Warum idealisieren manche Leute die ehemalige DDR?

vom 06.12.2013, 18:42 Uhr

Immer wieder höre ich von Menschen, die sich die ehemalige DDR zurückwünschen. Nach allem was man als Nicht-Bewohner der ehemaligen DDR gehört, in Filmen gesehen und gelesen hat, war es für die meisten Menschen nicht gerade ein Zuckerschlecken. Viele waren froh, als die Grenzen endlich verschwanden und sie sich frei fühlen und bewegen konnten.

Gerade aber jüngere Menschen sind es, die die Zeit in der DDR zurücksehnen. Vielleicht hatten sie im Gegensatz zu anderen ein tolles Umfeld und wenn man Kind ist, bekommt man nicht alles mit oder sie idealisieren etwas, was sie niemals kennengelernt haben und malen sich die Zeiten so aus, wie sie sie gerne gehabt hätten. Ich weiß es nicht und kann das nicht beurteilen. Aber trotzdem frage ich, warum diese reine Idealisierung? Was steckt dahinter?

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Nun ja, es war ja auch nicht immer alles mies und es gab auch durchaus Menschen, die in der DDR gut gelebt haben. Natürlich musste man sich da auch in gewisser Weise anpassen und mitspielen, aber das ging sicherlich auch. Es gab zudem ja auch Leute, die absolut verblendet waren und diese haben auch an ihre Kinder ein Idealbild weitergegeben. Es gibt immer Menschen, die etwas idealisieren, was nicht gut ist, weil sie es einfach anders wahrgenommen haben oder es sich im Nachhinein schön reden.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Die Gegenfrage ist: Warum verteufeln einige die DDR so? Wie Ramones schon sagte, es war nicht alles schlecht. Das darf man auch nicht vergessen.

Zudem habe ich oft das Gefühl, dass Freiheit heutzutage in Deutschland nicht mehr sehr groß geschrieben wird. Bis auf die DDR-Bürger, die damals schon alt genug waren, kennt kaum ein Deutscher den Zustand, nicht frei zu sein. Nicht frei seine Meinung äußern zu können, nicht frei seinen Aufenthaltsort ändern zu können. Daher sehen es viele als Selbstverständlichkeit an, dass wir das können und denken gar nicht darüber nach, wie schrecklich es wäre, diese Freiheit zu verlieren. Da sind Gesundheit und Reichtum wichtiger.

Wobei man es immer wieder aus anderen Teilen der Welt oder in der Vergangenheit sieht, wie viel Menschen schon bereit waren, für die Freiheit aufzugeben und sogar ihr Leben im Kampf darum geben. Und wie unglücklich ein Mensch sein kann, wenn er alles hat, was man sich wünschen kann, außer seiner Freiheit.

Aber in Deutschland sind wir da so verwöhnt, dass wir es nicht mehr als das höchste Gut ansehen. Und dann kann man so ein System wie die DDR schon mal verklären. Denn der ganz große Nachteil war der Freiheitsentzug. Wenn man den unbeachtet lässt, war wirklich einiges von Vorteil.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich denke, viele reden einfach die DDR schön, weil die Zeit eh schon längst verjährt ist. Mit der Zeit verdrängt man die alten Probleme und einige Dinge werden schön geredet, wie zum Beispiel, dass man damals Arbeit hatte. Ich verstehe auch nicht, dass alles so schön geredet wird, denn die Nachteile überwogen damals eindeutig.

» Sternchen* » Beiträge: 2804 » Talkpoints: 2,78 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Wenn man sich die DDR zurück wünscht, dann meist wegen der positiven Dinge. Und da gibt es, im Vergleich zu heute eben doch einige Dinge, wie eben auch die finanzielle Sicherheit. Man musste sich als Frau zum Beispiel nicht überlegen, ob man nach einer Babypause wieder in Arbeit gehen kann oder ob dann die Kündigung kommt. Die Existenzangst, wie sie heute viele Menschen haben, war damals einfach nicht gegeben.

Und ich vermute, dass man sich dabei eben diese Sicherheiten zurück wünscht. Dass man nicht überall hin reisen konnte, ist zwar ein negativer Aspekt gewesen. Aber wer dann heute auf Arbeitslosengeld II angewiesen ist, kann eben auch keine großen Auslandsreisen machen. Diese Leute hinterfragen dann noch viel schneller, ob nicht die DDR wesentlich besser war.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Unter Menschen soll es eine allgemeine Tendenz dazu geben, zurückliegende Dinge positiv zu verklären. Das betrifft nicht nur die Ansichten, die einige Leute über die DDR haben, sondern dasselbe gibt es zu allen Zeiten und an allen Orten. Es gibt auch heute alte Leute, die in der direkten Nachkriegszeit aufgewachsen sind, und die Zeit trotzdem als schön in Erinnerung haben, trotz Hunger und Kälte und möglicherweise einer Unterbringung in überfüllten Flüchtlingsheimen. Ebenso gab es garantiert auch Leute, die in der NS-Zeit aufgewachsen sind und sich positiv an ihre Kindheit und Jugend erinnern, unabhängig von dem, was heute aus der Zeit des Nationalsozialismus bekannt ist und als Allgemeinwissen gilt.

Ich weiß nicht, ob es eine Art Schutzmechanismus des Körpers ist, die Vergangenheit positiv sehen zu wollen. Ich denke aber schon, dass es die Seele gewissermaßen schützt, denn es unterstützt den Menschen dabei, die negativen Seiten zu verarbeiten oder zu vergessen. Beziehungsweise drängen die mit der Zeit in den Hintergrund und kleine positive Erinnerungen überdecken sie. Im Alter, wenn der Körper immer mehr Probleme macht und vielleicht auch weitere psychische Probleme dazukommen, tut es dem Organismus wohl als Gesamtheit ziemlich gut, wenn dann zumindest die Probleme aus der Vergangenheit langsam aus dem Gedächtnis verschwinden.

Es ist ja beispielsweise auch bekannt, dass Opfer von schweren Unfällen oder Verbrechen manchmal automatisch Erinnerungen daran abspalten, um den Körper zu entlasten. Das kann sich dann als Amnesie als Symptom einer posttraumatischen Belastungsstörung äußern, oder aber beispielsweise auch als multiple Persönlichkeitsstörung. Und wenn der Körper negative Erlebnisse direkt nach Vorfällen deutlich, effektiv und eigenständig verdrängen kann, wieso sollte das nicht auf lange Zeit auch bei negativen Erinnerungen, die schon lange zurückliegen, möglich sein?

Außerdem kann ich mir in einigen Fällen auch vorstellen, dass Menschen möglicherweise mit der Zeit einfach vergessen, wie schlimm Dinge waren. Oder dass sie sie sich einfach nicht mehr vorstellen können. Ich kann mir ja heute beispielsweise auch nicht mehr die Schmerzen eines schwereren Unfalls, den ich vor 12 Jahren hatte, vorstellen, obwohl sie damals wirklich schrecklich waren. Und wenn man solche Dinge mit der Zeit vergisst, beziehungsweise sie sich gar nicht mehr vorstellen kann, dann erscheint die Vergangenheit wohl auch allgemein positiver. Denn der starke negative Eindruck des Leids ist einfach nicht mehr Teil der Erinnerung.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Man muss natürlich erst einmal genau definieren was auch wirklich aus realer Sicht positiv in der DDR war. Und es sollte dann auch wirklich real gewesen sein. Eine Busfahrt kostete beispielsweise nur damals 20 oder 10 Pfennig. Allerdings machte der volkseigene Betrieb damit natürlich immer nur Verluste. Für den Fahrgast war es sehr gut, aber es war eben aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht nicht real. Unterhaltungselektronik war beispielsweise sehr teuer und nicht jeder konnte sich es auch leisten. Und gewisse Produkte und Erzeugnisse waren sehr schwer auch erhältlich. Die Zustände entsprachen daher auch damals keinerlei Logik.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Dass das Busfahren vor Jahrzehnten mal 20 Pfennig gekostet hat, ist aber nicht unbedingt eine DDR-typische Sache. Auch in Westdeutschland waren die Preise kaum anders. Leichte Differenzen gab es zwar, aber das Lohnniveau der Menschen war ja auch etwas unterschiedlich, allein schon aufgrund der unterschiedlichen Stärke der jeweiligen Währung. Tatsache ist aber, dass das Busfahren, oder allgemein die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, früher überall kostengünstiger war, als heute, egal, ob im Osten oder im Westen.

Ich denke übrigens, dass bei vielen Menschen, die davon sprechen, dass das Leben in der DDR besser gewesen sei, eigentlich nicht einmal DDR-spezifische Dinge eine Rolle spielen. Es dürfte eher so sein, dass sie einfach bestimmte Erlebnisse während ihrer Kindheit oder Jugend toll fanden, und daher die damalige Zeit glorifizieren. Mit dem DDR-System müssen diese tollen Dinge nicht unbedingt etwas zu tun haben. Sie fallen eher zufällig in die DDR. Hätten die Menschen dasselbe in den Niederlanden erlebt und wären später nach Deutschland ausgewandert, dann würden sie heute möglicherweise auch sagen, damals in den Niederlanden sei es besser gewesen. Das gilt natürlich nicht für alle Dinge, von denen gesagt wird, sie seien damals besser gewesen, aber bei vielen wird es wohl schon stimmen.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Es diese Einstellung nur mit persönlichen Erlebnissen zusammenhängt, glaube ich kaum. Wie gesagt, gab es bestimmte Sicherheiten, die man eben heute nicht mehr unbedingt hat. Und das sind die Dinge, die man sich dann eben zurück wünscht. Dazu muss man sehen, dass viele Dinge nicht so waren, wie man sie heute gezeigt bekommt. Denn nicht jeder DDR-Bürger wurde rund um die Uhr bespitzelt, verhört oder musste unter dem Regime leiden.

Wenn man heute allein bedenkt, wie schwierig es ist für ein Paar einen Job zu bekommen, dann sieht man die Unterschiede sehr deutlich. Ich selbst habe es als Kind ja erlebt. Mein Vater hat zwar innerhalb des Betriebes gewechselt, aber meine Mutter musste halt erst mal schauen, wo sie neue Arbeit bekommt. Dass sie dann den selben Job in einem anderen Betrieb machen konnte, war zwar nicht selbstverständlich, aber es war eben auch kein Problem überhaupt in einer neuen Region einen Job zu bekommen.

Das sieht eben heute anders aus. Wenn beide Partner in Ort A einen Vollzeitjob haben und dann einer ein besseres Angebot bekommt, wird meist erst mal eine Fernbeziehung daraus. Eben weil der andere Partner nicht so einfach auch etwas Neues bekommt. Daher wird sich eben oft die berufliche Sicherheit der DDR wieder gewünscht. Die ja nicht nur bei Umzug, sondern auch bei längerer Krankheit oder Babypause vorhanden war.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Dass es nur persönliche Erlebnisse sind, die dazu führen, dass einige Personen die DDR heute noch hoch loben, habe ich ja auch nicht behauptet. Ich habe nur angemerkt, dass es eben teilweise bei positiven Erinnerungen an die Vergangenheit auch solche individuellen Geschichten sein können, und nicht in jedem Fall immer nur Dinge, die wirklich mit dem damaligen politischen System begründbar sind. Dass es aber auch solche Vorteile gab, wird dadurch ja nicht ausgeschlossen. Tatsächlich war Arbeitslosigkeit damals kein solch schwerwiegendes Problem, wie heute. Meines Wissens aber übrigens auch in Westdeutschland nicht.

Außerdem gab es natürlich, zu jeder Zeit, auch immer Leute, die es in einem bestimmten Staat gut hatten, auch, wenn dieser repressive oder sogar völlig diktatorische Züge hatte. Es wird sogar während der Zeit des Nationalsozialismus Familien gegeben haben, die einen hohen sozialen Status hatten, nichts gegen die faschistische Ideologie sagten, und daher friedlich und wohlhabend vor sich hin leben konnten, während um sie herum Regimekritiker, Homosexuelle, Juden und andere von den Nazis verhasste Gruppen eingefangen und teilweise ermordet wurden. Ich kann mir vorstellen, dass auch diese Leute, die damals nicht behelligt wurden, noch heute eine positiv verklärte Sicht von der damaligen Zeit haben könnten. Nach dem Motto: "Ich habe nichts Schlechtes bemerkt." Und solche Fälle wird es in jedem Land geben, unter jedem politischen System, egal, wie gut oder auch grauenvoll dieses war.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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