Würdet ihr Sterbehilfe bei eurem Kind akzeptieren?
Ich habe vor wenigen Tagen das Buch "Ein ganzes halbes Jahr" gelesen. Der Roman ist ziemlich neu auf dem Markt und hat super Bewertungen. Ähnlich wie in "Ziemlich beste Freunde" geht es um einen Mann, der Querschnittsgelähmt ist. Er heißt Will, ist Anfang 30 und war bis zu einem Unfall ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann mit viel Lebenslust und Energie. Nach dem Unfall hat sich natürlich alles verändert, er konnte nichts mehr alleine machen und hat auch ein mal versucht sich das Leben zu nehmen. Lou, die eine Arbeit sucht, wurde angestellt, um sich um ihn zu kümmern. Sie erfährt erst später, dass sie Will dazu bringen soll, weiter Leben zu wollen.
Am Ende, nach vielen Reisen, Unternehmungen, und dem Beginn einer Liebesgeschichte zwischen den beiden, entschließt er sich trotzdem in die Schweiz zu fahren, um Sterbehilfe zu bekommen. Eine Organisation namens Dignitas will ihm dabei helfen. Lou entscheidet sich nach langem Hin und Her dafür, seine Entscheidung zu akzeptieren und in seinen letzten Minuten dabei zu sein.
Das Buch hat mich ziemlich schockiert, ich hab mich bisher nie mit Sterbehilfe befasst und fand das Buch recht gut. Ich hab mich gefragt, wie das andere sehen. Die Eltern von Will haben natürlich alles dafür getan, dass er sich umentscheidet und hatten nach dem Suizid Versuch große Angst, dass er sich nochmal etwas antut. Daher haben sie mit ihm abgemacht, dass er ein halbes Jahr wartet, bis er sich dafür entscheidet, zu sterben. Sie haben in Lou all ihre Hoffnung und Kraft gesetzt, mussten dann aber seine Entscheidung akzeptieren und sind mit ihm in die Schweiz gefahren.
Wie würdet ihr an der Stelle seiner Eltern reagieren? Würdet ihr es ertragen, dass euer Sohn /Tochter den Tod plant, weil es für sie keinen Sinn macht zu leben? Würdet ihr es mit allen Mitteln verhindern oder es akzeptieren und das Kind unterstützen?
Das ist wieder so eine Frage, die man gar nicht beantworten kann, wenn man nicht in dieser Situation steckt. Ich weiß es schlicht und ergreifend nicht, was ich tun würde. Es kommt auf jedes Detail des Falls an. Man muss sich auch vorher noch keine Gedanken darum machen, denn es ist eine Situation, in der man noch genug Zeit zum Nachdenken hat. Wie dann die Entscheidung ausfällt, kann niemand prognostizieren.
Ich bin selber "suizidal veranlagt". Ich habe als Jugendliche zwei Mal Tabletten genommen, um mich umzubringen. Und ich plane es auch für meinen Lebensabend. Ich habe kein Interesse daran, 100 Jahre alt zu werden, wenn die letzten 20 davon unter Schmerzen und Demenz ablaufen. Ich glaube nicht an Gott oder ein Leben danach. Daher hält mich eigentlich nichts davon ab, mein Leben zu beenden, wenn ich keine Lust mehr habe, es weiterzuführen.
Daher kann ich es sehr gut nachvollziehen, wenn ein Mann im Rollstuhl diesen Weg wählt. Als Angehöriger das mitzuerleben, ist natürlich extrem schwer. Gerade für Eltern ist es sehr schwierig, ihr Kind zu überleben. Aber ich hoffe sehr, dass ich dennoch die Kraft dazu hätte und bewundere jeden, der sie hat. In dem geschilderten Fall war der Mann ja sogar erwachsen und hat eine wohlüberlegte Entscheidung getroffen. Diese nicht zu akzeptieren, wäre schlichtweg egoistisch. Denn dann geht es nur noch um den eigenen Verlust. Er selber will es ja so.
Ich habe das Buch „Ein ganzes halbes Jahr“ vor kurzem auch gelesen und es hat mich ziemlich geschockt zurück gelassen. Ich habe mich mit dem Thema bisher auch nicht befasst und habe während des Lesens erst einmal nach der Einrichtung in der Schweiz gegooglet und mich schlau gemacht, bevor ich weitergelesen habe. Eigentlich dachte ich, das Buch wäre ein typisches „Happy End“-Buch, aber da habe ich wohl falsch gedacht und demnach sind auf den letzten paar Seiten dann auch die Tränen geflossen. Zwar hat die Autorin mit einem kleinen Zeitsprung versucht, ein versöhnliches Ende zu finden, aber wenn ich mir denke, dass mein Freund diese Entscheidung getroffen hätte, dann hätte ich das nicht so hingenommen, wie Lou, die Frau in dem Buch.
Aber für die Eltern muss es ja ebenso furchtbar gewesen sein. Vor allem die Mutter war ja sichtlich mitgenommen von der Entscheidung ihres Sohnes und noch viel schlimmer fand ich die Tatsache, dass für sie einfach die Uhr getickt hat, weil sie genau sechs Monate mit ihrem Sohn hatte und dann gab es für sie kein Zurück mehr. Das ist schon hart, vor allem wenn man dann am Ende des Tages als Elternteil bemerkt, dass man den Tag nicht richtig genutzt hat und stattdessen mit Arbeit oder etwas anderem beschäftigt war.
Ein Stück weit muss ich aber auch Bienenkönigin zustimmen. Der Mann war erwachsen und bei vollem Verstand und hat diese Entscheidung getroffen, also sollte sie auch akzeptiert werden. Er hat sie auch mehr oder weniger anschaulich erklärt, auch wenn man es sich als gesunder Mensch wahrscheinlich nicht so ganz vorstellen kann, wie es ist, an einen Rollstuhl gefesselt zu sein. Die vielen Beispiele, die im Buch genannt wurden (angefangen bei einfachen Dingen wie Treppenstufen bis hin zu der Tatsache, nie wieder unabhängig sein zu können und der Fakt, dass die Krankheit nie besser, sondern eher schlimmer wird), haben mich aber fast davon überzeugt, dass ein Leben auf diese Art fast nicht lebenswert ist.
Ich denke, dass es sehr schwierig ist da etwas zu sagen, wenn man selber nicht in so einer Situation war. Ich bin ein Mensch, der es jedoch akzeptieren kann, wenn man sein Leben selber beendet. Ich räume jeden dieses Recht ein und deswegen würde ich das prinzipiell auch bei meinem Kind machen. Jedoch ist es eben auch eine sehr emotionale Sache, wenn das eigene Kind Selbstmord begeht und wenn es diesen vorher ankündigt ist das ja auch oftmals ein Hilferuf, weswegen ich das sicherlich auch mit dem halben Jahr machen würde mit meinem Kind. Dann würde ich aber auch dabei sein wollen, wenn es soweit ist und das auch akzeptieren können.
Ich kenne das Buch nicht. Bin auch gerade unschlüssig, ob ich es lesen sollte. Reizen würde es mich, gebe ich zu.
Über die Sterbehilfeorganisation hatte ich allerdings schon mal was gelesen. Wobei ich der Möglichkeit aus dem Weg gehe, da mir die Beschäftigung mit dem Thema eindeutig nicht gut tun würde. Außerdem gibt es die Möglichkeit eben in Deutschland (leider!) nicht. Und wenn ich mich recht entsinne, kann man auch nicht einfach mal dort hin fahren und den Selbstmord planen. Da gibt es noch irgendwelche Auflagen für Ausländer. Was einer der Gründe war, mich mit der Organisation nicht weiter zu beschäftigen.
Ich bin chronisch suizidal. Suizidgedanken bestimmen zum Teil mein Leben. In ganz schlimmen Phasen empfinde ich den Gedanken, ganz alleine aus dem Leben zu scheiden sehr bitter. Deshalb kann ich den Protagonisten des Romanes verstehen, dass er sich Unterstützung sucht. Denn dafür ist die Organisation unter anderem da.
Ich habe keine eigenen Kinder. Ich denke, mein Vater würde einen Suizid von mir nicht verstehen. Ob er darunter leiden würde, weiß ich nicht. Da spielt viel noch der Gedanke mit rein, was denn die Leute sagen werden. Das wäre auch das Hauptproblem meiner Mutter gewesen.
An sich bin ich auch der Meinung, dass ein erwachsener Mensch das Recht haben sollte, darüber zu bestimmen, was er mit seinem Körper macht. Wenn es um Leben und Tod geht, ist das natürlich ein Extremfall, aber auch dann sollte dieses Recht der Selbstbestimmung einem erwachsenen, geistig gesunden Menschen nicht verwehrt werden. Aus Prinzip müsste ich das natürlich auch bei meinen eigenen Kindern so sehen.
Wobei einige Leute wohl anzweifeln würden, ob jemand, der sich töten möchte, geistig völlig gesund ist. Da gehen die Meinungen schon auseinander, und schon hätte man ein Problem bei der Beurteilung. Denn wenn man nun sagt, dass ein Lebenswille um jeden Preis der Beweis für eine geistige Gesundheit sei, dann müsste man einen suizidalen Menschen als geistig ungesund und damit unfähig zur Selbstbestimmung bezeichnen. Und schon wäre es nicht mehr zu akzeptieren, dass die Entscheidung zur Sterbehilfe durch die Person getroffen wird.
Da ist nun die Frage, wie es rechtlich in Deutschland aussieht. Werden Menschen nach Suizidgedanken heutzutage nicht mehr zwangsweise in Kliniken untergebracht, um sie "vor sich selbst zu schützen"? Das würde ja bedeuten, dass man ihnen diese Fähigkeit zur Selbstbestimmung über den eigenen Tod abspricht. Betrachtet man sie also als Kranke?
Ungeachtet dessen vertrete ich persönlich die Meinung, dass es schon Situationen gibt, in denen ein geistig gesunder Mensch sein Leben beenden möchte. Wobei ich, von den Kommentaren hier ausgegangen, denn ich habe das Buch selber noch nicht gelesen, schon eine Sache besonders schlimm finde. Und das ist nicht, sich für den Tod zu entscheiden, sondern, welche Leiden damit den Eltern und der Partnerin bereitet werden.
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Partnerin eines Querschnittsgelähmten, trotz allem Verständnis gegenüber dessen Leid, sich irgendwie ungeliebt fühlen könnte, wenn der Partner sich trotz aller Liebe und Hingabe der letzten Monate oder Jahre dafür entscheidet, aus dem Leben zu scheiden und sich damit ja auch von der Partnerin für immer zu verabschieden. Bei einigen Menschen könnte da die Frage aufkommen, ob die Liebe etwa nicht groß genug war. Denn gemeinhin möchte man ja bei seinem Partner bleiben, und zwar so lange, wie nur möglich. Wobei ich dem schwer Erkrankten in diesem Fall auch keine Vorwürfe machen möchte, denn seine Entscheidung hat er wohl eher nicht leichtfertig getroffen.
Wobei ich persönlich wohl allein schon dem Partner zuliebe versuchen würde, möglichst lange am Leben zu bleiben, aller Schmerzen zum Trotz. Ich weiß, das ist leicht gesagt. Aber einige Menschen schaffen das tatsächlich. Ein guter Freund von mir, der letztendlich nach monatelangem Leiden, das teilweise unerträglich war, an Krebs mit multiplen Metastasen verstorben ist, hielt auch tapfer durch, allein schon, weil ihm das Leben an sich so wertvoll erschien, dass er es aus Prinzip nicht vorzeitig beenden wollte. Solche Fälle gibt es also auch.
Ich selber habe übrigens auch keine Kinder. Und ich habe nicht vor, zu sterben, das gleich vorweg. Aber würde ich es vorhaben, und würde ich mich sogar irgendwann töten, dann hätten meine Eltern dafür garantiert kein Verständnis. Mein Vater geht sogar soweit, dass er suizidale Menschen feige findet, und Suizid an sich schwach und verwerflich. Weil das Leben so wertvoll sei und man es nicht verschwenden dürfe. Wobei ich sein Urteil daneben finde, weil es mir einfach zu aggressiv und einseitig ist. Aber ich weiß, würde ich den Wunsch äußern, sterben zu wollen, bekäme ich seitens meiner Familie wirklich null Unterstützung, nicht einmal Verständnis.
Ich denke das ist ein sehr schwieriges Thema. Man kann es gar nicht beantworten solange man nicht in der Situation ist. Oft sagt man als außenstehender das es vermutlich besser für denjenigen ist und man ihn machen lassen soll, aber für Eltern ist das einfach sehr schwierig. Ich möchte nicht in der Situation stecken. Ich weiß nicht wie ich es entscheiden würde wenn jetzt eine meiner Töchter in dieser Situation wäre. Ich finde es schrecklich. Dabei ist es ja noch einmal ein Unterschied ob es sich um einen Erwachsenen handelt oder um ein Kind.
Eine Bekannte von mir steckt im Moment in so einer ähnlichen Situation nur das es sich um ein Baby handelt und nicht direkt um Sterbehilfe sondern ob die Maschinen abgeschalten werden. Ich denke wenn man Mutter von so jemanden ist, egal ob noch Kleinkind oder ein Erwachsener, kann man nicht richtig entscheiden. Man ist irgendwie egoistisch und möchte denjenigen, egal wie es ihm geht, bei sich haben. Ich glaube akzeptieren können würde ich es nicht, aber ich werde es akzeptieren müssen. Das ist der Unterschied.
Da ich aus einer Familie komme, in der es bereits mehrere Selbstmorde gegeben hat, bin ich da vielleicht von hause aus etwas lockerer eingestellt als andere Menschen. Ich persönlich kann es voll und ganz verstehen, wenn ein Mensch nicht mehr leben will und in Betracht zieht, entweder einen Selbstmord zu begehen, oder Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Deswegen würde ich es, denke ich zumindest, auch bei meinen Kindern akzeptieren. Natürlich habe ich gar keine eigenen Kinder, weswegen ich nur hypothetisch antworten kann auf diese Fragen.
In einer Gesellschaft, in der es an der Tagesordnung ist, leidende Tiere einzuschläfern, kann ich es nicht ganz verstehen, dass es so ein absolutes Aufregethema ist, wenn ein Mensch, der vielleicht durch einen Schicksalsschlag große Teile seines bisherigen Lebens einbüßen musste, sich selber aus freien Stücken dazu entschließt, sterben zu wollen. Bei einem Tier, einer niederen Kreatur, entscheidet der Mensch über dessen Kopf hinweg, vielleicht, weil ihm die Tierarztkosten einfach zu teuer wären. Bei einem Menschen mit freiem Willen aber versucht die halbe Welt, ihn von seiner Entscheidung abzubringen. Das finde ich einfach nicht richtig, denn wenn jemand zu dieser Einsicht kommt, dass er nicht mehr leben möchte, dann soll man ihm doch seinen Frieden geben und ihn aus seinem Leid erlösen!
Es ist sicherlich sehr schwer, wenn man ein Kind hat und dieses einem erzählt, dass es nun in die Schweiz fahren möchte und nicht mehr lebendig zurückkommen wird. Da ist es, denke ich, ganz egal, wie alt dieses Kind nun mittlerweile ist. Das ist eine Entscheidung, die man als Elternteil sicherlich nur schwer akzeptieren kann und die man erst einmal verdauen muss. Aber ich denke dennoch, dass ich sie akzeptieren würde, zumal ich diese Gedankengänge wirklich nachvollziehen kann.
Dieses Buch kommt gleich mal auf die Liste der Bücher, die ich demnächst lesen möchte. Die Thematik ist sehr interessant und es scheint ein fesselndes Buch zu sein.
Ich muss aber auch sagen, dass ich diese Frage pauschal gar nicht beantworten könnte. Ich bin glücklicherweise nicht in solch einer Situation und ich habe selbst noch keine Kinder. Aber es würde mir höchstwahrscheinlich das Herz brechen, wenn mein Kind des Lebens überdrüssig werden würde. Auch, wenn mein Kind schon volljährig wäre. Es ist, denke ich, nicht schön, die eigenen Kinder zu überleben. Das Leben hat zwar schlechte Seiten, aber natürlich auch viele gute Seiten und es ist schade, wenn ein Mensch die gehaltene Waage nicht sieht.
Im Falle des Buches war die Hauptperson ja querschnittsgelähmt und da ist es dann wahrscheinlich noch einmal etwas anderes. Eine Bekannte von mir ist seit einem Unfall auch querschnittsgelähmt, hat aber ihre Lebensfreude nach einem tiefen Tief wiedergewonnen. Ich könnte aber in solch einem Falle auch verstehen, wenn man nicht weiterleben möchte. Aber das sagt sich jetzt auch relativ einfach - man muss wirklich erst einmal in solch einer Situation sein.
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