Wann tritt das 'Jedermann-Festnahmerecht' in Kraft?

vom 19.11.2013, 14:06 Uhr

Ich habe neulich von dem "Jedermann-Festnahmerecht" gehört und bin mir aber nicht sicher, wann dieses in Kraft tritt und wann man als "Normalbürger" jemanden festnehmen kann bis die Polizei kommt. Wann und mit welchem Grund kann ich jemanden festhalten? Wie kann das dann aussehen? Kann ich diesen Menschen einsperren oder kann ich ihn fesseln oder muss ich ihn mit eigener Körperkraft festhalten? Wann also kann oder muss ich als Bürger so handeln und wie muss ich handeln?

Benutzeravatar

» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Das Jedermann-Festnahmerecht ist etwas schwammig formuliert. Man darf in der Tat als "Normalbürger" unter bestimmten Vorraussetzungen einen Straftäter "festnehmen".

Zum Einen muss sicher sein, dass derjenige auch tatsächlich eine Tat begangen hat und seine "Festnahme" zeitlich und örtlich an diese Straftat gebunden sein. Wenn man also jemanden direkt auf frischer Tat bei z.B. einem Einbruchsdelikt erwischt, sind diese Vorraussetzungen gegeben. Eine weitere Vorraussetzung ist, dass der Straftäter sich weigert, seine Personalien anzugeben, wenn diese Person unbekannt ist. Bei einem Bekannten greift das Jedermann-Festnahmerecht also nicht. Die Jedermann-Festnahme ist diesem Fall zulässig, um den Straftäter den Ermittlungsbehörden zu überstellen.

Auch darf dann der Straftäter an der Flucht gehindert werden, unter Umständen auch mit Gewalt. Dies aber immer nur in Verhältnismäßigkeit der Mittel, dazu kann also z.B. auch ein Fesseln gehören, das Hinzufügen einer Verletzung, um ihn an der Flucht zu hindern aber dann nicht. Auch das Erwirken einer Bewusstlosigkeit ist eher nicht erlaubt. Notwehr hingegen ist grundsätzlich erlaubt.

» Squeeky » Beiträge: 2792 » Talkpoints: 6,18 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Also wie es wirklich gesetzlich geregelt weiß ich nicht genau. Uns wurde von der Polizei auch eher schwammig diesbezüglich Auskunft gegeben. Es hieß dort, dass man vom jedermanns Gesetz Gebrauch nehmen kann, wenn man unmittelbar Zeuge einer Straftat ist und man befürchten muss, dass der oder die Täter flüchten würden. Mehr wurde nahezu nicht gesagt. Klingt irgendwie schwammig, aber auch logisch. Sprich ich darf dieses Gesetz nutzen, sobald jemand eine Straftat ausübt, dem im Regelfall verschwinden alle Straftäter, da sie ja sowieso nicht erwischt werden wollen.

» Glasreinigerin » Beiträge: 1008 » Talkpoints: 0,10 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Dieses "Jedermann-Festnahmerecht" ist eigentlich eine sehr interessante Konstruktion des Gesetzgebers, weil es das staatliche Gewaltmonopol mal außer Kraft setzt und damit jedem Bürger die Möglichkeit gibt, im Sinne der Strafverfolgung zu handeln. Die Vorschrift zu diesem Recht befindet sich in §127 der Strafprozessordnung und ist nach herrschender Meinung ein Rechtfertigungsgrund für Sachbeschädigungen oder Freiheitsberaubungen. Was das bedeutet, erkläre ich später noch. Zunächst zu den Voraussetzungen:

Jemand muss "auf frischer Tat" betroffen sein. Das heißt, dass die Festnahme und die Tat unmittelbar zeitlich zusammenhängen müssen. In der Regel ist das der Fall, wenn der Festnehmende den vermeintlichen Täter bei seiner Tat beobachtet und ihn daraufhin verfolgt oder direkt festnimmt. Der zeitliche Zusammenhang ist nicht mehr gegeben, wenn du siehst, dass jemand dein Auto zerkratzt, ihm aber nicht hinterher läufst sondern ihn zufällig am nächsten Tag im Supermarkt an der Kasse wieder erkennst.
Da es sich um die Strafprozessordnung handelt, muss die Tat auch strafrechtlich relevant sein. Das heißt, sie muss rechtswidrig im Sinne des Strafgesetzbuches sein. Ich weiß aus dem Studium noch, dass es unter Umständen auch greift, wenn die Tat nicht tatsächlich beobachtet wurde, aber ein dringender Tatverdacht (=hohe Wahrscheinlichkeit, dass der vermeintliche Täter die vermeintliche Tat begangen hat) vorliegen muss.

Des Weiteren muss der vermeintliche Täter der Flucht verdächtigt werden oder eine Identitätsfeststellung anders nicht möglich sein. Der Fluchtverdacht ist dabei nicht gesetzlich geregelt, sondern muss an der Sichtweise des Festnehmenden gemessen werden. Sieht es für diesen so aus, dass der vermeintliche Täter mit hoher Wahrscheinlichkeit flüchtet, greift das Festnahmerecht. Ist eine Identitätsfeststellung nicht möglich, etwa weil der vermeintliche Täter seinen Personalausweis nicht zeigen will, greift es ebenfalls.

Die Festnahmehandlung selbst kann zum Beispiel das Festhalten, das Fesseln oder auch das Einsperren des vermeintlichen Täters bis zum Eintreffen der Polizei sein. Auch leichte Körperverletzungen werden noch von dem Festnahmerecht gedeckt, jedoch keine schwerwiegenden Körperverletzungen, es sei denn natürlich, es handelt sich um Notwehr. Der Beispielsweise auf frischer Tat ertappte und festgehaltene Dieb hat seinerseits kein Notwehrrecht, weil das Festnahmerecht rechtfertigend ist, das Festhalten also keinen rechtswidrigen Angriff darstellt (siehe §32 StGB). Wehrt sich der Festgenommene also, hat der Festnehmende seinerseits das Recht zur Notwehr. Komplizierter mit der Notwehr wird es natürlich, wenn seitens des Festnehmenden ein Irrtum besteht, aber das zu erklären, erspare ich mir an dieser Stelle. :D

Letzten Endes muss das ganze Theater mit der Festnahme natürlich aus einem Verfolgungswillen entstehen, also muss der Festnehmende beabsichtigen, mit seiner Festnahme die Strafverfolgung zu ermöglichen. Nicht gedeckt ist also zum Beispiel ein Festnehmen, nur um den Dieb dazu zu bewegen, seine Beute wieder rauszurücken.

Benutzeravatar

» CCB86 » Beiträge: 2025 » Talkpoints: 2,88 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^