Dürftet ihr im Notfall eure Arbeit verlassen?

Der Mann meiner Freundin hat vor einiger Zeit in der Firma einen Anruf bekommen, dass meine Freundin mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gefahren wurde. Sie hat im 5. Monat Wehen gehabt und hat auch trauriger Weise das Baby verloren. Der Mann durfte aber die Arbeit nicht verlassen. Alles Bitten und Betteln beim Chef hat nicht geholfen. Er musste die vier Stunden noch arbeiten und konnte erst nach Feierabend seiner Frau beistehen.

Ich fand das ziemlich schrecklich und mein Mann darf die Arbeit verlassen, wenn ein Notfall besteht. Dürftet ihr eure Arbeit im Notfall verlassen? Denkt ihr, dass ein Chef in dem Falle doch ein wenig auch moralisch verpflichtet ist? Schließlich hat er ja auch irgendwie eine Pflicht seinen Mitarbeitern gegenüber und wenn nun mal ein Notfall ist? Wie hättet ihr an der Stelle des Mannes meiner Freundin reagiert? Wärt ihr einfach gegangen?

Bei uns auf der Arbeit ist das überhaupt kein Problem, da wird nicht einmal etwas gesagt, wenn man einfach geht und sich von unterwegs mit dem Handy erst meldet. Ich musste das leider auch schon mehrmals in Anspruch nehmen. Da ist meine Geschäftsleitung sehr kulant und ich habe noch nie von einem Kollegen gegenteiliges gehört.

Wenn ich nicht gerade in einer Sitzung bin -wo das Handy aber eh aus ist-, dann hat man durchaus Verständnis für Notsituationen und findet Lösungen wie beispielsweise einen Ersatz für mich. Ich finde auch, dass das so sein sollte und ich bin auch ganz ehrlich, wenn es in meinem Privatleben einen Notfall geben würde, dann gäbe es nichts, was mich auf meiner Arbeit halten könnte. Arbeit ist ersetzbar, die vom Notfall betroffenen Menschen nicht.

Arbeit ist ersetzbar, die vom Notfall betroffenen Menschen nicht.

Das sehe ich genauso und deswegen hätte ich entgegen der Aussage des Chefs vom Mann deiner Freundin die Arbeit verlassen. Auch wenn ich danach mit personellen Konsequenzen hätte rechnen müssen, so hätte ich an seiner Stelle bei meiner Partnerin sein wollen, wenn die ins Krankenhaus eingeliefert wird und im Begriff ist ihr Baby zu verlieren. Ich muss auch sagen, dass mir jegliches Verständnis dafür fehlt, dass der Chef ihn nicht hat gehen lassen. Ich sage mir immer, wenn ich jetzt auf der Stelle tot umfalle oder einen Herzinfarkt habe, dann muss es auch weitergehen. Es hätte ja auch passieren können, dass der Mann in der Arbeit schwer stürzt und selbst ins Krankenhaus muss, hätte er dann auch nicht gehen dürfen?

Bei mir auf der Arbeit kann man immer mit seinem Vorgesetzten reden, wenn ein wichtiger privater Zwischenfall ist. Ich selbst hatte so einen letzte Woche als ich meinen Freund wegen einer dummen Geschichte von der Polizei abholen musste. Wenn mein Chef mich nicht hätte gehen lassen mittags, dann hätte er bis abends dort gesessen. Aber bei uns geht alles - trotz der riesigen Größe der Firma - kollegial und menschlich zu und wenn privat Not am Mann ist, dann gibt es immer eine Lösung.

[Gio]

Ob ich das dürfte, weiß ich gar nicht, aber ich habe bei anderen oft die Erfahrung gemacht, dass diese während der Arbeit überhaupt nicht erreichbar sind, nicht ans Handy gehen und auch nicht auf SMS reagieren bzw. das Mobiltelefon ganz ausgeschalten haben. D.h. hier wird das mögliche Reagieren auf private Notfallsituationen schon dadurch untergraben, dass derjenige gar nicht erreichbar ist und man somit keine Chance hat, den Notfall überhaupt mitzuteilen.

Ich selbst hab mein Handy an, habe es aber auf Vibrationsalarm gestellt. Man könnte mir also einen Notfall durchaus mitteilen. Das war auch schon mal der Fall, da hatte mich meine Mutter auf Arbeit angerufen, um mir zu sagen, dass meine Oma gestorben war. Da bin ich dann erstmal für zwei Stunden verschwunden, weil ich meine Ruhe brauchte, aber das hab ich heimlich gemacht. Ich hätte mir aber im Nachhinein gewünscht, dass sie mich nicht auf Arbeit abgerufen hätte, weil ich dann die ganze Zeit zu tun hatte, mich zusammenzureißen.

Ich selbst bin ja mein eigener Chef und kann daher auch einfach los, wenn mit meinem Mann etwas ist. Diese Situation hatten wir in diesem Jahr einmal und ich habe halt nur schnell in der Schule angerufen, dass meine Töchter nun nicht Mittags nach Hause kommen können. Das wurde auch ausgerichtet und ich habe sie dann auf dem Rückweg abgeholt.

Umgekehrt darf mein Mann aber im Notfall auch einfach Feierabend machen. Auch diese Situation hatten wir in diesem Frühjahr, dass ich ihn angerufen habe, wegen einer Verletzung am Knöchel. Er hat dann zwar noch die halbe Stunde bis zur regulären Mittagspause gearbeitet, aber hätte eben auch auch sofort nach Hause fahren können.

In einer früheren Firma meines Ex-Mannes ging das nicht. Da hatte die Partnerin in der Nacht das gemeinsame Baby bekommen, wo ja einem Vater auch ein Tag Sonderurlaub zusteht. Da wurde der junge Mann direkt vom Chef gefragt, ob er denn das Kind bekommen hätte oder seine Frau. Damit bräuchte er ja auch den Tag nicht frei. Wobei das kein echter Notfall war, aber ein Mitarbeiter der die Nacht im Krankenhaus verbracht hat, ist für den Arbeitstag allein wegen der Müdigkeit wohl kaum zu gebrauchen.

Ich finde es ziemlich traurig, dass der Chef des Mannes sich hier so quer gestellt hat und den Mann nicht gehen lassen wollte. In so einer Situation sollte man doch so viel Mitgefühl aufbringen und den Angestellten gehen lassen. Immerhin macht dieser sich doch große Sorgen und wird vermutlich auch nicht mehr ganz so konzentriert arbeiten können. Bei meiner Arbeit denke ich schon, dass mein Chef bei einem Notfall Verständnis hätte und mich gehen lassen würde. Ich denke, dass ich an der Stelle des Mannes zähneknirschend geblieben wäre, um den Job nicht zu gefährden.

Dass der Mann aus Deinem Beispiel seiner Partnerin in der schlimmen Situation nicht beistehen konnte, weil sein Chef ihm das Verlassen des Arbeitsplatz nicht erlaubte, finde ich schrecklich. Sicherlich muss ein Unternehmen an seine Rentabilität denken, und daran, dass die Vorgänge auch effizient laufen. Aber für mich persönlich ist Menschlichkeit noch immer wichtiger. Von daher würde ich es einem Angestellten in der Situation definitiv erlauben, zu gehen. Irgendein Ersatz würde sich garantiert finden lassen. Und selbst, wenn die Situation dadurch mal etwas unproduktiver würde, ist das wohl noch kein Weltuntergang. Solche Vorfälle wird es ja wohl nicht täglich geben.

In meinen bisherigen Anstellungen hätte ich übrigens bei Notfällen jederzeit gehen können. Sehr angenehm war diesbezüglich die Atmosphäre in einem Museum, bei dem ich mal mitwirkte. Wobei das vielleicht sogar schon etwas übertrieben war. Denn da gingen manchmal Dinge als "Notfall" durch, die eigentlich nicht im Geringsten kritisch oder gefährlich waren. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, dass einige Kollegen "Notfälle" sehr gerne und regelmäßig nutzen, um sich früher aus dem Staub zu machen und somit einen längeren Feierabend zu genießen. Das fand ich schon ein wenig dreist.

Zumal das Fehlen einiger Leute aufgrund von "Notfällen" dann meistens bedeutete, dass die vor Ort verbliebenen Personen die Arbeit der fehlenden Leute mittragen mussten. Das bedeutete in der Praxis also Mehrarbeit pro Person und zusätzlichen Stress, beispielsweise bei nahenden Terminen. Man sollte also schon auch ein gesundes Mittelmaß finden, wenn es um die Frage geht, was ein Notfall ist, und was nicht, beziehungsweise was für Ereignisse das Verlassen des Arbeitsplatzes rechtfertigen, und welche nicht.

Bei uns ist das gar kein Thema. Wir sind so ein eingespieltes Team, dass bei Ausnahmen eine Person ruhig nach Hause gehen kann und der Rest des Teams ihre Aufgaben übernimmt. So hat das restliche Team zwar einen anstrengenderen Arbeitstag als sonst, allerdings weiß man, dass das Team dasselbe für einen machen würde, weshalb das wirklich kein Thema bei uns ist.

Ich kenne nicht die genaue rechtliche Lage, aber müsste der Arbeitgeber einen nicht sowieso gehen lassen bei einem Notfall? Da ich eine Ausbildung in einem Fortbildungszentrum mache, kann ich bei einem Notfall die Arbeitsstätte verlassen, solange es mein Ausbilder genehmigt. Bei mir ist es auch möglich mal zum Arzt zu gehen oder andere Termine wahrzunehmen.