Haben alle kleinen Männer einen Napoleon-Komplex?

Unter Napoleon-Komplex versteht man ja, dass kleingewachsene Männer Minderwertigkeitsgefühle haben und versuchen, diese durch das Zur-Schau-Stellen von Statussymbolen und/oder Macht zu kompensieren. In meinem früheren Job gab es einen Kollegen, der wirklich von auffällig kleiner Körpergröße war. Gleichzeitig war er bekannt und gefürchtet dafür, regelmäßig Machtspielchen zu spielen und Leute gern „auflaufen“ zu lassen, die ihn zum Beispiel etwas fragten oder sonst Hilfe benötigten.

Mit anderen Worten: Ein sozial und mitmenschlich häufig sehr fragwürdiges Verhalten. Als ich dort anfing war er (Taxi-) Fahrer und Zentralist, wie viele andere auch. Nach einiger Zeit wurde er Schichtenplaner (hatte damit natürlich auch mehr Einfluss) und heute ist er Geschäftsführer, gemeinsam mit einem anderen Kollegen. Also bei ihm wurde für mich das Klischee von der Kompensation der Körpergröße durch (übertriebenes) Machstreben komplett erfüllt.

Kennt ihr auch kleine Männer, bei denen ihr das Gefühl habt, sie müssen ständig sich und ihrer Umwelt etwas beweisen? Wie geht ihr damit um? Glaubt ihr, die Gesellschaft ist selbst schuld an so einem Verhalten, weil sie Männer einem solchen Druck aussetzt, immer das Klischee vom „großen, starken Mann“ zu erfüllen?

Ich denke nicht, dass alle kleinen Männer einen solchen Komplex haben, zumindest kenne ich viele Männer, die eher klein sind und mir ist dahingehend noch nichts aufgefallen. Vielleicht ist körperliche Größe für Männer gar nicht so ein wichtiges Kriterium, wie immer behauptet wird. Es gibt ja auch viele kleine Frauen, also vielleicht fehlt denen gar nichts.

Es gibt ja auch unabhängig von der Größe einfach Menschen, die gerne angeben und sich gerne über andere stellen, sodass dieses Verhalten gar nicht mit dem Körper an sich zu tun hat, sondern eher mit einer Neigung, die schon immer vorhanden war.

Mein ehemaliger Deutschlehrer war auch eher klein und auf mich machte er einen normalen Eindruck, er war nicht besonders arrogant und musste sich nicht übertrieben zur Schau stellen. Eigentlich war er von seiner Art her eher lockerer gewesen und er war auch nicht wirklich streng, aber ich glaube nicht, dass es etwas mit seiner Körpergröße zu tun hatte, sondern eigentlich eher mit seiner Person.

Ich glaube nicht, dass alle kleinen Männer Minderwertigkeitskomplexe haben, das finde ich übertrieben. Nicht alle Frauen haben Komplexe, nur weil sie keinen großen Busen haben, ganz im Gegenteil, manche sind mit einer kleinen Brust auch zufrieden. Kein Mensch ist perfekt und auch Menschen, die nicht unbedingt einen schlanken Körper haben, sind nicht nur ausschließlich unglücklich und sie haben auch nicht immer irgendwelche Komplexe.

Manche Menschen denken immer, dass Leute, welche einen "Makel" haben immer etwas kompensieren müssen, aber warum ist das eigentlich so? Ich bin auch nicht perfekt und ich habe auch meine "Schwächen", so wie jeder andere Mensch auch, aber muss ich deswegen diese unbedingt ausgleichen und sofort in einem bestimmten Bereich erfolgreich werden? Wie wäre es einfach, wenn man sich ausnahmsweise einmal selbst akzeptiert und sich bewusst macht, dass andere Menschen eben zu groß, zu klein, zu normal, zu dick oder zu dünn sind?

Es ist ein bisschen so, als hättest du geschrieben alle Menschen sind gleich. Es gibt nicht den typischen kleinen Mann und es gibt auch durchaus kleine Männer, die sehr nett sind und auch einen normalen Umgang mit der Außenwelt haben. Mein Onkel ist kleinwüchsig und geht damit normal um, seine Kinder, meine Cousins sind auch nicht besonders groß, aber deswegen wollen sie nicht in eine Machtposition oder ihre Macht ausspielen. Sie sind ganz offene, nette Menschen. Es gibt immer solche und solche und man kann keinen typischen Menschen finden.

Ich denke, es kommt immer darauf an, wie sich diese mangelnde Größe auswirkt. Gut, ich bin eine Frau, aber ich bin auch sehr klein. Als Jugendliche hatte ich damit meine Probleme und das hätte mich natürlich auch in die eine oder andere Richtung verändern können. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass ich vor allem beim anderen Geschlecht dadurch keinen Nachteil habe. Das ist ein Punkt, der einem jungen Menschen natürlich ziemlich wichtig ist. Aber da ich da keine Probleme hatte, hat mich meine mangelnde Größe nicht sehr beeinträchtigt.

Bei einer Frau finde ich das (im Nachhinein) nicht weiter überraschend. Die meisten Männer mögen kleine Frauen, Beschützerinstinkt und so was. Andersherum ist es leider so, dass Frauen meistens Männer bevorzugen, die größer als sie sind. Es ist auch leider nicht so, dass die großen Frauen die sehr großen Männer nehmen und die kleinen Frauen nehmen die kleinen Männer. Ich habe immer wieder festgestellt, dass selbst kleine Frauen auf große Männer stehen, auch wenn sie dann viel größer als sie sind.

So kann es eben für kleine Männer oft so kommen, dass sie Probleme haben, Partnerinnen zu finden. Ist das der Fall, kann sich ein Minderwertigkeitskomplex herausbilden. Sind sie zufällig ausgesprochen charmant oder sehr gut aussehend, kompensiert das ihre mangelnde Größe und sie finden dennoch Freundinnen. Mein Bruder ist z.B. auch eher klein. Viele meiner Freundinnen fanden ihn süß, aber eben zu klein. Aber er hatte dennoch ausreichend Erfolg bei Frauen und hat deshalb keinen Komplex.

In der Berufswelt ist es genauso. Wenn ein kleiner Mann z.B. auch noch sehr schüchtern ist, ist er eben nicht nur schüchtern, sondern schüchtern und klein. Das ist keine gute Mischung, um ernst genommen zu werden. Hat er aber zufällig irgendeine Fähigkeit, die das Kleine kompensiert oder nicht mehr so wichtig erscheinen lässt, ist es wieder in Ordnung. Z.B. der kleine Lehrer, den hier jemand erwähnt hat. Er hat seinen Job gefunden, er kann gut mit Jugendlichen umgehen, kann gut unterrichten. Wenn er darin schlecht wäre und die Kids vor ihm als Lehrer keinen Respekt hätten, würden sie für ihn Schimpfnamen erfinden, die seine Größe bestimmt miteinbeziehen würden. Kompensieren würde er das womöglich mit besonders herrischem oder strengen Auftreten.

Was ich meine, ist, dass so ein Makel wie eine geringe Körpergröße sehr auffällig ist. Es ist also ein Leichtes, einen Menschen schon beim ersten Treffen danach zu beurteilen. Entweder dieser Mensch erweckt auf den zweiten Blick einen anderen Eindruck und hat Glück gehabt. Dann rückt die Größe in den Hintergrund und er wird wie jeder normal große Mensch behandelt und fühlt sich dann auch gut. Oder er muss es bewusst kompensieren. Im Berufsleben kann das dieses Machtstreben sein.

Das ist jetzt natürlich alles sehr vereinfacht dargestellt. Ich meine damit nicht, dass Männer, um Erfolg bei Frauen zu haben, entweder groß oder gutaussehend sein müssen. Das waren alles nur Beispiele. Es trifft bestimmt auch nicht auf alle kleine Menschen zu. Es stimmt natürlich, dass es nicht nur einen oder zwei Wege gibt, damit umzugehen. Worauf ich hinauswollte, ist, dass es sehr auf die Umwelt ankommt und wie die damit umgeht. Das fängt mit den Eltern an. Meine Mutter hat mir nie viel zugetraut, weil ich ja "die Kleine" war. Wahnsinnig selbstbewusstseinsfördernd war das nicht.