Gesinnung eher prekär beschäftigter Personen

vom 30.10.2013, 11:22 Uhr

derpunkt hat geschrieben:Was mir hier nicht in den Kopf will, ist die Möglichkeit, dass jemand in einer wirtschaftlich prekären Situation tatsächlich bereit ist, Menschen denen es mutmaßlich noch schlechter geht (oder gehen sollte?) anzugehen.

Im Grunde scheint das, so traurig es ist, ganz "normal" zu sein. Und nicht erst seit gestern. In einem Soziologiebuch, das aus den 70ern oder 80ern war, wurde es schon so salopp beschrieben: "Nach oben strecken, nach unten hacken." Viele Menschen scheinen eine Tendenz dazu zu haben, auf Leute, die noch schlechter dran sind, als sie selbst, einzuhacken. Wieso? Durch das Erniedriegen oder "Kleinmachen" anderer Leute macht man sich selber größer. Jedenfalls dem Gefühl nach. Also ist es doch klar, dass einige Leute auf Schwächere einschlagen, insbesondere, wenn sie sonst die Schwächeren beziehungsweise Unterprivilegierten sind. Sie stärken damit ihr eigenes Selbstbewusstsein. Sie können sich mal als große Macker fühlen, weil sie andere dominieren, während sie sonst immer die Unterlegenen sind.

Abgesehen davon wurde hier ja schon genug über Sündenböcke geschrieben. Und darüber, dass oftmals Menschen mit einer geringeren Bildung dazu neigen, feindlicher und vorurteilsbehafteter gegenüber "Fremdem" zu sein. Wobei ich auch betonen muss, dass ein Mensch mit geringem Lohn oder ein arbeitsloser Mensch nicht automatisch dumm oder ungebildet sein muss.

crazykris1 hat geschrieben:Ich habe eigentlich, gerade in der Stadt und den üblichen Gesellschaftsschichten die Erfahrung gemacht, dass man Farbigen gegenüber sehr tolerant ist. (...) Nur auf dem Dorf draußen habe ich manchmal das Gefühl, die Zeit würde nochmal um 70 Jahre zurückgedreht.

Und inwiefern hat das jetzt damit zu tun, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit offenbar bei schlecht bezahlten Arbeitern und bei Arbeitslosen gehäuft vorkommen? Arbeitslose oder Niedriglöhner gibt es doch überall, egal, ob in der Stadt oder auf dem Land.

Dass einige Dörfer konservativer und xenophober sind, als einige Großstädte, hat sicherlich viele Gründe. Die Beschäftigungsverhältnisse der Bewohner würde ich aber eher nicht für ausschlaggebend halten. Eher noch, dass in Großstädten Ausländer einfach zum Alltag gehören. Man lernt sie eher kennen und kann dann Vorurteile abbauen. Auf einem Dorf, wo einem vielleicht einmal im Jahr ein einzelner Mensch mit anderer Hautfarbe begegnet, wenn überhaupt, ergeben sich solche Gelegenheiten weniger.

derpunkt hat geschrieben:Früher gab es die Idee, dass eine Verelendung einer breiten Schicht von Menschen zu revolutionären Zuständen führen würde, und man sich als Klasse verstehen würde.

Es gab solche Theorien, es gab aber auch andere. Und wichtiger als Theorien ist wohl die Praxis. Wie sah die aus? Meines Wissens gab es in den 1930er Jahren nicht nur antifaschistische, kommunistische Proletarier. Es gab auch massenhaft arme Menschen, die Hitler bejubelt haben. Der Großteil der SA-Leute waren einfache Arbeiter, Arbeitslose oder Schulabbrecher. Die ließen sich nämlich auch sehr schön von Hitlers großen Reden und von Versprechungen einer besseren Zukunft beeindrucken. Es wurden meines Wissens auch gezielt ungelernte Arbeitslose rekrutiert.

Und heute ist das wohl oftmals bei den Neonazis auch nicht anders. Sie bekommen von den Neonazi-Bonzen, die oftmals erschreckend gut ausgebildet sind, scheinbare Lösungen für ihre Probleme, für ihre Arbeitslosigkeit und Geldsorgen, aufgetischt. Ausländer und Juden müssen als Sündenböcke herhalten. Ich sehe da einige Parallelen zwischen der Zeit um 1933 und den Verhältnissen diesbezüglich heute.

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