Wie weit darf ein Jugendbuch das Böse zeigen und schildern?
Meine Frage ist etwas schwierig knackig in eine kurze Überschrift zu pressen. Daher versuche ich mal zu erläutern, was ich genau meine! Zuerst möchte ich klar stellen, dass es mir wirklich um Bücher für Leser im Jugendalter oder jungen Erwachsenenalter geht, nicht um Bücher für jüngere Kinder. Die Leser sind also in einem Alter, wo man schon erwarten kann, dass sie ein wenig befähigt sind, selbstständig zu denken.
Als jugendlicher Leser mochte ich keine Bücher, wo man den erhobenen pädagogischen Zeigefinger schon aus einigen Kilometer Entfernung sehen konnte. Wenn schon irgend eine moralische Botschaft verbreitet wurde, dann bitte so subtil, dass man als Leser selbst zu dem Schluss kommen musste, ohne dass einem das aufgedrängt wurde.
Natürlich sollte, und das ist mir auch so klar, ein Buch für Jugendliche nicht jugendgefährdend sein. Es sollte also keine Gewalt verherrlicht werden, oder die Kinder zu Straftaten ermuntert werden. Es geht hier ja auch nicht um die Frage, was man propagieren offensichtlich schädliches anpreisen sollte oder nicht.
Ich frage mich eher, wie weit man bei der Schilderung von Verhalten gehen kann und sollte, das eben nicht positiv zu beurteilen ist. Jugendliche wissen eben schon, dass die Welt kein Ponyhof ist. Trotzdem sind sie in dem Alter noch sehr beeinflussbar. Wie sollte man sich als Autor da eigentlich verhalten? Ohne Elemente des Bösen, funktionieren eben viele Geschichten nicht. Was wären zum Beispiel die Schlümpfe ohne das Böse in Form von Gargamel? Aber jedes geschilderte böse Verhalten bietet immer die Gefahr, dass die Leser sich mit dieser Seite einer Story identifizieren und die vom Autor gewünschte Distanz verlieren. Neben dem Bösen gibt es ja zusätzlich noch moralisch bedenkliche Trends, die ausgelöst werden könnten durch ein Buch.
Jetzt alle Figuren vorbildlich handelnd und fühlend zu schildern, das würde ja denkbar langweilig sein. Unter Garantie würde so ein Buch heute auch keine Leser finden. Wie weit meint ihr darf man als Jugendbuchautor gehen? Und wie weit sollte man eurer Meinung nach gehen? Gibt es da irgendwo so eine Art Ehrencodex oder andere Richtlinien? Woran kann man erkennen, ob man sich mit seiner Story noch im moralischen Bereich bewegt, bevor man sie niederschreibt? Und wie kann man als Autor eine falsch Identifikation der Leser bestmöglich vorbeugend beschränken?
Als Jugendlicher, und auch schon im Kindesalter, mochte ich Geschichten, bei denen die Moral schon mit dem Holzhammer vermittelt wurde, auch absolut nicht. Das lag aber nicht unbedingt daran, dass ich die Art von Moral nicht hätte nachvollziehen können, sondern ich bekam öfters einfach den Eindruck, dass der Autor die Leser wohl für zu dumm hält, um selber auf die Idee zu kommen, wo die Botschaft der Geschichte liegt. Diese Geringschätzung des Lesers hat mich gestört. Das übrigens auch bei anderen Dingen, nicht nur bei großen, überdeutlichen Moral-Predigten.
Was nun Darstellungen von Boshaftigkeit oder Grausamkeit in Jugendbüchern betrifft, wüsste ich von keinem Ehrencodex. Auch irgendwelche eindeutigen gesetzlichen Richtlinien mit vielen Details fielen mir nicht ein. Einige Autoren mögen vielleicht noch ein wenig über die Richtlinien der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien nachdenken. Wenn ein Buch nämlich, und dafür gibt es feste Richtlinien, als pornografisch, gewalt- oder kriegsverherrlichend gilt, dann wird es für Minderjährige einfach nicht mehr zugelassen. Das bedeutet dann Verkaufseinbußen und ein guter Autor wird außerdem auch nicht begeistert davon sein, wenn die von ihm gewählte Zielgruppe seine Werke somit gar nicht mehr lesen könnte.
Aber inwiefern die Bundesprüfstelle in der Realität wirklich engreift, wäre dann noch einmal eine weitere Frage. Ich weiß jedenfalls von Jugendbüchern, in denen durchaus brutale Kriegs- und Folterszenen beschrieben werden, und diese sind trotzdem als normale Jugendbücher zugelassen. Ebenso gibt es eine Menge echter oder unechter "Erfahrungsberichte" in Buchform, die für Jugendliche gedacht sind, und in denen es auch ziemlich blutrünstig zur Sache geht. Irgendwie scheinen die von der Bundesprüfstelle ja auch gekonnt ignoriert zu werden.
Würde ich über ein kritisches Thema ein Jugendbuch schreiben, würde ich übrigens durchaus faktisch erwähnen, um welche Dinge es geht. Aber allzu grausame Schilderungen von Details würde ich nicht einbringen. Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, was Folter-Szenen überhaupt für einen Mehrwert in so einer Erzählung haben sollten. Im Gegenteil, manchmal erahne ich als Grund für solche Szenen bloße Sensationsgier. Pädagogisch wertvoll sieht anders aus.
Wobei ich mich gerade frage, ob nicht schon gewisse psychische Schwierigkeiten bei einem Jugendlichen vorliegen müssten, um sich mit einer grausamen, bösen Personen zu identifizieren. Damit meine ich wirklich böse Charaktere. Gargamel bei den Schlümpfen würde ich nicht unbedingt dazu zählen. Mit dem hatte ich als Kind lustigerweise immer irgendwie Mitleid, weil er nie etwas auf die Reihe bekommen hat. Irgendwie war das Mitleid größer, als die Abscheu darüber, was er so Böses geplant hat. Aber wenn es nun um wirklich schlimme, böse, realistische Dinge ginge, dann wäre mir als Kind oder Jugendlicher niemals eingefallen, diese schlimmen Dinge zu verherrlichen und mich mit einem Gewalttäter zu identifizieren, oder ihn auch nur überhaupt irgendwie zu bewundern. Also ich denke, wenn so ein Verhalten bei Kindern oder Jugendlichen eintritt, dann muss schon vorher etwas im Argen gelegen haben.
Gargamel war vielleicht unbedingt das glücklichste Beispiel. Vielleicht passt als Beispiel da der Kampf gegen Lord Voldemort aus Harry Potter besser. Oder die Menschen verachtende Logik der Herrscher von Panem, die blutrünstige Gladiatorenspiele mit Jugendlichen veranstalten, deren Ergebnis ist, dass sich die jungen Leute gegenseitig ausschalten um als letzter zu überleben. Mal ganz abgesehen davon, dass das erfolgreiche Erzählungen sind, wundert mich schon, dass man bei Büchern so wenig reglementiert, während bei den Filmen dann schon teils eine Altersbeschränkung vergeben wird, die Bücher aber uneingeschränkt verkauft werden. Ich fordere da keine strengeren Regeln für Bücher. Man kann ja heute froh sein, wenn die eigenen Kinder überhaupt lesen. Es wundert mich nur eben, dass es da so wenig offensichtliche Regeln zu geben scheint.
Ich wundere mich da genauso, wie Du, trueffelsucher. Was teilweise als Jugendbuch durchgeht, finde ich sehr verwunderlich. Gerade im Fantasy-Bereich für Jugendliche gibt es manchmal ziemlich brutale Bücher. Oder irre ich mich in manchen Fällen vielleicht, und es sind gar keine Jugendbücher, und das sprachliche Niveau ist einfach nur ungewöhnlich niedrig?
Abgesehen davon gibt es dann natürlich auch Werke, bei denen nicht ganz klar ist, ob sie für Jugendliche oder für Erwachsene gedacht sind, die aber so oder so oft und gerne von Jugendlichen gelesen werden. So weiß ich beispielsweise, dass die Fantasy-Reihe "Die Zwerge" von Markus Heitz bei vielen Jugendlichen sehr beliebt war und teilweise auch noch ist. In der Reihe gibt es aber in den Büchern immer wieder sehr heftige Kriegs- und Folterszenen. Die Misshandlung von Zivilisten durch Angreifer wird deutlich dargestellt, und in einer Szene ist beispielsweise auch explizit davon die Rede, wie einer Frau bei lebendigem Leib die Haut abgezogen und diese dann mit ihrem Blut bemalt wird. Daneben gibt es genügend Beschreibungen von herumfliegenden Gedärmen und Leichenschändung. Da frage ich mich manchmal schon, ob das so gut ist, wenn Jugendliche, teilweise ja schon Dreizehnjährige, so etwas lesen. Grausamkeit im Krieg kann man ja wohl auch weniger reißerisch darstellen, beziehungsweise dürften auch Jugendliche wohl begreifen, wie schlimm Krieg ist, ohne, dass man ihnen solche Szenen im Detail zu lesen gibt, und dann auch noch regelmäßig, immer wieder.
Die andere Sparte wären dann wohl, wie ich schon einmal kurz erwähnte, noch diverse "Erfahrungsberichte", die extra für Jugendliche gedacht sind, und die meist ziemlich reißerisch daherkommen. Und nicht nur reißerisch, sondern teilweise auch wieder übertrieben detailreich. Ich persönlich weiß beispielsweise von gleich mehreren Büchern, in denen es um angebliche satanistische Zirkel geht, wo natürlich immer sehr deutlich beschrieben wird, wie es zu Vergewaltigungen, Menschenopfern und sonst welchen Ritualen käme. Das soll vermutlich die Jugendlichen abschrecken, mit erhobenem Zeigefinger. Aber ich frage mich auch, ob solche Schilderungen nicht bei einigen Jugendlichen vielleicht erst einmal Neugierde wecken. Dann ginge die Intention des Autors direkt nach hinten los.
Tatsächlich teile ich auch Deine Meinung, dass in Büchern dargestellte Szenen, die für Jugendliche frei zugänglich sind, teilweise in Filmen oder auch Computerspielen sofort zur Folge hätten, dass die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien diese Filme oder Spiele als für Minderjährige ungeeignet bewerten würde. Die gesetzliche Folge wäre, dass diese Medien dann eben nur noch an Volljährige verkauft werden dürften, und auch nur "unter dem Ladentisch", denn das Werben wäre verboten. Diese ungleiche Bewertung, also dass man in Büchern extreme Gewalt einfach durchgehen lässt, in anderen Medien jedoch nicht, finde ich auch sehr merkwürdig.
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