Leute die keine Kinder wollen sind fehlgeprägt?

Das mit dem Fortpflanzungstrieb kann man natürlich sehen, wenn man den Menschen als Tier sieht und ihn auf dessen biologischen Nutzen reduziert. Das impliziert natürlich ein gewisses (flaches) Weltbild und muss natürlich alle menschlichen Schritte der Aufklärung und Emanzipation beiseite schieben. Wer also wirklich diesem veralteten und antiquarischem Lebensmotto zugeneigt ist, für den ist die bewusste Kinderlosigkeit tatsächlich Ausdruck einer "Fehlprägung".

Leider machen es einem die Zeitgenossen ohne Kinder auch nicht immer einfach, weil die Kinderlosigkeit aus Verzweiflung manchmal ja wirklich auf den eigenen Wunsch geschoben wird. Das muss dann aber nicht stimmen und die fehlende Aufrichtigkeit bzw. der fehlende Mut zu bekennen, Kinder zu wollen aber aus diversen Gründen keine zu haben, auf Dauer nicht glaubwürdig vertreten werden kann. Das wieder führt dazu, dass anderen Menschen ohne Kinder die tatsächlich keine wollen unterstellt wird, dass sie welche wollen aber nicht "können".

Ich bin der Meinung, dass letztlich wirklich jeder für sich die Entscheidung treffen sollte, ob Kinder gewünscht werden oder nicht. Die Antwort ist dann vom Umfeld definitiv zu akzeptieren und muss nicht hinterfragt werden. Es kann ja nicht sein, dass Dritte ihr emotionales Seelenleben und die eigenen Gefühlslage auf andere übertragen. Es kann ja durchaus sein, dass diejenigen die behaupten, Nachwuchs haben zu wollen sei der "natürliche Instinkt" nur Opfer der eigenen Konditionierung innerhalb der Familie geworden sind. Nur weil deren Eltern und Großeltern dieses Lebensziel vorgelebt haben, empfinden sie es als richtig und sind nicht bereit, andere Lebensentwürfe wenigstens zu überdenken. Das macht mich dann eher traurig und ich fühle fast ein wenig Mitleid. Denn so kann es sein, dass Menschen "ihrem Instinkt" folgen und ihr Leben verpassen. Wenn die dann mal wirklich alt sind und merken, dass das Leben kein Probeleben war, dürften sie sehr verbittert auf ihr Ende warten.

Noch in der Generation unserer Großeltern und Eltern hatten die Mütter ja keine wirklich freie Wahl, ob man in einer Beziehung oder während eines Techtelmechtels schwanger werden wollte, oder eben nicht.

Schon im antiken Ägypten wurden Kräuter mit spermizider Wirkung zusammengemischt. Kondome gab es auch schon im Mittelalter, man nahm damals Tierdärme oder aber Säckchen aus Stoff. Sicher waren die damaligen Methoden nicht so sicher, wie die heutigen, aber dass man keinerlei wirkliche Wahl hatte, ob man schwanger werden wollte, oder nicht, das stimmt nun wirklich nicht.

Abgesehen davon gibt es die Pille schon seit den 1960er Jahren. Unsere Großeltern hatten sie also noch nicht, aber ich denke, die Eltern der meisten User hier sind nach der Erfindung der Pille in die Geschlechtsreife gekommen.

Folglich sollte man solche "asexuellen" Neigungen auch nicht verurteilen.

Der Begriff der Asexualität impliziert das Fehlen eines Sexualtriebes oder zumindest Sexualverhaltens. Seit der Erfindung von Verhütungsmitteln hingegen hat Sexualität an sich mit Fortpflanzung nicht mehr zwingend etwas zu tun. Von daher ist ein fehlender Kinderwunsch definitiv kein asexuelles Verhalten, denn Sexualkontakte finden gewöhnlich trotzdem statt. Nur wird dabei eben immer verhütet.

Das ist immerhin auch unnatürlich, genauso wie die Tatsache, dass manche Menschen sich gar nicht mit dem Partner fortpflanzen können, weil sie zum Beispiel homosexuell sind. Darüber hinaus gibt es auch noch Menschen, die es vom Biologischen her nicht können.

Und da kommen wir nun zum Kernproblem. Ist das Fehlen eines Kinderwunsches natürlich? Was ist überhaupt natürlich? Ist diese Idee von einer unveränderlichen Natürlichkeit nicht auch ein gesellschaftliches Konstrukt? Denn wenn man sich mal quer durch die Tierwelt umschaut, dann gibt es keinen einzelnen Fortpflanzungsdrang, der bei allen Arten gleich ist, sondern viele verschiedene "Systeme".

Es gibt Tierarten, bei denen sich nur bestimmte Tiere in einer Gruppe paaren und fortpflanzen. Es gibt Tiere, bei denen alle Individuen paarweise zusammenleben und sich somit jedes geschlechtsreife Individuum fortpflanzt oder zumindest paart. Außerdem gibt es bei sehr vielen Tierarten auch Homosexualität. Ebenso kommen auch immer wieder sterile Tiere auf die Welt, ohne, dass deren Population gleich vom Aussterben bedroht ist. Was ist also natürlich?

Ich persönlich denke, dass es absolut natürlich ist, dass nicht jeder Mensch sich fortpflanzt. Bei vielen Tierarten tut es schließlich auch nicht jedes Tier, sondern es gibt auch fortpflanzungsunfähige oder homosexuelle. Und dennoch gibt es keine Probleme bei der Arterhaltung.

Und dazu kommt natürlich auch noch der von derpunkt bereits angesprochene Fortschritt. Der Mensch ist eben kein rein triebgesteuertes Wesen, sondern sein Handeln hat auch Aspekte, die auf sozialen Abwägungen und Entscheidungen basieren. Von daher kann man das heutige menschliche Verhalten definitiv nicht alleinig mit irgendwelchen Ur-Trieben erklären und dabei andere Aspekte völlig ignorieren.

Was verstehst du eigentlich unter "Fehlprägung"? Meinst du damit ausschließlich die Erziehung oder meinst du dass es zu einer "falschen" genetischen Veranlagung gekommen ist oder meinst du auch noch andere weitere Aspekte?

In meinem Freundeskreis gibt es auch einige, die beharrlich keine Kinder wollen. Bis man etwa 30 ist, hört man da dann ja in der Regel Sprüche, wie, dass sich das noch ändern wird, weil man ja noch jung ist und so weiter. Nun gut, besagter Freundeskreis hat inzwischen ein Durchschnittsalter von über 35 Jahren und sie meinen es weiterhin ernst mit dem nicht vorhandenen Kinderwunsch. Es liegt aber nicht daran, dass sie (noch) keinen passenden Partner gefunden haben, weil etwa die hälfte davon ist verheiratet und das zum Teil schon seit über 10 Jahren.

All diese Freundinnen haben gemeinsam, dass sie einen anderen großen Schwerpunkt in ihrem Leben haben. Mehrere haben eine Karriere angestrebt, sind auch schon sehr weit gekommen und wollen das nicht aufs Spiel setzen. Eine andere Freundin ist Leistungssportlerin und in diesem Bereich auch durchaus sehr erfolgreich. Bei ihr ist der Sport der Grund, dass sie zumindest derzeit keine Kinder will. Sie ist aber auch schon über 35. Sie sagt zwar nicht, dass sie nie Kinder will, und natürlich hat sie da noch Zeit, aber trotzdem kann ich mir bei ihr gut vorstellen, dass sie das noch länger vor sich hinschiebt, bis es dann vielleicht doch zu spät ist.

Nun habe ich mich mit einer Bekannten darüber unterhalten und sie meinte, dass Menschen, insbesondere Frauen einfach fehl geprägt wären, wenn sie absolut keine Kinder wollen.

Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass sich alle Menschen nach Schema F entwickelt haben müssen und wenn sie nicht schlank, sportlich mit einem perfekten Modelkörper und dann auch noch ohne viel Schlaf voll die Karriere hinlegen und immer top Leistungen erbringen, um die Wirtschaft anzukurbeln, dann sind sie nicht ganz dicht. Das ist doch albern mal ehrlich. Ich finde es auch nicht in Ordnung, dann ständig nach irgendwelchen kindlichen Traumata zu forschen, nur weil jemand aus der Reihe tanzt.

Nach der Logik müssten auch Homosexuelle fehlgeprägt sein oder aber Menschen, die asexuell sind. Dass Pädophilie nicht normal ist, leugne ich gar nicht, aber ansonsten sehe ich da kein Problem, wenn man eben anders ist und sein Leben so gestaltet, dass andere Menschen dabei nicht zu Schaden kommen. Es geht schließlich niemanden etwas an, wie eine Person leben möchte.