Sollte man Hauptcharakter im Laufe der Handlung verändern?
Ein Bekannter möchte vielleicht demnächst ebenfalls ein Buch schreiben und hat nun ein wenig recherchiert. Dabei ist er bei der Charakterenbildung darauf gestoßen, dass viele Autoren ihre Charaktere im Laufe der Handlung verändern. Sie entwickeln sich sozusagen fortlaufend. Mit jeder Erfahrung werden sie reifer. Es ist beinahe wie im echten Leben. Er hat auch mich nun gefragt, wie ich es mache, denn auch ich sitze gerade recht viel vor dem Computer und schreibe an einer Geschichte. Auch bei mir gibt es Charaktere, die im Laufe der Geschichte wachsen und sich entwickeln. Eben wie im wahren Leben auch.
Ist so eine Charakterreifung in einem Roman zwingend erforderlich oder würdet ihr auch ein Buch lesen, wo diese Charakterreifung eben nicht unbedingt stattfindet und der Charakter so bleibt wie er ist? Ist die Charakterreifung nötig, damit ein Charakter interessant bleibt und man mit ihm richtig mitfiebern kann?
Das kommt letztlich auf die Art der Geschichte, das Genre und auch die Länge des Buches an. Bei einem Erstlingskrimi ist es vielleicht nicht so wichtig, dass die Hauptfigur eine große Entwicklung macht, ferner ist auch die Krimihandlung eher ausschlaggebend für die Lektüre. Geht ein Buch aber vielleicht in Serie oder man ackert sich durch ein 2000seitige Fantasyepos, wird es langweilig wenn die Figur von vorn bis hinten der große gute Held bleibt. Dann werden Charakter mit Ecken, Kanten und Problemen immer wichtiger. Das trifft übrigens auch Nebenfiguren. Häufig bleiben einfach die Figuren, die nicht ganz glatt sind, beim Leser in Erinnerung, weil sie zum Nachdenken veranlassen.
Ich würde auch sagen, dass es auf die Geschichte ankommt. Wenn die Hauptperson ein junger Mensch ist, so ist es normal, dass diese Person sich entwickelt. Wobei es auch darauf ankommt, in welchem Zeitrahmen die Geschichte spielt. Ich kenne Bücher als Serie, wo die Hauptpersonen über viele Jahre begleitet werden und sich auch entsprechend entwickeln.
Schreibt man eine Geschichte, die nur über einen Zeitraum von wenigen Wochen spielt. so kann man auch keine großen Entwicklungen oder Veränderungen erwarten. Es sei denn, dass ein großer Schicksalsschlag auf diese Person wartet, dann wäre eine große persönliche Veränderung auch nachvollziehbar.
Die meisten Menschen möchten sich ja mit der Hauptfigur identifizieren und der hat einfach eine bestimmte Art und einen bestimmten Charakter, den man entweder gut findet, oder eben nicht. Deswegen bin ich kein großer Fan davon, wenn dieser sich ins Gegenteil umändern würde. Wenn jemand nun immer böse Witze gemacht hat, die ihn ausgezeichnet haben und irgendwann reift er und macht das nicht mehr. Das würde ein Leser sicherlich vermissen.
Sicherlich soll eine Person auch dazu lernen, aber ich würde es nicht übertreiben. Als Beispiel fällt mir Harry Potter ein. Der ist ja im Laufe der Bände auch älter und reifer geworden. Man konnte ihn ja auch nicht ewig so alt und naiv lassen wie am Anfang und mit Erfahrungen wächst man ja sowieso. Die Autorin hat das meiner Meinung nach ganz gut gelöst. Trotzdem ist Harry Potter ja im Grunde immer der geblieben, der er auch im ersten Band schon war.
Ich finde, es kommt darauf an, ob die Charakterentwicklung innerhalb der Handlung zumindest ansatzweise glaubwürdig oder nachvollziehbar dargestellt wird. Manchmal kann es richtig langweilig sein, wenn eine literarische Figur sich brav an Hand der Vorgaben, die sich aus der Handlung und den Interaktionen mit anderen Charakteren ergeben, weiter entwickelt, Fehler und Schwächen erkennt und bekämpft und sich immer mehr zum furchtlosen Recken, weisen Anführer oder zur erfolgreichen Künstlerin entwickelt, um am Schluss quasi perfekt da zu stehen. Sozusagen eine Entwicklung vom Stallburschen zum Thronfolger.
Mit solch streberhaften Charakteren ist es oft schwer, sich zu identifizieren. Aber viele Schriftsteller erschaffen wiederum absichtlich Figuren, mit denen der Leser sich gar nicht identifizieren soll. Deswegen kann eine derartige Entwicklung natürlich auch gewollt sein und im Gesamtzusammenhang Sinn ergeben.
Andererseits habe ich beim Lesen auch schon oft den Kopf geschüttelt, weil überhaupt keine Charakterentwicklung zu erkennen war. Die literarischen Figuren haben teilweise fürchterliche Schicksalsschläge erlitten, saudumme Fehler gemacht oder sind dem falschen Traumpartner hinterher gestolpert, und am Schluss des Buches waren sie genauso naiv, zynisch oder gutgläubig wie am Anfang. Auch das kann ein literarischer Kunstgriff sein, wenn der Verfasser des Werkes weiß, wieso er oder sie diese Figur genau so und nicht anders darstellt. Manchmal habe ich als Leserin allerdings auch den Eindruck, dass es am mangelnden literarischen Können des Autors liegt, wenn seine Charaktere statisch und klischeehaft sind und bleiben.
Fazit: Charakterentwicklung ist ein recht konventionelles Mittel, um ein literarisches Werk voran zu treiben, kann aber auch böse in die Hose gehen. Dies hängt meines Erachtens von der Qualität der Geschichte und des Schöpfers der Handlung ab.
Ich denke auch, dass es bei dieser Frage auf verschiedene Faktoren ankommt. Es ist einfach relevant, worum es in der Geschichte geht und was die Protagonisten im Laufe der Handlung erleben. Darum denke ich, dass auch der Charakter zum Verlauf der Geschichte passen muss. Wenn natürlich ein für den Protagonisten einschneidendes Erlebnis passiert, ist es vergleichsweise logisch, dass dann vielleicht auch eine Veränderung des Charakters folgerichtig ist. Aber wenn so etwas nicht passiert, ist es vielleicht auch komisch, wenn der Protagonist sich verändert. So richtig kann ich das nicht beschreiben, weil es eben immer auf die individuelle Geschichte ankommt.
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