Sind die Deutschen zu weinerlich?
Neulich war ich zu einem Geburtstag eingeladen. Mir ist früher schon speziell an diesen Festen aufgefallen, dass die Gäste dort, speziell die Frauen, nur jammern. Egal, um welches Thema es sich handelt, es wird alles schlecht geredet. Jeder scheint irgendwelche gesundheitlichen Probleme zu haben, man schimpft über Nachbarn, Staat und Schule. Man hat das Gefühl, dass es keinem wirklich gut geht, wobei das objektiv gesehen eigentlich ganz anders aussieht.
Auf die Frage, wie es mir geht, antwortete ich wahrheitsgemäß, dass es mir richtig gut gehe, jetzt, wo die Kinder aus dem Haus seien. Ich hatte das Gefühl, dass mich die Leute ungläubig ansahen. Ich bin sozusagen die "Ärmste" unter ihnen, weil ich weder eigenes Haus noch Auto habe und meinen Job letztes Jahr, für viele unverständlich, gekündigt habe. Ich scheine auch die einzige zu sein, die keine körperlichen Beschwerden hat. Trotzdem geht es mir zur Zeit richtig gut.
Jammern die Deutschen eigentlich zu viel? Sind sie weinerlich? Wenn man einen Amerikaner fragt, wie es ihm geht, antwortet er immer "Great". Sie scheinen viel optimistischer in die Zukunft zu schauen als wir. Wenn man einen Deutschen fragt, wie es ihm geht, sucht er zuallererst nach Gründen, warum er nicht so ganz zufrieden ist. Seht ihr das genauso oder liegt es an meiner subjektiven Erfahrung und meinem Bekanntenkreis?
Weinerlich würde ich jetzt nicht sagen, aber die Deutschen an sich haben schon ein ziemlich negatives Denken. Alles in Ihren Augen ist schlecht, funktioniert nicht und wir suchen immer wieder einen schuldigen, ohne zu überlegen, ob vielleicht der Grund für die Unzufriedenheit man selber ist.
Eigentlich müsste man sich mit dem zufrieden geben, was man hat, das ist meine Meinung. Jammern oder sich beschweren, davon gehen die Probleme ja auch nicht von weg.
Das hängt nicht an der deutschen Mentalität. Wir Österreicher ticken in diesen Sachen genau gleich und die Schweizer sind auch nicht anders. Uns geht es glaube ich im generellen zu gut und es wird schon wegen wenig ganz groß gejammert. Ich kenne auch solche Personen die ständig jammern, Sonntags jammern sie weil sie Montags arbeiten müssen, Freitags jammern sie weil es zu kalt ist oder am Wochenende nicht los sei. Es liegt definitiv nicht an deiner subjektiven Erfahrung und deinem Bekanntenkreis sondern an unserer Gesellschaft. Es wird einfach auf sehr, sehr hohem Niveau gejammert und die Leute geben sich mit nichts mehr zufrieden was ich generell als Armutszeugnis empfinde.
Weinerlich ist das falsche Wort dafür. Sie bemitleiden sich vielleicht einfach nur ganz gerne selbst. Vielleicht auch, weil sie viele und vor allem auch hohe Ansprüche und Erwartungen haben und mit dem Erfüllen dieser nicht nachkommen. Wer hätte nicht gerne mal ein eigenes Haus, Auto, genug Zeit und dennoch einen tollen Job und überhaupt. Ich kann das schon verstehen, obwohl es sicherlich wesentlich besser wäre, wenn man mit dem zufrieden ist, was man hat und das auch genießt.
In vielen Ländern ist das ja wirklich anders. Da gibt es eine Siesta, man ruht sich anständig aus, ist mit weniger auch zufrieden und wozu ein eigenes Auto haben müssen, wenn man mit zwei gesunden Beinen gesegnet ist? Das wissen viele ja leider auch nicht mehr zu schätzen: Gesundheit. Als ich in der Dominikanischen Rep. war, da waren die Menschen irgendwie auch immer fröhlich, gut gelaunt und das, obwohl sie wirklich weniger hatten. In unseren Augen sind die für einen Hungerlohn arbeiten gegangen, hatten dafür aber auch nur ein kleines Zimmer, tausend Kinder die satt werden sollten. Und trotzdem hat sich keiner beschwert.
Ja, solche Leute kenne ich leider auch einige. Ich frage mich, ob die Leute tatsächlich so pessimistisch veranlagt sind und das Glas immer als halb leer betrachten oder ob sie es vielleicht einfach als unangemessen empfinden in Gesellschaft zu sagen, dass sie zufrieden und glücklich sind und, dass es ihnen gut geht. Wenn ich jetzt von meinem verlängerten Wochenende in Prag erzähle anstatt über die bösen Politiker zu jammern könnte man mir ja vielleicht vorwerfen, dass ich oberflächlich sei.
Ein Stück weit ist es aber sicher auch eine Frage des individuellen Charakters. Also ich kenne auch Amerikaner, die kein Diplom im positiven Denken haben und ständig einen Grund suchen um unzufrieden zu sein.
Ich kann eigentlich nur die deutsche Kultur wirklich beurteilen, da ich noch nie nennenswert lange (ich spreche hier von Jahren) in einer anderen Kultur gelebt habe. Unter anderem deswegen bin ich mit Aussagen im Sinne von "der Deutsche an sich jammert gerne" oder "alle Franzosen trinken Rotwein zum Frühstück" immer sehr vorsichtig.
Des weiteren bin ich auch der Meinung, dass es auch Nachteile hat, wenn es in einer Kultur üblich ist, mit Problemen immer hinter dem Berg zu halten und nach außen hin eine perfekte Fassade zu präsentieren, damit ja keiner etwas davon mitbekommt.
Rein subjektiv teile ich jedoch auch die Meinung, dass viele deutsche Bundesbürger schon auf sehr hohem Niveau jammern und jede Kleinigkeit aufbauschen. Besonders gern regt man sich hierzulande meiner Erfahrung nach über die Inkompetenz von so ziemlich allem und jedem auf. Auch "die heutige Jugend" bietet immer Stoff für Jammertiraden. Und sind es mal nicht die Kinder und Jugendlichen, dann wird über die Nachbarn oder Arbeitskollegen hergezogen.
Generell habe ich auch schon oft eine zutiefst negative, ja verbitterte Grund-Lebenseinstellung bei Leuten festgestellt, denen es objektiv gesehen eigentlich nicht schlecht ging. Andererseits sind mir auch schon schwerkranke oder finanziell arg eingeschränkte Mitmenschen begegnet, die überhaupt nicht gejault und gejammert haben, obwohl es weiß Gott genügend Gründe gegeben hätte. Vielleicht liegt es ja wirklich an der deutschen Mentalität?
Jammern die Deutschen eigentlich zu viel? Sind sie weinerlich? Wenn man einen Amerikaner fragt, wie es ihm geht, antwortet er immer "Great". Sie scheinen viel optimistischer in die Zukunft zu schauen als wir.
Das heißt aber nicht, dass die Leute in den USA sich wirklich so fühlen, sondern dort ist es eben nicht üblich, negativ über eigene Befindlichkeiten zu sprechen. Die Amerikaner erscheinen ja oft eher oberflächlich und das ist ein gutes Beispiel dafür; sie sagen vielleicht „great“, aber dahinter stecken all die Sorgen und Probleme, die wir hier auch haben, vielleicht sogar noch in viel höherem Ausmaß, man täuscht halt eine heile Fassade vor und das ist doch auch nicht richtig.
Wer jammert, macht das ja nicht mit der Absicht, unbedingt etwas ändern zu wollen. Jammern ist manchmal auch einfach nur Dampf ablassen und mehr nicht und wenn man sich mal ausgesprochen hat, dann geht es einem besser. Natürlich ist es keine Katastrophe, wenn man montags früh aufstehen muss oder das Wetter am Wochenende schlecht ist, davon geht die Welt nicht unter. Aber irgendwie ärgerlich ist es schon, wenn man sich eigentlich etwas anderes wünschen würde. Man hat doch in einzelnen Lebensbereichen so eine Art Zielvorstellung, was man gerne hätte und wenn die nicht erreicht ist, jammert man eben ab und an. Das muss nicht bedeuten, dass man wahnsinnig unzufrieden oder frustriert ist, aber man will halt mal drüber reden und das finde ich nicht schlimm.
anlupa hat geschrieben:Jammern die Deutschen eigentlich zu viel? Sind sie weinerlich? Wenn man einen Amerikaner fragt, wie es ihm geht, antwortet er immer "Great". Sie scheinen viel optimistischer in die Zukunft zu schauen als wir. Wenn man einen Deutschen fragt, wie es ihm geht, sucht er zuallererst nach Gründen, warum er nicht so ganz zufrieden ist. Seht ihr das genauso oder liegt es an meiner subjektiven Erfahrung und meinem Bekanntenkreis?
Also was die Amerikaner betrifft: es muss ja nicht stimmen, dass es ihnen wirklich gut geht. Ich kann mir vorstellen, dass viele einfach "Great" sagen, weil sie ihre Gefühle und Emotionen einfach nicht preisgeben wollen. Wenn man den Erzählungen meiner Freunde glaubt, ist in Amerika das Getratsche in der Nachbarschaft riesig und ich selbst wollte nicht Opfer des Nachbar-Getratsche werden, weswegen ich wahrscheinlich auch immer mit "Great!" antworten würde.
Ich denke nicht unbedingt, dass die Deutschen zu weinerlich sind und zu viel jammern würden. Sie machen ihrer Wut und ihrer Enttäuschung eben einfach Luft und ich finde es meistens nicht schlimm. Immerhin frage ich die Leute, wie es ihnen geht, weil ich wirklich wissen will wie es ihnen geht. Und nicht, weil es eine Smalltalk-Floskel ist! Es ist in Ordnung, wenn sie ihrer Wut Luft machen, da es ja nie gut ist, seine Wut zu unterdrücken. Da ich bisher noch in keinem anderen Land gelebt habe, weiß ich nicht, wie sich andere Kulturen bzw. Leute verhalten. Aber bei einigen Deutschen kommt es mir tatsächlich so vor, dass sie mehr meckern, aber das kann man nun wirklich nicht verallgemeinern. Ich denke, dass liegt unter anderem auch am Bekanntenkreis. Ich habe mehrere Freundeskreise (die sich untereinander nicht kennen) und in einem wird überhaupt nicht gemeckert, sondern das Leben einfach nur in vollen Zügen genossen.
Ich kenne dieses Verhalten auch zur Genüge und finde es manchmal auch ziemlich nervig. Ein Bekannter von mir ist da ein besonders extremes Exemplar. Es ist egal, wann man ihn fragt. Ich habe in den vergangenen zwei oder drei Jahren, in denen ich ihn kenne, nicht einmal von ihm gehört, dass es ihm gut geht. Er meckert andauernd über die Politik, engagiert sich selbst politisch aber überhaupt nicht. Dann meckert er über das wenige Geld, das er zur Verfügung hat, geht aber nicht arbeiten und gibt sein Geld dann auch für überflüssigen Luxus, also Zigaretten, Klamotten und das Auto, aus. Gerade solche Kandidaten gibt es meiner Erfahrung nach immer wieder, also jene, die immer und überall jammern, aber dann nicht einmal etwas ändern wollen.
Ich weiß nicht, ob es sich dabei um ein typisch deutsches Problem handelt. Aber insgesamt finde ich schon, dass viele Menschen einfach insgesamt zu viel jammern. Die meisten sehen nur die schlechten Seiten, damit sie wieder etwas zu meckern haben. Letztens unterhielt ich mich mit jemandem, der sich darüber aufgeregt hat, dass die Busverbindungen in sein Dorf (es ist wirklich ein kleines Dorf) abends nicht so gut sind. Dabei kann man doch froh sein, dass es in Deutschland überhaupt einen einigermaßen gut ausgebauten öffentlichen Personennahverkehr gibt. Dieses Gemecker ist, wenn es schon kein spezifisch deutsches Problem ist, zumindest ein typisches Problem für die Wohlstandsgesellschaft, in der wir leben. Die Leute erkennen oft gar nicht an, was sie eigentlich haben, sondern sie beklagen das, was sie nicht haben.
Ob die US-Amerikaner grundsätzlich optimistischer in die Zukunft blicken, kann ich nicht beurteilen. Manchmal hört man, dass es in den USA insgesamt oberflächlicher zugeht. Ob das stimmt, kann man als Außenstehender ohne echten Bezug zu diesem Land nicht beurteilen. Wenn jemand sagt, dass es ihm gut geht, bedeutet das aber auch nicht unbedingt, dass das wirklich stimmt. Vielleicht möchten diese Leute einfach nur nicht weinerlich wirken. In Deutschland ist es ja auch oft so, dass diejenigen, denen es wirklich schlecht geht, häufig nicht jammern, während manche über jedes kleine Luxusproblem jammern. Das wird sicher überall so sein.
Ja, ich finde auch, dass die Deutschen zu viel meckern und jammern und aus diesem Grund eine ganz schön anstrengende Mentalität haben verglichen mit Amis, Kanadiern, Australiern und Co. Letztere scheinen richtig "easy going" zu sein, gut gelaunt und optimistisch. Natürlich sind sie damit nicht automatisch immer glücklich, aber wenigstens tragen sie ihre schlechte Laune nicht nach außen, um andere damit anzustecken.
Deutsche beklagen sich gerne über ihre Wehwehchen, aber ich muss dazu sagen, dass es mit dem Alter auch schlimmer wird. Meine Freunde scheinen alle sehr glücklich zu sein mit ihrem Leben, aber die sind überwiegend auch erst Anfang 20, studieren Dinge, die sie erfüllen und haben eine Menge Spaß im Leben. Das finde ich sehr angenehm und bin froh darüber, solche Freunde zu haben. Ich selber mecker selten vor Freunden, auch wenn mir manchmal nach Jammern zumute ist, weil ich dieses negative Denken bei anderen nicht leiden kann und nicht fördern möchte.
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