Nennen wir das, was von Heiden übernommen wurde, Aberglaube?

vom 11.08.2013, 12:37 Uhr

Dem eigentlichen religiösen Glauben steht der Aberglaube gegenüber. Bei beiden hat man nichts Greifbares, nichts Fassbares. Es ist schwer, etwas zu akzeptieren, dass man nur glauben kann, weder sehen, riechen noch schmecken oder fassen. Vielen gelingt es beim religiösen Glauben. Der Aberglaube ist das, was dem religiösen Glauben gegenübersteht, nutzlos, irrational und unglaubhaft. Es handelt sich also um einen Glauben, der sich vom religiösen abgetrennt hat, einem Glauben, der aus den Bräuchen der Heiden übernommen wurde.

Schon seit Anbeginn der Menschheit besteht der Wunsch, Unheimliches nicht geschehen zu lassen oder nicht auf das Glück zu warten, sondern es herbeizuführen. Laut Religion ist der Aberglaube eine Menschenverführung des Widersachers. Stattdessen möchte ich sagen, dass es übernommene Bräuche sind. Eine Erklärung für den Aberglauben werden wir nicht so schnell finden oder habt ihr eine? Könnte es vielleicht Einbildung sein? Wie viel Einbildung liegt in dem gedachten Wunsch beim Sehen einer Sternschnuppe?

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Das ist eine sehr vielschichtige Angelegenheit, bei der diverse Aspekte, so deutlich muss ich es mal sagen, auch einfach nur willkürgeprägt sind. Die Frage, was der "richtige Glaube" und was hingegen Aberglaube und angeblich teuflischen Ursprungs sei, liegt eigentlich nur dabei, wer die Bedeutungshoheit hat. Ist es der Papst, wird er natürlich sein katholisches Christentum als wahren Glauben bezeichnen und alles andere als Aberglauben. Für einen streng gläubigen Hindu wird seine Religion als der einzig echte, sinnvolle Glaube gelten, und er wird alle anderen Glaubensrichtungen und Bräuche als Aberglauben bezeichnen, auch das Christentum. Es ist immer eine Frage der Sichtweise.

Problematisch ist auch schon die von Dir im Titel getroffene Definition, dass es einerseits "den Glauben" gäbe, und "der Aberglaube", ganz im Gegensatz zum Glauben, bloß übernommene heidnische Bräuche seien. Denn streng genommen sind auch viele zum "Glauben" zählende Dinge, also heutige christliche Bräuche, letztendlich nur leicht veränderte heidnische Traditionen, selbst, wenn man sich übliche Oster- oder Weihnachtsbräuche so anschaut.

Selbst in der christlichen Kunst gibt es eindeutige Übernahmen von vorher heidnischen künstlerischen Darstellungen. Interessant finde ich die christliche so genannte "Mondsichelmadonna", die von der Pose und den Attributen her eigentlich bloß eine umbenannte, uralte Artemis-Darstellung ist. Leider habe ich derzeit keine Fotos zum Vergleich parat, aber es gibt definitiv christliche Skulpturen von der Jungfrau Maria auf einer Mondsichel stehend, die haargenau so aussehen, wie antike griechische Darstellungen von der Jagdgöttin Artemis. Man kann hier also definitiv von einer Aneignung einer "heidnischen" Darstellung durch das Christentum, beziehungsweise die christliche Kunst, sprechen.

Wieso Menschen nun an den "Aberglauben" glauben, dürfte individuell unterschiedlich sein. Ich vermute ein Sehnen nach etwas "Höherem", die Hoffnung, einem Schicksal nicht völlig ausgeliefert zu sein, nicht ins Ungewisse gehen zu müssen. Daher hofft man, durch irgendwelche übersinnlichen Dinge vielleicht etwas Vorraussicht auf die Zukunft zu erhalten, oder aber, die Zukunft positiv beeinflussen zu können. Und wenn dann eben irgendwelche Dinge wirklich zuzutreffen scheinen, dann werden sie als Bestätigung für die Wahrhaftigkeit des "Aberglaubens" gesehen. Man legt es sich eben so zurecht, wie es passt. Das hat mit Einbildung zu tun, hauptsächlich aber vermutlich einfach damit, dass man es so sehen möchte. Wunschdenken spielt da eine ganz große Rolle.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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