Warum so wenig Besuch in Pflegeheimen?

vom 20.11.2013, 10:28 Uhr

Ich habe immer wieder Praktika in Pflegeheimen gemacht und mir ist da wirklich etwas sehr erschreckendes aufgefallen. Die Menschen in solchen Heimen bekommen wirklich wenig Besuch. Beispielsweise habe ich mal erlebt, dass ein junger Mann nach einem Unfall ins Pflegeheim kam. Da war dann nur noch seine Freundin, die ihn immer mal besuchte, aber weder Eltern noch Freunde waren da mal zu Besuch, ich habe da auch nachgefragt, weil es mich interessiert hatte. Ist man denn automatisch abgeschrieben, wenn man im Pflegeheim ist? Liegt es daran, dass man Angst davor hat, was einem dort erwartet oder möchte man einen geliebten Menschen so nicht sehen?

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich glaube, dass viele mit der Situation einfach überfordert sind und sich deswegen davon distanzieren, ihren Angehörigen oder Freund im Pflegeheim zu besuchen. Sein wir mal ehrlich, in so einem Pflegeheim wird oft nicht mehr gelebt, sondern nur noch vegetiert und man braucht schon echt gute Nerven und emotionale Distanz zu der Situation, um damit zurecht zu kommen. Wer möchte denn einen Verfall eines geliebten Menschen miterleben und ihn dann nach seinem Ableben so in Erinnerung behalten? Das ist grausam.

Ich habe selber eine Verwandte, die nach einer Hirnblutung schwerbehindert in einem Pflegeheim liegt. Sie kann nur eine Hand ein wenig bewegen, nicht selbstständig atmen, wird durch eine Magensonde ernährt, kann nicht sprechen, ist aber wohl bei vollem Bewusstsein. Das was da liegt, ist ein Häufchen Elend und bei jedem Besuch hofft man, dass irgendein Fortschritt passiert ist. De facto gibt es seit zwei Jahren aber keinen Fortschritt. Irgendwann gibt man dann die Hoffnung auf, lebt sein eigenes Leben weiter und entfernt sich, weil man mit jedem neuen Anblick der Person wieder leidet. Ich glaube, es ist eine Mischung zwischen Aufgabe, Angst und einer Form von Bequemlichkeit.

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» CCB86 » Beiträge: 2025 » Talkpoints: 2,88 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Ich habe meinen Opa damals sehr gerne und oft besucht. Jede Woche ist die komplette Familie zu ihm gefahren und hat mit ihm etwas unternommen. Für mich war das immer eine sehr schöne Zeit, denn ich mochte meinen Opa sehr. Er kam auch erst ins Pflegeheim, als meine Eltern ihn beide nicht mehr versorgen konnten, da es am Ende wirklich nicht mehr ging.

Ich kann es absolut nicht verstehen, wenn man einen geliebten Menschen im Pflegeheim nicht regelmäßig besucht. Klar, es riecht etwas unangenehm im Pflegeheim und dort vegetieren viele ältere Menschen vor sich hin, jedoch war es für mich nie ein Thema meinen Opa nicht zu besuchen. Er war ein wichtiger Mensch für mich und ich habe mich jedes Mal gefreut ihn wieder zu sehen.

Mein Vater ist mittlerweile auch schon etwas älter und falls wir ihn nicht mehr versorgen können, möchte er selbst auch in ein Pflegeheim und auch ich werde es wieder so handhaben ihn mindestens ein Mal die Woche zu besuchen, denn es sind meine Eltern und die sind mir unheimlich wichtig und merken wenn man sie besucht, ihre Hand hält und mit ihnen etwas unternimmt.

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» SybeX » Beiträge: 3896 » Talkpoints: 11,19 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Von meinen Großeltern war nur ein Opa im Pflegeheim. Meine Mutter war täglich bei ihm, wir Enkel sind abwechselnd ab und zu mitgegangen. Meine Mutter hatte schon seit Jahren auf ihn eingeredet, dass er in unserer Nähe in ein Pflegeheim geht. Er wohnte 500 km von uns entfernt und meine Mutter ist alle paar Wochen zu ihm gefahren, was alles ziemlich anstrengend und unsinnig war. Ihm waren diese langen Besuche schnell zu viel. Sie musste ja über Nacht bleiben und so. Jeden Tag eine Stunde hätte ihm viel besser gepasst. Aber ins Pflegeheim umziehen wollte er eben auch nicht. So kam er erst dorthin als er schon wirklich ein Pflegefall war und er ist auch wenige Monate später gestorben.

Wir hatten gehofft, wenn er dort ist, wenn er noch fit ist, könnten wir mit ihm spazierengehen, mal einen Kaffee trinken gehen und solche Sache. Aber so saßen wir mit ihm in seinem kleinen Raum und er hat uns nicht mehr erkannt. Die Besuche waren sehr unangenehm. Ich bin auch niemand, der dann einfach reden kann. Meine Schwester redet dann einfach stundenlang, was es im Ort so Neues gibt, da haben sie ein Haus abgerissen, dort eines gebaut. Sie hat auch mit unseren anderen Großeltern über ihre Vergangenheit und ihr Leben gesprochen. Ich hab mich nie getraut zu fragen. Ich saß immer nur still da und das Schweigen war extrem unangenehm.

Es ist eben nicht jedermanns Sache. Früher waren die Alten noch in ihren Familien und man hat es von Kleinauf gelernt. Man hat es erst bei der Urgroßmutter erlebt und dann kannte es man es schon, wenn die Großeltern alt wurden. Heute werden sie eben ins Heim gegeben und man besucht sie dort. Das ist einfach kein unbefangener Umgang mehr. Jetzt muss man aus seinem normalen Leben raus und seine Angehörigen in diesem Heim voller Wartender auf den Tod besuchen.

Ich finde das ganze System sehr traurig. Ich kann verstehen, dass es einen so sehr deprimiert, dass man seine Angehörigen dort nicht besuchen will. Gerade bei den eigenen Eltern ist es doch schon schwierig, sie dabei zu beobachten, wie sie abbauen und immer schwächer werden. Sie waren ein Leben lang für einen da, haben einen beschützt. Sicher braucht man das schon lange nicht mehr, aber es ist trotzdem krass. Im Heim ist das ganze noch so potenziert, weil dort die Eltern von dutzenden anderen Menschen sitzen und ebenfalls nur noch Hüllen ihrer Selbst sind. So wie man es selber sein wird in ein paar Jahren.

Also es bedarf schon Überwindung und Disziplin, dort hinzugehen. Dazu ist nicht jeder fähig. Es ist traurig. Aber es heißt nicht in jedem Fall, dass derjenige, der nicht zu Besuch kommt, ein schrecklicher Mensch ist. Manchmal ist auch der Heimbewohner ein schrecklicher Mensch. In den Akten meines Vaters werden fünf Kinder aufgeführt. Die werden ihn sicherlich nicht alle besuchen, weil er uns einfach kein guter Vater war oder besser gar keiner. Aber das wird das Pflegepersonal nicht wissen und ihn bedauern.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Manchen alten Menschen haben einfach das Pech, dass ihre Angehörigen nicht in der Nähe wohnen. Da kann man denen also gar keinen Vorwurf machen, wenn sie nur selten zu Besuch kommen, da es eben nicht anders geht. Natürlich könnten (erwachsene) Kinder sich auch darum bemühen, Mutter oder Vater in ein Pflegeheim in ihrer Nähe zu geben, aber wenn die geistig noch so fit sind, dass sie das mitentscheiden können, wollen sie vielleicht trotzdem lieber in ihrer Heimat bleiben, auch wenn sie da eher einsam sind. Manchmal können sie, wenn sie ins Heim kommen, auch noch alleine nach draußen gehen. In einer fremden Stadt wäre das schwierig.

Meine Oma hat ihre letzten Jahre auch in einem Pflegeheim verbracht. Ich habe sie eigentlich schon regelmäßig besucht und empfand es auch nicht unbedingt als schlimm, in das Altenheim zu gehen. Manchmal hat man auch die Leute gesehen, die nicht mehr aus ihren Betten konnten, weil ihre Zimmertüren offen standen. Das hatte dann schon was von vegetieren, aber so kann es jedem mal gehen, wenn er älter wird. Die Bewohner, die noch fit waren, waren aber größtenteils sehr nett und meistens haben wir uns mit mehreren unterhalten, nicht nur mit meiner Oma. Es war dann aber schon traurig, als eigentlich alle, die ich etwas näher kannte, nach und nach gestorben sind und schließlich auch meine Oma selbst.

Wenn man jemanden nicht besucht, obwohl man in der Nähe wohnt, kann das verschiedene Gründe haben. Es ist sicherlich nicht leicht, einen Angehörigen in so einer Situation zu sehen, besonders, wenn es ein junger Mensch ist, der vor dem Unfall kerngesund war. Andere finden Pflegeheime vielleicht allgemein bedrückend, schließlich wird man daran erinnert, dass jeder mal alt wird und in so einem Heim stirbt auch immer wieder mal jemand. Was für viele bestimmt auch nicht einfach ist, ist damit umzugehen, wenn man von einem Angehörigen plötzlich nicht mehr erkannt wird. Das kommt ja schon mal vor bei alten Menschen.

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» Jessy_86 » Beiträge: 5456 » Talkpoints: 0,18 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Man muss halt auch sehen, was derjenige hat, ob er etwas von dem Besuch hat und wie es einem dabei selber geht. Ganz ehrlich? Im fortgeschrittenem Stadium von Demenz würde ich einen Verwandten auch nicht mehr besuchen wollen. Derjenige erkennt einen vielleicht nicht, es strengt ihn an und man selbst ist nach dem Besuch deprimiert. Ich würde darauf achten, dass es ein gutes Heim ist, wo man die Bewohner nicht stundenlang nicht dreht und in ihren eigenen Ausscheidungen liegen lässt, aber mit Besuchen würde ich mich schwer tun.

Wenn es pflegetechnisch zu realisieren ist, dann würde ich meine direkte Familie immer zu mir nehmen und sie selber pflegen. Sie haben sich ja ein lebenlang um mich gekümmert, also werde ich das dann auch tun.

Als ich im Pflegeheim war, war ich darüber auch schockiert, dass viele wirklich kaum Besuch bekommen. Obwohl es noch genug Verwandte gäbe und die auch nicht in weiter Ferne gewohnt haben. Vielleicht konnten die das Leid nicht ertragen, hatten Schuldgefühle oder was auch immer. Es gab auch Bewohner, da konnte ich das nachvollziehen. Eine Dame war gerade mal 50 Jahre alt. Die Kinder kannten sie als starke, schöne, selbstständig Frau und vor einem lag ein Häufchen Elend, die sich an niemanden erinnern konnte, nicht allein essen konnte und sehr aggressiv war. Von der starken, schönen Frau war wirklich nicht mehr viel über. Und selbst mir hat das weh getan, als ich sie das erste Mal gesehen habe. Wie muss es da den Kindern gehen? Da hätte auch keiner von einem Besuch etwas gehabt. Sie nicht, ihre Kinder nicht und das Pflegepersonal auch nicht.

Bei anderen konnte ich es nicht verstehen. Da war eine ältere Dame, vielleicht 85 Jahre. Klar im Kopf, aber eben langsam in ihren Bewegungen und mit den typischen Alterserscheinungen. Die hätte ich sofort raus geholt, wenn ich ein Angehöriger wäre. Die brauchte klar Unterstützung beim Waschen, Baden usw. aber sie war lieb, freundlich und sie hätte auch allein bleiben können tagsüber, wenn das der Grund ist, warum man sie nicht zu sich holt. Wäre das meine Oma, hätte ich sie entweder täglich besucht, oder eben zu mir geholt.

Ich habe eine Vereinbarung mit meinen Eltern. Die pflege ich, wenn sie nicht gerade eben so dement werden, dass sie mich nicht erkennen oder ständig weg laufen. Und meine Oma sowieso. Da ich das medizinische Wissen und die nötige Qualifikation dazu habe, wäre es auch eine Schande, wenn ich das nicht machen würde. Und da ich weiß, wie es im Heim zugeht, wäre ich sowieso ein sehr anstrengender Angehöriger und würde ständig meckern.

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» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge


Wenn ich als Besucher in einem Pflegeheim bin dann bekomme ich regelmäßig Panikattacken, ich könnte mir vorstellen dass es auch vielen anderen auch so geht.

Das geht doch schon damit los dass man aus vielen Augenpaaren vom Balkon aus beobachtet wird wenn man auf den Hof fährt. Das ist aus meiner Sicht ein völlig trostloser Anblick die vielen Rentner auf dem Balkon zu sehen die nur da sitzen und warten dass der Tag rum geht. Es erinnert mich daran dass ich auch einmal alt werde und vielleicht auch so ein Dasein fristen muss. Auf dem Flur und in den Zimmern riecht es komisch, auch das ist nicht unbedingt etwas für mich. Wenn ich dann auf dem Flur weiter gehe begegnen mir verwirrte Menschen die mich irgendwelchen Nonsens fragen oder ich sehe eine Gruppe im Fernsehraum die Mensch ärgere dich nicht oder etwas anderes spielt.

Die Leute dort haben kaum eine Privatsphäre oder Gesprächsthemen, sie kommen auf Grund ihrer Gebrechlichkeit kaum noch raus und sie haben nur noch alte Menschen um sich. Sicherlich gibt es auch Betreuungspersonal, aber die haben echt viel zu tun um den Laden am Laufen zu halten. Sie wissen genau dass das die Endstation ist und sie in der ersten Reihe sitzen. Auch die Besucher wissen das und dieser Gedanke ist nun einmal nicht so angenehm, auch wenn man selber noch relativ jung ist. Ich glaube jeder ist froh wenn er so ein Haus so schnell wie möglich wieder verlassen kann. Es ist aber schon richtig, viele Besucher sieht man dort wirklich nicht. Für mich ist aber auch noch eine Erklärung dass nur noch in wirklich seltenen Fällen die Kinder noch am Ort wohnen. Da ist es einfach die Anfahrtstrecke zu weit um regelmäßig die Angehörigen besuchen zu können.

Mir persönlich geht es auch so dass ich einmal die Woche meine Eltern besuche, sie wohnen aber noch in einer normalen Wohnung. Sie sind schon recht wunderlich in ihren Ansichten und die Gesprächsthemen sind immer dieselben. Ich bin auch froh wenn ich dort wieder raus bin und dann hoffe ich immer dass ich nicht auch irgendwann einmal so werde. Viel Hoffnung habe ich aber nicht, da bin ich ehrlich. Deshalb bedrückt mich so ein Besuch auch immer sehr. Ich sehe mich da auch in dreißig Jahren so sitzen.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Wenn ich meine Großmutter besucht habe, habe ich auch bemerkt dass nur sehr wenige Leute Besuch bekommen. Auch die Angestellten haben gemeint dass selten wer so viel Besuch kommt wie meine Oma. Aber ist leider mal so. Am Anfang kommen sie noch oft und dann immer weniger. Meine Oma hat ihren täglichen Besuch bis zum Schluss bekommen. Aber es gab auch dort Leute die kaum Besuch bekamen. Vielleicht schreckt die Umgebung ab. Ist ja wirklich nicht so toll. Aber mir tun die Leute leid die auf ihren Besuch warten und keinen bekommen.

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» torka » Beiträge: 4376 » Talkpoints: 7,91 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Meine Uroma lebt auch in einem Pflegeheim und wir besuchen sie nur selten. Allerdings haben wir sie nie sehr oft besucht, muss ich gestehen.

Naja, bei unserer Uroma ist es so, dass sie gar keinen Wert legt auf Besuch. Ständig schimpft sie, dass ja ihre alten Nachbarn so oft kommen, dass sie gar keine Zeit für ihre alltäglichen Aktivitäten hat. Und das bedeutet, dass sie nicht am Nachmittag mit ihren Heimkollegen Schnaps trinken kann, denn das Kaffeekränzchen, dem sich meine Uroma angeschlossen hat, trinkt am nachmittag gerne einen "Eckes Edelkirsch". Um diesen werde ich auch immer gebeten, wenn ich mich mal zu Besuch ankündige. Eine Flasche Eckes Edelkirsch muss ich dann mitbringen und diese Waffelbecher, die man mit aufessen kann.

Würden wir häufiger kommen, so wäre Oma sicher schnell genervt.

Bei vielen anderen Familien ist es aber leider auch so, dass man sich mit den Alten oder mit den Kranken nicht auseinandersetzen mag. Für viele Menschen ist es auch sehr schwer, es zu akzeptieren, dass ein geliebter Angehöriger nun Pflege benötigt. Ich selber habe da leider auch Probleme mit. Meine andere Uroma wurde häuslich nach mehreren Schlaganfällen gepflegt und war zuletzt nicht mehr in der Lage, aus dem Bett auzustehen. Ich konnte mir das schon damals nicht ansehen, und ich war noch klein, als sie zum Pflegefall wurde. Und man sagt ja, Kinder kommen mit so etwas häufig besser zurecht als Erwachsene. Kann ich nicht bestätigen. Zuletzt bin ich zwar regelmäßig in dem Haus gewesen, aber kaum mehr zu meiner Uroma gegangen, zumal sie meistens schlief, wenn ich da war. Ich bin trotzdem froh, dass ich mich wenige Tage vor ihrem Tod aufgerafft habe und bei ihr gewesen bin.

So ähnlich wie bei mir stelle ich es mir bei vielen anderen Menschen auch vor.

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» olisykes91 » Beiträge: 5370 » Talkpoints: 24,75 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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