht, dann aus eigener Entscheidung heraus.

Oder sehe ich das jetzt völlig falsch? Erkennt Ihr im genannten Beispiel eine Benachteiligung armer Menschen? Was könnte oder sollte man denn tun, um diese Benachteiligung zu verhindern?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Von Benachteiligung habe ich diesbezüglich noch nichts gelesen. Das sagt auch die Studie nicht. Sie stellt nur fest, dass Menschen mit weniger Bildung und aus prekären Verhältnissen seltener nur Wahl gehen und daher in der Regierung auch weniger repräsentiert sind und dadurch ihre Interessen wahrscheinlich weniger vertreten werden. Das ist Besorgnis erregend und man kann sich ja durchaus Gedanken darüber machen, warum sich diese Leute selber ausschließen. Es ist wichtig, dass sie aus ihrer Lage herauskommen und die Schere nicht immer weiter auseinander klafft.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich kann mir schon vorstellen, dass man mit einem schlechten Bildungsstand auch kein Interesse an der Politik entwickeln kann, weil man es schlichtweg nicht versteht um was es da genau geht und was wer machen will. Natürlich gibt es auch politischen Unterricht, aber dieser ist noch trockener gestaltet, als die Sache an sich. Man müsste es auch irgendwie mit einem modernen Bezug gestalten und vielleicht auch an aktuellen Wahlprogrammen. Solchen Unterricht müsste man meiner Meinung nach besser und einfacher gestalten, damit die Schüler wissen, dass sie wählen müssen und was sie wählen können.

Geringe Bildung ist nun mal auch bei Leuten verbreitet, die arm sind. Wenn man viel verdient ist meistens auch der Bildungsstand höher. Ich denke also, dass man als armer Mensch einfach nur einen geringeren Bildungsstand hat, pauschal gesagt. Einzelbeispiele gibt es natürlich auch in anderer Richtung, aber bei der Masse ist das nun mal so. Ich finde es nun auch nicht schlimm etwas an der Politikbildung tun zu wollen. Politik muss für jeden durchsichtig gemacht werden und nicht ein rotes Tuch sein. Immerhin geht es ja um jeden einzelnen Bürger im Land.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Die Studie habe ich mittlerweile auch selber noch einmal im Detail durchgelesen. Tatsächlich ist darin selbst nichts von einer Benachteiligung zu lesen. Einige Nachrichtenmeldungen haben die Studie allerdings so interpretiert. Leider habe ich meinen Browser-Verlauf bereits gelöscht und weiß nicht mehr genau, auf welcher Nachrichtenseite ich das gelesen habe. Ich habe eben noch kurz einmal eine Suchmaschine angeworfen, da finde ich leider die besagten Artikel nicht mehr.

Stattdessen nur zwei Artikel, die aber auch wieder so wirken, als sei das System an sich schlecht oder schuldig an der geringen Wahlbeteiligung der Menschen aus den unteren Schichten. So heißt es bei Spiegel Online, Deutschland sei eine "Zwei-Klassen-Demokratie". Der Kölner Stadtanzeiger schreibt, dass Menschen mit geringer Bildung die "Verlierer der Demokratie" seien und "auf der Strecke" blieben.

Vielleicht interpretiere ich das auch falsch, aber das klingt sehr passiv und gewissermaßen auch nach einer Opferrolle. Aber wenn man sich selber entscheidet, aus welchen Gründen auch immer, sein Wahlrecht nicht in Anspruch zu nehmen, dann kann man, wenn man letztendlich eben ohne Stimmabgabe politisch keinen Einfluss hat, auch schlecht behaupten, man sei ein Opfer. Ich sehe das jedenfalls so. Gerade "Verlierer der Demokratie" klingt so, als sei das Wahlsystem Schuld. Und "Zwei-Klassen-Demokratie" klingt für mich, als schließe das demokratische System Menschen aufgrund ihrer sozialen Schicht aus. Verstehst Du, was ich meine? Wobei ich der Fairness halber sagen muss, dass in den oben genannten Artikeln die ganze Problematik zumindest im Verlauf des Textes näher erläutert wird und es nicht nur um Schuldzuschreibungen geht. Aber es sind schon Begriffe und Schlagworte drin, die meiner Meinung nach den Kern der Sache nicht ganz treffen.

Dass die geringe Wahlbeteiligung ein Problem ist, verstehe ich ja. Ganz allgemein ist das eine schwierige Sache, und wenn ganze Bevölkerungsschichten sich kaum politisch beteiligen, ist das natürlich auch nicht ideal. Natürlich muss man sich Gedanken machen, wieso einige Leute nicht wählen gehen. Gründe kann es viele geben, sei es tatsächlich einfach nur Desinteresse, oder aber auch Resignation oder vielleicht auch mangelnde Information. Oder vielleicht auch mangelndes Selbstvertrauen in die eigene politische Entscheidungsfähigkeit. Mir ging es hier wirklich nur um einige Medien, die nun gleich wieder die Opferrolle herausgekramt haben. Was ja nun bei der Lösung des Problems auch nicht im Geringsten weiterhilft.

Ramones hat geschrieben:Natürlich gibt es auch politischen Unterricht, aber dieser ist noch trockener gestaltet, als die Sache an sich. Man müsste es auch irgendwie mit einem modernen Bezug gestalten und vielleicht auch an aktuellen Wahlprogrammen.

Ich arbeite ja nun gewissermaßen auch im politischen Bildungsbereich. Ich bin zwar kein Schullehrer, aber durch meine letzten Beschäftigungen habe ich durchaus einige Politik- und Geschichtslehrer getroffen. Ich hatte schon den Eindruck, dass gerade auf Hauptschulen heute sehr wenig Historisches behandelt wird, und man den Fokus schon eher auf aktuelle Themen legt. Also die Wahlprogramme der Parteien und das aktuelle Wahlsystem stehen da schon im Mittelpunkt. Wobei ich nicht sagen kann, ob das in ganz Deutschland so ist. Nur bei den Haupt- und teilweise auch den Realschulen der Region hier habe ich bemerkt, dass im Politikunterricht eigentlich aktuelle Themen den Schwerpunkt ausmachen.

Da ist ein größeres Problem vermutlich eher, ob die Schüler denn auch interessiert sind, hinzuhören. Wenn das Interesse aus Prinzip fehlt, dann hilft auch der modernste Unterricht leider nichts. Es gibt leider wirklich Schüler, die schalten in der Schule komplett ab, da fehlen schon die Grundlagen, die einen funktionierenden Unterricht ermöglichen würden.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



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