Waren Drogen in der DDR ein Thema oder gab es sie nicht?
Bekannte meiner Eltern kommen aus der ehemaligen DDR. Sie sind immer wenn sie in den Medien was von Drogenkranken hören sehr erstaunt und sie meinen, dass es komisch ist, dass es Deutschland nicht in den Griff bekommt. In der DDR hat es so was nicht gegeben. Angeblich waren Drogen dort kein Thema und so was wie Marihuana oder gar härtere Drogen gab es einfach nicht.
Gab es denn in der früheren DDR wirklich überhaupt kein Drogenproblem? Beschränkte sich das Problem nur auf Alkohol? Die Bekannten meiner Eltern meinten, dass viele einfach zur Flasche gegriffen haben. Aber sie sehen das nicht als Droge an. Darüber lässt sich streiten. Ich empfinde auch Alkohol als Droge. Aber wie ist es in der früheren DDR eigentlich wirklich mit Drogen wie Marihuana gewesen?
Dass es andere Drogen nicht gab, würde ich nicht behaupten. Aber es war ja so gut wie nicht möglich, dass man überhaupt an diese Dinge kam. Deswegen war der Griff zum Alkohol oder Tabletten wesentlich einfacher. Es war aber öffentlich kein Thema, dass es eben auch Suchtprobleme gab. Wobei aber auch gerade hochprozentiger Alkohol damals wesentlich mehr gekostet hat, als heute.
Wenn man dann davon ausgeht, dass man im ersten Ausbildungsjahr nur 108 Mark im Monat zur Verfügung hatte, hat man sich schon überlegt, ob man das Geld dann in Schnaps investiert.
Man sollte vielleicht auch von der anderen Seite an die Fragestellung gehen. Das Drogenproblem besteht doch nicht in den Abhängigen, welche nicht von diesen Drogen lassen (also Suchkranke). Niemand (kaum jemand) käme einfach so auf die Idee, hier in (West)Deutschland Drogen unter das Volk zu bringen. Genau so wäre es auch in der DDR gewesen.
Die Dealer und Importeure haben hier ja ein bestimmtes Interesse, welches hinter dem Drogenhandel steht: es geht um enorme Gewinnspannen und die Möglichkeit, sehr schnell sehr reich zu werden! Das ist ja die Motivation bzw. Veranlassung der (verallgemeinert) Dealer, den Stoff zu verkaufen. Reichtum wird hier (anders als in der DDR) geschätzt und das Streben danach ist praktisch eine allgemeingültige Religion, die von niemandem angezweifelt wird. In der DDR hätte es nicht wirklich viele Vorteile gebracht, rasch ein Vermögen anzuhäufen (eben durch einen illegalen Drogenhandel) - und wäre mit Sicherheit nicht so leicht zu "vertuschen" bzw. das Geld wäre nicht so leicht zu waschen gewesen. Daher wohl die geringe Motivation in der DDR sich so eines Verbrechens schuldig zu machen. Bedeutet nicht, dass die Leute weniger anfällig für Rauschmittel gewesen sind. Alkohol ist z.B. sehr wohl ein echtes Problem gewesen.
Würde z.B. der Staat an alle Suchtkranken harte Drogen frei ausgeben, würde praktisch ein ganzer Markt zusammen brechen. Alles an Verbrechen dahinter würde zum Erliegen kommen und das wäre sicher ein harter Schlag gegen das organisierte Verbrechen. Zumindest in diesem "Geschäftsfeld".
derpunkt hat geschrieben:Daher wohl die geringe Motivation in der DDR sich so eines Verbrechens schuldig zu machen.
Also, ich wüsste auch nicht Einen, der auch nur Ansatzweise auf die Idee gekommen wäre, in der DDR einen florierenden Drogenhandel aufzuziehen. Nicht weil es an Motivation gemangelt hätte, nein die Abschreckung vor den Strafen war einfach viel zu hoch. Man wäre ja für etliche Jahre in den Bau marschiert und von daher hat man mal lieber schön die Finger von so was gelassen.
Drogen waren sicherlich auch in der DDR ein Thema, aber nicht in der Breite wie man es heute kennt. Es war einfacher sich in der Kneipe für fünf Mark zu besaufen, dafür bekam man zehn Bier. Ich will aber nicht ausschließen dass es bestimmte Berufsgruppen gab die über entsprechende Kontakte und vor allem viel (West)Geld verfügten um sich solche Dinge besorgen zu können.
Es wurde aber viel herumexperimentiert mit Lösemitteln, Arzneimitteln und berauschenden Pflanzen. Ein paar Studienfreunden von mir war selbst das billige Bier zu teuer und die veranstalteten deshalb regelmäßig eine „Drogenparty“. Die sah dann so aus dass sie sich aus der Apotheke eine Flasche Äther für zwei Mark besorgten und sich den Inhalt auf einen Waschlappen träufelten. Diesen legten sie sich dann auf das Gesicht und warteten bis eine berauschende Wirkung eintrat. Ich weiß nicht wirklich was da nun genau passierte, ich ging lieber mit meinen Freunden ein paar Bier trinken.
Ein ganz großes Thema waren aber die Räusche durch Fleckenentferner. Der hieß Nuth und bestand zu fast 100 % aus Tetrachlorkohlenwasserstoff. Das Zeug war so verbreitet unter den Jugendlichen dass es zu Engpässen kam und es später durch das etwas gefahrlosere Perchloräthylen ersetzt wurde. Ich kann mich aber nicht erinnern dass es zu Warnungen vor den Gesundheitsgefahren in der Presse kam, das war einfach nicht üblich weil diese Gefahrstoffe überall in Massen eingesetzt wurden und diese Problematik auch kein schlechtes Licht auf die DDR werfen durfte.
Ich kenne auch keinen Fall dass die Polizei mal eine illegale Hanfplantage ausgehoben hatte, auch nicht gerüchteweise. Ich denke da waren die ehemaligen DDR-Bürger auch viel zu naiv in dieser Sache, es fehlte das Geld dafür und die Technik und vor allem der Platz. Auch fürchtete man sicherlich die Staatsmacht wenn das herauskommen würde. So blieb man lieber bei seinem Alkohol oder der Tablettenabhängigkeit.
Es gab in der ehemaligen DDR keine Erzeugnisse, die man im eigentlichen Sinn als Drogen bezeichnen kann. Selbst die Alkoholsucht war in der DDR doch sehr gering ausgeprägt. Das lag schon alleine an der allgemeinen Aufklärung dazu, denn diese fand schon in der Schule statt. Alkoholmissbrauch wurde damals auch viel früher erkannt und es gab umfassende Hilfsangebote dazu. Aber ein ernstes Thema waren Drogen und Alkohol in der damaligen DDR zu keiner Zeit.
karlchen66 hat geschrieben:Es gab in der ehemaligen DDR keine Erzeugnisse, die man im eigentlichen Sinn als Drogen bezeichnen kann. Selbst die Alkoholsucht war in der DDR doch sehr gering ausgeprägt. Das lag schon alleine an der allgemeinen Aufklärung dazu, denn diese fand schon in der Schule statt. Alkoholmissbrauch wurde damals auch viel früher erkannt und es gab umfassende Hilfsangebote dazu.
Mich würde interessieren, ob Du diese Äußerungen aufgrund von Geschichten, die Du irgendwo gelesen oder gehört hast, machst, oder ob Du das schreibst, weil Du es selber erlebt hast. Dass es in der DDR keinen Alkohol und auch keine Alkoholsucht gegeben hätte, ist mir nämlich ein wenig anders in Erinnerung. Gut, ich habe selber nicht in der DDR gelebt, aber ich habe solche Erzählungen von Freunden bekommen, die ich für relativ verlässliche Quellen halte.
Mal ganz abgesehen davon wird heute auch schon in der Grundschule über die Gefahren von Drogen, auch von legalen Drogen wie Alkohol oder Nikotin, unterrichtet. Beratungsstellen für Alkoholkranke gibt es auch in jeder größeren Stadt, in großen Städten oftmals sogar mehrere.
derpunkt hat geschrieben:Die Dealer und Importeure haben hier ja ein bestimmtes Interesse, welches hinter dem Drogenhandel steht: es geht um enorme Gewinnspannen und die Möglichkeit, sehr schnell sehr reich zu werden! Das ist ja die Motivation bzw. Veranlassung der (verallgemeinert) Dealer, den Stoff zu verkaufen. Reichtum wird hier (anders als in der DDR) geschätzt
Und von welchem Planeten kommen die DDR-Bewohner, dass sie Geld ganz abscheulich finden und es von sich werfen würden, wenn sie es bekämen? Entschuldige die Polemik, aber auch in der DDR gab es ganz sicher Menschen, die nach Reichtum strebten und sich über Reichtum gefreut hätten. Man denke allein schon an diverse Bonzen.
Die Menschen in der DDR waren doch auch nur Menschen. Die Mentalität ändert sich doch nicht so schnell, nur, weil willkürlich eine Mauer gezogen wird und dadurch Menschen, die vorher ganz selbstverständlich ein Volk waren, separiert worden sind. Ja, sicher gab es mit der Zeit, über die Jahrzehnte, Mentalitätsunterschiede. Aber auch das System der DDR konnte wohl kaum das in einigen Menschen einfach verankerte Streben nach Wohlergeben und Reichtum beseitigen. Von daher gab es da sicherlich auch Leute, die mit Drogen gedealt hätten, um reich zu werden, hätten sie denn die Möglichkeit dazu gehabt.
Ich würde der These, dass es in der DDR ein geringeres Drogenproblem gegeben hätte, als hier und heute in der Bundesrepublik Deutschland, nicht unbedingt widersprechen wollen. Damals war wahrscheinlich die Einfuhr einfach viel schwieriger, allein schon aufgrund verschiedener Reise-Restriktionen. Verschiedenste Dinge waren Mangelware, das weiß ich von dem Teil meiner Verwandtschaft, die damals in der DDR lebte.
Allerdings habe ich auch Verwandte, die in Westdeutschland lebten. Allgemein habe ich mitbekommen, dass wohl bis vor wenigen Jahrzehnten, mal abgesehen von einer Phase in den 1920er Jahren, die aber wieder abflaute, Drogen allgemein ein weitaus geringeres Problem gewesen seien, als heute. Und ja, das auch im Westen Deutschlands. Abgesehen davon war die soziale Akzeptanz von Drogen früher weitaus geringer, als heute.
Natürlich gab es in der DDR auch Menschen mit Alkoholsucht. Und das, so jedenfalls meine eigenen Erinnerung, nicht zu knapp. Bier war mehr als preiswert. Immerhin hat man je nach Sorte nur zwischen 40 und etwas über 50 Pfennige für einen viertel Liter in Lokalen bezahlt. Als Flaschenbier für zu Hause war es noch preiswerter. Schnaps war dagegen wesentlich teurer als heute. Die Preise lagen für die gängisten Sorten ab 10 Mark aufwärts. Was bei einem durchschnittlichen DDR-Lohn schon recht viel Geld war.
Auch Tabletten wurden gerne überdosiert und regelmäßig konsumiert. Allerdings gab es da recht schnell Meldungen an die Staatsorgane, wenn es Ärzten oder Apothekern auffiel, dass eine Person da einen recht hohen Konsum hatte. So dass man eben versuchte schnell gegen solche Probleme vorzugehen. Das Problem an sich war also vorhanden, nur in anderer Form als heute und man hat eben mehr auf legalem Wege seine Süchte befriedigt.
Zum Thema Alkoholverbrauch muss ich mich doch noch einmal melden. Alkohol wurde in Massen konsumiert. Ich habe noch ein paar statistische Jahrbücher aus dieser Zeit und wenn ich mich richtig erinnere lagen die DDR-Bürger beim Verbrauch pro Kopf fast an erster Stelle in Europa.
Ich denke aber dass nicht nur der Preis dafür ausschlaggebend war denn vor allem Schnaps war doch schon verhältnismäßig teuer. So kostete eine Flasche Goldbrand 14,50 Mark und eine Flasche Nordhäuser Doppelkorn (wenn es sie denn gab) 17,60 Mark. Der Stundenlohn lag deutlich unter fünf Mark so dass man sich schon überlegte eine Flasche zu kaufen. Aber Schnaps (besonders Doppelkorn) war auch eine Währung die man kaufte wenn es ihn gab um eine Dienstleistung zu erhalten oder um die Handwerker der Feierabendbrigade bei Laune zu halten. Schnaps fand man in fast jedem Haus und zu jeder Zeit, auch weil man damals geselliger war und dachte dass alkoholische Getränke einfach dazu gehören. Und wie das so ist, wenn man Alkohol im Haus hat oder eine Flasche geschenkt bekam dann wurde sie auch nebenbei geleert. Auch würde ich sagen dass das Geld lockerer saß. Es gab ja nicht so viele Konsumgüter, der Urlaub war extrem limitiert und die Mieten sowie die Verbrauchskosten waren sehr billig. Da blieb immer etwas Geld übrig.
Der meiste Alkohol wurde aber in den Betrieben während der Arbeitszeit getrunken, auch in den Büros und Chefetagen. Es war leider oft so dass man auf Material warten musste dass nie kam oder man seine Norm schon längst im Kasten hatte oder ganz schlicht und einfach keine Arbeit da war. Also traf man sich im Frühstücksraum oder in irgendwelchen stillen Ecken und soff gemeinsam was das Zeug hielt. Nach Schicht- oder Arbeitsende ging es meistens noch in eine Gaststätte und die vielen Pendler machten noch einen Absacker in der Mitropa weil noch Zeit war oder der Zug nicht kam. Ein Auto hatte auch kaum jemand so dass es keine Rolle spielte wenn man ein paar Promille intus hatte.
Ich selber war ein begeisterter Kneipengänger in dieser Zeit. Trotz meines schmalen Salärs konnte ich es mir leisten ziemlich oft mein Bier in den Gaststätten zu trinken weil es nur unwesentlich teurer als im Laden war. Ich ging dorthin weil ich meine Kumpels vom Fußball dort traf und es keinerlei andere Freizeitmöglichkeiten unter der Woche gab. Auch war meine wohnliche Situation nicht so dass ich mich zu Hause wohl fühlte weil ich mangels Geld und Wohnraum noch bei meinen Eltern wohnte.
Ich denke einfach so wie mir ging es sehr vielen und alle Faktoren summierten sich zusammen zu einem beträchtlichen Alkoholverbrauch. Richtige Drogen gab es praktisch nicht, da bin ich mir ziemlich sicher, einfach weil die wirtschaftliche Basis fehlte.
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