Warum dürfen Azubis keine Sitzwache machen?
Seit einem Jahr arbeite ich als studentische Aushilfe in der Psychiatrie um das Studium zu finanzieren. Nun arbeitet man dort in 99% der Fälle als Sitzwache so wie jetzt gerade auch und beobachtet dabei in der Regel einen Patienten.
Momentan ist auf meiner Station Hochbetrieb und es sind gerade mehrere Studenten im Dienst und es gibt sehr viele Sichtungen auf meiner heutigen Station. Vorhin wurde im Dienstzimmer auch darüber geklagt, dass eben nicht genug Studenten da wären. Hier sind auf dem gesamten Gelände pro Tag pro Schicht bestimmt 10 Studenten im Dienst momentan, das macht 30 Studenten am Tag und das ist natürlich wirklich nicht wenig.
Allerdings laufen auf den Stationen auch immer wieder Auszubildende herum und ich frage mich gerade bei so einem Hochbetrieb wie heute mal wieder, warum Azubis keine Sitzwache machen dürfen. Immerhin sind wir keine Medizinstudenten oder dergleichen. Nein hier laufen BWL-Studenten, Bauingenieure, Erziehungswissenschaftler, Informatiker, Lehrer, also eine bunte Mischung umher. Wir als nicht ausgebildete dürfen ohne Schulung eine Sitzwache absolvieren und dabei teilweise mit Selbst- wie auch Fremd-gefährdenden Patienten umgehen. Die Schüler dürfen dies jedoch auch mit Volljährigkeit nicht.
Hat vielleicht Jemand von euch schon Erfahrung damit gesammelt und weiß zufällig warum Pflegedienstauszubildende diese Tätigkeit nicht ausüben dürfen? Immerhin sind sie oftmals doch viel qualifizierter als Studenten, die mit diesem Beruf nichts zu tun haben.
Auszubildende sind Auszubildende und kein Personal. Sie dürfen nicht eingesetzt werden, um Personal zu ersetzen. Das wird zwar oft von den Lehrherren anders gesehen, aber offiziell dürfen Auszubildende nur dort eingesetzt werden, wo sie auch etwas lernen. Ich weiß jetzt nicht so genau, was eine Sitzwache ist. Wenn es nur eine Überwachung von Patienten ist, ist es eine Arbeit, bei der sie nichts lernen, sondern mit der sie normale Arbeitskräfte, die mehr als ein Azubigehalt bekommen, ersetzen. Und das ist eben nicht erlaubt.
anlupa hat geschrieben:Ich weiß jetzt nicht so genau, was eine Sitzwache ist.
Eine Sitzwache wird angeordnet wenn ein Patient zum Beispiel sehr fremdagressiv ist, oder sehr suizidal und die Gefahr besteht, dass er sich verletzt. Auch bei einer Fixierung wird eine Sichtung angeordnet, ebenso wie es sein kann, dass der Patient so krank und unselbstständig ist, dass eine Sichtung angeordnet wird. Eine Sitzwache ist dann eben eine dauerhafte Sichtung. Da wir allerdings nur Studenten sind wären wir nicht mal verpflichtet den Patienten eine Flasche Wasser anzureichen, weil Patientenkontakt eben den Pflegern vorbehalten ist. Natürlich ruft man dafür keinen Pfleger. Aber die Hauptaufgabe besteht tatsächlich darin den Patientenzustand zu dokumentieren, gegebenenfalls Pflegepersonal zu rufen und im Ernstfall Alarm zu geben und wenn möglich den Patienten von gewissen Handlungen abhalten.
anlupa hat geschrieben:Wenn es nur eine Überwachung von Patienten ist, ist es eine Arbeit, bei der sie nichts lernen, sondern mit der sie normale Arbeitskräfte, die mehr als ein Azubigehalt bekommen, ersetzen. Und das ist eben nicht erlaubt.
Meiner subjektiven Einschätzung nach wäre dies sehr Patientenabhängig. Je nachdem was mit dem Patienten ist kann es schon sehr viel Pflegebedarf geben, wo ich als "nur Studentin" dann ständig einen Pfleger rufen muss und dies übernimmt dann eben oft auch ein Schüler. Aber du hast Recht es gibt Patienten da wäre der pflegerische Bedarf doch sehr gering.
Wozu einen Auszubildenden als Sitzwache vergeuden? Je nach Lehrjahr dürfen die doch schon ziemlich viel, gerade in der großen Krankenpflege. Die müssen die Grundpflege durchführen, nach Aufsicht Tabletten geben, Infusionen überwachen und anderes. All das darf ein Student nicht und da wäre es doch Vergeudung, wenn man einen Auszubildenden Sitzwache machen lässt.
Ihr "dürft" das, weil es ein - Entschuldigung - recht stupide Aufgabe ist. Wenn nämlich etwas mit dem Patienten ist, den ihr da gerade bewacht, dann müsst ihr ja auch die Schwestern oder Ärzte rufen. Eure Tätigkeit liegt unter der von einem Auszubildenden, das erste Lehrjahr vielleicht ausgenommen. Natürlich ist diese Aufgabe trotzdem enorm wichtig, das steht außer Frage. Aber ich würde das mal nicht überbewerten, denn insgesamt darf ein Auszubildender sehr viel mehr und wird deswegen für andere Sachen gebraucht.
Ich habe ja in einem anderen Beitrag schon meine Verwunderung darüber geäußert, dass solche Aufgaben von berufsfremden Aushilfen übernommen werden. Und mich verwundert es immer noch.
Bei Auszubildenden besteht generell eine andere Haftung und auch eine andere Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Auszubildenden. Passiert während der Sitzwache was, kann nicht der Auszubildende haftbar gemacht werden, sondern die Ausbilder oder gar die Einrichtung. Ich denke, das ist bei Aushilfen was anderes oder? Und Personen die fremdgefährdend sind, stellen ja auch eine Gefahr für die Auszubildenden dar. Was sicherlich auch ein Grund ist, warum der Arbeitgeber seine Auszubildenden anders schützt. Passiert einem Auszubildendem etwas, während er seiner Tätigkeit nach geht, ist das was anderes, als wenn einem Angestellten etwas passiert.
Ich persönlich halte es nicht für richtig, wenn solche Aufgaben, gerade in der Psychiatrie, an berufsfremde Aushilfen abgegeben werden. Ich als Patient käme mir wahrscheinlich ein wenig verarscht vor. Das ist nichts gegen dich oder andere, die diesen Job eben machen oder machen müssen. Aber ich denke, ihr seid fachlich einfach nicht dafür geschult, mit Menschen umzugehen, die in einer solchen Krise stecken, die eine Sitzwache notwendig macht. Sicherlich mag es Ausnahmen geben. Besonders empathische Studenten gibt es sicherlich in jeder Studienrichtung.
Passiert einem Auszubildendem etwas, während er seiner Tätigkeit nach geht, ist das was anderes, als wenn einem Angestellten etwas passiert.
Das ist Quatsch. Wenn wirklich was passieren sollte, dann würde der Fall genau analysiert. Und ein Student ist auch eine ungelernte Person, die ausschließlich mit Hilfstätigkeiten beauftragt werden kann. Eben solche, wo man kein Fachwissen benötigt. Auf einen fixierten Patienten aufzupassen ist keine Kunst und erfordert kein Fachwissen. Und jeder Student ist in der Lage, die Schwester zu rufen, wenn es Probleme mit dem Patienten gibt.
Wer schon mal Sitzwache gemacht hat, der weiß wohl, was das für eine Tätigkeit ist. Und man würde auch keinen Studenten in ein Zimmer zu einen Patienten schicken, der wirklich gefährlich ist.
Ich sehe es halt aus Sicht eines Patienten. Das die Arbeit eher stumpfsinnig sein mag, gebe ich ja durchaus zu. Würde man mich fixieren, wäre es für mich die Hölle, wenn da jemand sitzt, der nicht ausgebildet ist.
Ich erkläre es aber mal anders. Sollte ich jemals fixiert werden müssen, dann aus Gründen der Eigengefährdung. Typische Situation wäre wohl massive Suizidalität. Rein vom Intellekt her wäre mir wahrscheinlich klar, warum man mich fixiert hat. Rein vom emotionalen allerdings leider nicht. Für mich wäre ganz wichtig, dass mit mir kommuniziert wird.
Ich stelle mir das gerade so vor. Ich liege in dem Fixierbett. Wahrscheinlich bin ich eh nur am Heulen. Und ich werde ständig fragen. Absolut hilflos fragen. Noch nicht mal wütend oder so. Eher verzweifelt. Nun sitzt da jemand, der da halt eben nur sitzt und schaut das ich mir nichts antue. Was eh nicht möglich ist, wenn ich fixiert bin. Der mir nur sagen kann, dass er keine Ahnung hat? Oder was sonst will man mir erklären? Wobei das die Luxusfassung wäre.
Hier bringen es sogar gelernte Vollzeitkräfte fertig, mit offener Zimmertür dem fixierten Patienten in einem hämischen Ton entgegen zu schleudern, er würde ja wissen, warum er fixiert ist. Bewusst so, dass jeder der auf dem Flur vorbei läuft es mit bekommt. Und bevor nun was von Pflege nicht alleine in so einem Zimmer lassen. Die Fixierzimmer sind hier mit Videoüberwachung ausgestattet.
Ich kann nur für mich sprechen. Ich käme mir allein gelassen vor. Wahrscheinlich auch ziemlich verarscht, wenn ich merke, da sitzt nur eine Hilfskraft. Ohne das nun negativ bezogen auf die Aushilfe zu meinen. Die kann da nichts für.
Und bevor nun jemand so schlau ist und mir sagt, in der Situation wird man mich eh mit irgendwas ruhig stellen - bei mir schlagen die Standardsachen (leider) nicht an. Noch dazu wäre ich so verängstigt, dass ich mich zwingen würde wach zu bleiben.
Generell kann sicherlich jemand ungelerntes eine Sitzwache machen. Ich halte sie nur in Psychiatrie nicht unbedingt angebracht. Beziehungsweise käme es auf die Situation an. Einen alkoholisierten Menschen, der andere angreift und der nicht zur Ruhe zu bringen ist, da ist es vielleicht egal.
LittleSister hat geschrieben: Nun sitzt da jemand, der da halt eben nur sitzt und schaut das ich mir nichts antue. Was eh nicht möglich ist, wenn ich fixiert bin. Der mir nur sagen kann, dass er keine Ahnung hat? Oder was sonst will man mir erklären?
Entschuldige aber da greift deine Unwissenheit über diese Situation. Ich könnte dir tausend Sachen aufzählen was schon in einer Fixierung passiert ist und mich zum sprinten, oder dazu brachte den Patienten fest zu halten. Nicht ohne Grund gibt es diese Anordnung, dass fixierte Personen eine Sitzwache bekommen. Genauso wie es quatsch ist das dort ein Pfleger sitzen müsste. Sitzwache heißt nicht Einzelbetreuung. Würde ein Pfleger mit im Zimmer sitzen, dann würde er seinen Bürokram machen und dich ignorieren bist du wieder klar und bei Sinnen bist. Einzelbetreuung gibt es schließlich auch mit Fixierung nicht. Da sind einige Patienten ziemlich dankbar über die Sitzwache. Immerhin redet Jemand mit ihnen und wenn Probleme sind, oder der Patient wünsche hat, dann rufe ich natürlich sofort eine Pflegekraft.
LittleSister hat geschrieben:Und bevor nun jemand so schlau ist und mir sagt, in der Situation wird man mich eh mit irgendwas ruhig stellen - bei mir schlagen die Standardsachen (leider) nicht an. Noch dazu wäre ich so verängstigt, dass ich mich zwingen würde wach zu bleiben.
Da brauchst du dir keine Gedanken machen. Medikamente dürfen schließlich nicht aufgezwungen werden. Die Patienten werden ja nicht gleich ruhig gestellt nur weil sie fixiert werden mussten. Manche bitten sogar um die Fixierung, weil es ihnen so leichter fällt. Medikamente wurden nur aufgezwungen in den Fällen in denen ich dabei war, wo die Person auch nach Stunden die Fixierung immer aufbrach und fremdagressive Tendenzen hatte, die sich äußerten.
LittleSister hat geschrieben:Generell kann sicherlich jemand ungelerntes eine Sitzwache machen. Ich halte sie nur in Psychiatrie nicht unbedingt angebracht. Beziehungsweise käme es auf die Situation an. Einen alkoholisierten Menschen, der andere angreift und der nicht zur Ruhe zu bringen ist, da ist es vielleicht egal.
Ich glaube es ist einfach sehr schwer sich dies vorzustellen, wenn man diese Tätigkeit nicht ausübt. Sitzwache ist auch nicht immer gleichbedeutend mit Fixierung. Ich war zum Beispiel mal bei einer sehr lieben alten dementen Dame, die eine schwere OP hinter sich hatte und so ein Korsett trug. Sie durfte eben nicht aufstehen und dieses Korsett nicht entfernen vergaß aber alle 3 Minuten warum sie die Sachen trug und fing dann bitterlich an zu weinen. Ich hab nachher schon fast mit geweint und ihre Hand gehalten. Auch so eine Tätigkeit ist Sitzwache.
Nebenbei werden wir zumindest im Vorfeld über das Krankheitsbild der zu besitzwachenden Person aufgeklärt und uns wird gesagt was wir beachten müssen. Bei Suizidpatienten sind das manchmal wirklich Kleinigkeiten, oder eben leider auch so etwas "stupides" wie darauf zu achten, dass die Toilettentür aufbleibt.
Mir ging es auch nicht um Einzelbetreuung, sondern das mein Ansprechpartner eben auch fachlich Auskunft geben kann, beziehungsweise eben geschult ist, mit jemand wie mir in der Situation umzugehen. Und sicherlich kann man mir das auch bei Fachpersonal passieren, dass ich jemand da sitzen habe, der mir keine Auskunft gibt. Sei es weil die Person keine Lust hat oder es eine Anweisung gibt, dass mir nichts erklärt werden darf oder oder oder.
Ich habe versucht mal die Situation aus Sicht eines Patienten zu schildern. Ich kenne Fixierung hier nur mit Überwachungszimmern, die eben über Videoüberwachung überwacht werden. Als ich die Anlage das erste Mal gesehen habe, als die Klinik noch nicht eröffnet hatte, fand ich das irgendwie cool. Dachte mir auch, die Übertragung läuft ja an den Pflegestützpunkt und ist so sicherlich effektiv. Leider scheint es das aber nicht zu sein. Eine Mitpatientin erzählte, dass sie mehrfach gesagt hat, dass sie auf die Toilette muss und es sei keiner gekommen und sie habe dann halt irgendwann ins Bett machen müssen. Sie hat sich fürchterlich geschämt, dass sie nun noch jemand sauber machen musste.
Mir wäre es in so einer Situation eben wichtig, dass ein Ansprechpartner da ist. Ich kann es nicht besser erkläre, sorry. Ich weiß aber, wie es ist, wenn man in der Psychiatrie ist und kein Ansprechpartner da ist. Ich stelle mir das noch schlimmer vor, wenn eine Fixierung statt findet.
Ich bezog mich in dem Beitrag, aus dem du zitierst, auch bewusst auf die Sitzwache bei fixierten Patienten in der Psychiatrie. Ich sagte auch klar, dass es sicher Unterschiede gibt. Ich gebe zu, dass ich eventuell nun auch ein wenig kleinlich rüber komme. Ich für meinen Teil habe leider oft genug mit Leuten zu tun gehabt, die mir eigentlich hätten helfen müssen und es nicht taten oder nicht konnten, weil ihnen die Fähigkeiten dazu fehlten. Und klar sind mir auch Menschen begegnet, die auch ohne Ausbildung einen Draht zu mir fanden.
Ich halte manche Verfahrensweise wie sie in der Psychiatrie eben mittlerweile ausgeführt werden, eben nicht immer für gut. Wie gesagt, klar kann ein Mensch einen Draht zu einem finden. Dann ist es auch ok. Aber wenn was schief läuft, dann ist es der Patient, der am meisten darunter leidet.
Ein Ansprechpartner ist doch da. Der sitzt dann nur nicht neben dir. Das macht der Student und wenn der nicht weiter weiß, dann holt er sich jemanden, der dir Auskunft geben kann. Und beruhigende Worte hat auch ein Student übrig. Manches Mal besser, als eine gestresste Schwester. Und wieviele Schwestern soll man denn da einstellen? Für so eine Tätigkeit wie Sitzwache Fachpersonal abkommandieren? Das ist unmöglich. Sorry, aber es gibt eben wirklich wichtigere Sachen, die man als Schwester erledigen muss, was nicht heißt, dass man dir nicht gerne Auskunft gibt, warum du dich in diesem Zustand befindest.
Viele Patienten schlafen ja zum Beispiel auch bei der Sitzwache und da kann man wohl kaum jemanden die ganze Zeit daneben setzen, der in der Zeit anderes erledigen müsste. Und dann dürfen selbst Schwestern nicht über alles Auskunft geben, weil viele Informationen durch einen Arzt erfolgen müssen. Und die sind bekanntlich noch begrenzter verfügbar, als Schwestern.
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