Habt ihr Erfahrungen mit dem Zwangsvollstreckungsverfahren?

Ich muss mich im Moment für mein Examen viel mit dem Zwangsvollstreckungsrecht auseinandersetzen, seinem Ablauf, was es in welcher Phase jeweils für Rechtsbehelfe für Gläubiger, Schuldner oder Dritte gibt und so weiter. Das ist teilweise ziemlich langweilig aber für viele Juristen natürlich ihr tägliches Brot und auch viele Bürger kommen ja jeden Tag in Deutschland zwangsläufig mit dem Zwangsvollstreckungsverfahren in Betracht.

Musstet ihr schon einmal ein erstrittenes Urteil im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen, also etwa den Gerichtsvollzieher zu eurem Schuldner schicken, in ein Grundstück vollstrecken lassen oder ähnliches? Oder wart ihr schonmal selbst Schuldner der Zwangsvollstreckung, so dass euch zum Beispiel (Gehalts-)Forderungen gepfändet wurden? Habt ihr euch selbst um alles gekümmert oder hattet ihr einen Rechtsanwalt?

War das Ganze für euch psychisch belastend oder "Business as usual"? Was meint ihr, ist der Hauptgrund, dass Schuldner es überhaupt soweit kommen lassen - wer weiß, dass ein Urteil gegen ihn erlassen wurde, dem muss doch eigentlich auch klar sein, dass er die titulierte Forderung so oder so wird begleichen müssen? Warum sich selbst dann noch sehenden Auges mit den Kosten der Zwangsvollstreckung belasten?

Ich hatte als Studentin einmal einen Ferienjob angenommen, bei dem ich mit zwei anderen "Leidensgenossinnen" drei Tage lang im Keller eines Privatgebäudes Platinen gelötet habe - Kopfschmerzen wegen schlechter Belüftung inbegriffen. Am Schluss hat der Auftraggeber einfach nicht bezahlt. Wir sind vor das Arbeitsgericht gezogen und haben dann einen Gerichtsvollzieher beauftragt und bezahlt. Angeblich war dann aber nichts zu holen, weil das Haus und dessen Inhalt der Frau gehörte. Das hat uns sehr geärgert, denn für uns war das damals viel Geld. Eine der Studentinnen hat sogar auf ihren Urlaub verzichten müssen, für den sie diesen Job angenommen hat.

Am meisten hat mich geärgert, dass die Stelle, wo wir den Gerichtsvollzieher beauftragt haben, so von oben herab deutlich zeigte, dass sie unser Verhalten wegen des in ihren Augen kleinen Betrages offensichtlich für unangemessen hielt. Für mich als arme Studentin war das aber viel Geld.

Ich bin sozusagen Nutznießer einer Zwangsvollstreckung. Wir haben unser Haus auf diese Weise gekauft. Die Ex-Frau des Vorbesitzer wollte von ihm ausbezahlt werden. Da er dazu nicht in der Lage war oder vielleicht wollte er auch nicht, hat sie ein Zwangsvollstreckungsverfahren in die Wege leiten lassen. Das Haus wurde von einem Gutachter geschätzt, auf einen Preis, den sie wohl auch schon sehr enttäuschend fand. Und da niemand mitgeboten hat, haben wir das Haus für einen Apfel und ein Ei erstanden.

Danach hat uns der Vorbesitzer das Vierfache geboten, um es wieder zurück zu kaufen. Wenn er dieses Geld wirklich gehabt hat, hätte er seine Ex-Frau bequem auszahlen können und hätte in seinem Haus bleiben können. Er hat wohl einfach nicht angenommen, dass die alte Bruchbude jemand ersteigert. Aber darauf kann man sich ja nicht verlassen. Dann hätte wenigstens der Sohn mitbieten sollen. Aber ich glaube, beide waren so dem Alkohol zugetan, dass sie all ihre Möglichkeiten gar nicht überblickten.

Vater und Sohn haben auch das ganze Verfahren nicht verstanden. Wir waren ein paar Tage nach der Versteigerung bei ihm, aber er hat den Brief vom Gericht gar nicht verstanden und wusste gar nicht, dass es versteigert worden war. Die beiden hatten zwei Jahre Zeit, das Verfahren abzuwenden. Mir tat es schon irgendwie leid, dass sie auf diese Art ihr Hab und Gut verloren haben, aber nachdem ich gesehen habe, wie sie in dem Haus gelebt haben, war mein schlechtes Gewissen wir weggeblasen. Das hat ein Haus nicht verdient. Der Mann hätte sich mittlerweile wahrscheinlich auf der Couch tot gesoffen.