Bürgermeister geht persönlich auf Stimmenfang

Gerade auf Arbeit hat mir ein Kollege etwas für mich doch sehr erstaunliches erzählt. Er war wohl zu hause und es klingelte vor ein paar Tagen bei ihm und das war der Bürgermeister dieser nicht gerade kleinen Stadt höchstpersönlich. Mein Kollege war wohl sehr verwundert und erstaunt. Der Bürgermeister wünschte ihm nur einen schönen Tag und überreichte ihm ein kleines Paket.

In dem Paket waren dann zwar nur ein Block und Stift und ich glaube ein Bonbon. Allerdings geht der Bürgermeister scheinbar tatsächlich von Wohnung zu Wohnung. Auch reagierte er verwundert warum mein Kollege denn so erstaunt über seinen Besuch war. So als wäre es selbstverständlich das der Bürgermeister vor der Tür steht.

Auch ich wäre doch sehr verwundert gewesen, wenn der Bürgermeister vor meiner Tür gestanden hätte. Ich kenne das so nicht, dass der Bürgermeister so persönlich auf Stimmenfang geht. Was haltet ihr von solch einer Werbeaktion?

Ich persönlich würde es nicht begrüßen, wenn der Bürgermeister unangemeldet persönlich vor der Türe stehen würde. Ich mag es überhaupt nicht, wenn jemand unangemeldet klingelt, auch nicht der Bürgermeister. Etwas anderes wäre es, wenn er sich vorher anmeldet. Dann könnte ich mir nämlich vorher Fragen überlegen und aufräumen, so dass ich ihn zu einer Tasse Kaffee hereinbitten könnte.

Aber grundsätzlich ist gegen den Versuch, auf diese Art Stimmen zu bekommen, nichts einzuwenden. Es soll wohl Bürgernähe zeigen und manche Leute freuen sich vielleicht über so viel scheinbares persönliches Interesse. Ich würde aber wahrscheinlich ablehnend reagieren und wie üblich sagen, dass ich an der Haustüre nichts kaufe, nichts spende, meine Religion nicht wechsle und auch keine Wahlentscheidung treffe.

Ich finde das eigentlich ganz gut, weil man so eben auch an die Menschen herankommt und diese mal ihre Fragen loswerden können. Man wählt doch meistens nur Menschen, die man noch nie gesehen hat und die man nur von Plakaten und Zeitungsbildern kennt. Da ist es ganz schön, wenn sich der Bürgermeister die Zeit nimmt und persönlich vorbei schaut. In meiner alten Heimat haben das die Kandidaten bei den Firmen und Geschäften gemacht und sich eben auch mal vorgestellt, allerdings ohne Geschenk. Das Geschenk finde ich dann wiederum nicht ganz so gut, weil das dann nach Bestechung aussieht und ich denke, dass man dann auch persönlich bestehen muss.

Ich finde es eigentlich schon gut, wenn der Bürgermeister selbst bei den Einwohnern auf Stimmenfang geht. Aber wahrscheinlich würde ich auch verwundert reagieren wenn unser Bürgermeistern vor meiner Tür stehen würde. Unser Bürgermeister hat das nämlich noch nie getan. Das einzige was er oft tut, ist sich vor das Rathaus in der Hauptstraße zu stellen und den Passanten die Hand zu schütteln, wenn es wieder auf den Wahltermin zu geht. Manchmal verteilt er dann auch Bonbons, Blöcke oder Stifte aber eben nur vor dem Rathaus. Ich denke aber auch, dass das von Haus zu Haus gehen, bei uns einfach auch wegen der nicht allzu niedrigen Einwohnerzahl einfach nicht funktionieren würde.

Ich finde das irgendwie gar nicht gut. Sicher soll es Bürgernähe vermitteln, aber es entsteht doch gar keine Nähe dadurch. Mein Postbote macht das alle ein, zwei Wochen. Er klingelt und übergibt mir ein Paket. Dadurch fühle ich mich meinem Postboten nicht gerade nahe. Ich könnte mir vorstellen, dass das bei älteren Leuten gut ankommt und ihre Wahl beeinflusst. Aber diese Beeinflussung basiert dann nicht auf einer rationalen, die Politik des Bürgermeisters betreffenden Entscheidung. Das erinnert mich mehr an eine alte Frau, die sich durch die nicht ernst gemeinten Schmeicheleien eines Machos zu irgendetwas überreden lässt, so wie es in alten Filmen dargestellt wird. Einfach nur, weil sie sonst nie Komplimente bekommt.

Auch ist es nicht nötig, sich auf diesen Besuch vorzubereiten, wie anlupa sich das wünschen würde. Für einen Kaffee hätte der Mann doch gar keine Zeit und für Fragen wahrscheinlich auch nicht. Er muss ja immerhin noch etliche Klinken putzen. Da finde ich eine abendfüllende Wahlveranstaltung, bei der Bürger Fragen stellen können, eine viel angemessenere Plattform für Bürgernähe.