Wie wirkt auf Euch ein Akzent?

vom 02.08.2013, 20:44 Uhr

Wenn jemand spricht, höre ich immer sehr genau hin. So genau, dass ich manchmal beinahe auf die Aussprache mehr achte, als auf den Inhalt. So auch neulich in einer Apotheke, wohin ich zum holen von Kühlkissen geschickt wurde. Mich bediente eine sehr hinnehmbar aussehende Frau, um die 30, südländischer Typ. Weiter dachte ich mir nichts, und fragte nun nach den Kühlpacks, da hallte es durch die ganze Apotheke: "Die großen, oder die kleinen?". Mir schossen sofort eindeutige Bilder durch den Kopf.

Bilder von Döner-Zubereitern, Bilder von Putzfrauen, Bilder von einer ehemaligen türkischen Mitschülerin. Es war einfach exakt die gleiche Sprachmanier, wie bei der letztgenannten. Nicht dass der Akzent sonderlich stark war, aber diese Apothekerin hatte genau die gleiche Art die Vokale anzuhauchen und bestimmte Konsonanten ganz spezifisch auszusprechen und auch ihre Stimme sowie ihre Sprachmelodie ähnelten nicht unerheblich jenen der besagten Schülerin. Ich wusste: sie hat offenbar studiert, sie kommt aus gutem Hause, ist keine, die Abends mit Ihrer Gang um die Häuser zieht und Fensterscheiben einwirft. Und trotzdem provozierte ihr Akzent in meinem Kopf bestimmte Bilder.

Das ist jetzt natürlich zum Teil ein wenig überspitzt formuliert. Ich musste bei ihrer Aussprache eigentlich nur an die türkische Mitschülerin denken. Aber es war wirklich so, dass ich anhand ihrer Sprechweise sofort Parallelen zu anderen Menschen gleicher Herkunft zog. Bei mir vermochte das sicherlich keine Vorurteile auszulösen, oder ich konnte diese bewusst als falsch abstempeln, aber wie ist das wohl bei anderen? Und was wenn man so eine Frau nicht in der Apotheke trifft, sondern irgendwo auf der Straße? Da müsste so ein Akzent doch schon eher unvorteilhaft sein, hinsichtlich der Wirkung auf die Mitmenschen, jetzt mal von wenigen Ausnahmen abgesehen?! Wie seht Ihr das? Wie wirkt auf Euch ein Akzent?

» MasterOers » Beiträge: 348 » Talkpoints: 1,16 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich denke, dass man nur dann einen Akzent schlimm auslegen kann, wenn man eh schon Vorurteile hat. Wir haben aber alle im Kopf Bilder und Verknüpfungen. Wenn wir Dinge hören, dann verknüpft unser Hirn automatisch Bilder damit. Man kann das nicht ausschalten. Wenn ich Akzente höre finde das eigentlich immer ganz spannend und frag auch gerne mal nach. Gerade auch die deutschen Akzente finde ich klasse, ein Land und dennoch so vielseitig. Ich versuche aber niemanden mit bereits gemachten Erfahrungen mit anderen Menschen zu vergleichen.

Benutzeravatar

» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich habe selbst einen Akzent. Er ist nicht krass, aber er ist vorhanden. Manchmal geht er irgendwie ins Niederländische und dann wieder in das Französische. Jedoch muss ich gestehen, dass ich zwischen Akzent und Akzent unterscheide. Zum Einen gibt es für mich den sprachlichen Akzent, den meistens ausländische Mitbürger aufweisen und hier assoziiere ich wirklich keine Bilder. Ist die Frau Türkin und hat diesen krassen Akzent, dann macht es mir nichts aus. Dann gibt es für mich auch diesen Asi-Akzent, den auch die Jugendlichen in Deutschland imitieren. Das ist für mich kein Akzent, sondern Verhunzung.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12582 » Talkpoints: 9,16 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Das klingt ja spannend, Wibbeldribbel! Woher kommst Du denn? Und diesen Unterschied gibt es tatsächlich. Das eine ist eine sogenannte "Übergangsvarietät", das andere ein primärer Ethnolekt bzw. "Kanak-Sprak". Beim Erstgenannten ist der Akzent auf mangelnde Sprachpraxis zurückzuführen, beim Zweiteren handelt es sich in der Regel um einen Akzent bzw. Ethnolekt der zum Zweck hat, zu "out-groups" eine Abgrenzung zu bilden und in der "in-group" die Kommunikation zu erleichtern. Solche zunächst ziemlich rabiat klingenden Akzente haben oft auch die Funktion einer "lingua franca" und deren Sprecher beherrschen oftmals das sog. Code-Switching, also das Umschalten zur "Standardsprache". So gesehen entbehrt es tatsächlich jeglicher faktueller Grundlage, anhand des Akzents auch nur auf die soziale Schicht des Sprechers zu schließen. Dennoch hat man jedes mal unwillkürliche Assoziationen, was Ramones auch schon ganz triftig angemerkt hat.

Ich für meinen Teil war lange davon überzeugt, akzentfrei zu sprechen. So nach fünf Jahren hier in Deutschland konnte ich mich auch endlich dazu durchringen, das "r" wie die anderen auch auszusprechen. Davor hatte ich es mir extra gewahrt, weil es irgendwie schon zu mir gehörte (komme aus Russland) und beinahe ein Mittel der Kennzeichnung meiner Nationalität geworden war. Heutzutage meine ich meinen Akzent so zu 99% abtrainiert zu haben und wie der 1% auf meine Mitmenschen wirkt, kann ich nicht so genau sagen. Ich wurde jedoch schon häufig auf meine Sprechweise angesprochen. Ob ich denn nicht von hier [Deutschland] sei, dass ich einige Worte etwas abgehakt/rau ausspreche. Zumindest "Verwunderung" scheint also bei meinen Mitmenschen aufzutreten :lol:.

» MasterOers » Beiträge: 348 » Talkpoints: 1,16 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Als Deutsche in Österreich höre ich immer wieder, dass ich einen anderen Akzent habe. Manche finden ihn lustig, anderen ist es aber eher egal. Natürlich haben die Österreicher auch einen Akzent, der je nach Region eher gewöhnungsbedürftig, lustig oder auch mal schön klingt.

Bei Menschen mit einer anderen Erstsprache als Deutsch finde ich die Akzente manchmal ganz schön, andere gefallen mir schon wegen der Sprachmelodie an sich nicht so gut. Aber grundsätzlich beurteile ich keinen Menschen danach und ich verbinde damit auch selten etwas.

» couronne » Beiträge: 4 » Talkpoints: 2,99 »


Es kommt für mich auf den Akzent an und ein französischer Akzent wirkt auf mich meistens irgendwie niedlich, der türkische Akzent gefällt mir nicht so besonders, weil er irgendwie so hart klingt, aber er ist auch nicht schlimm und eben auch nur ein Akzent. Ich habe den türkischen Akzent öfters gehört, vielleicht mag ich ihn deswegen nicht so gerne. Einmal habe ich mich kurz mit einem Franzosen unterhalten und irgendwie musste ich automatisch lächeln, weil ich diesen Akzent, wie bereits erwähnt, irgendwie sehr niedlich finde.

Skandinavische Akzente gefallen mir auch sehr gut, also dänische und schwedische Akzente klingen einfach auch sehr niedlich und sympathisch, finde ich. Am meisten liebe ich aber den finnischen Akzent, da mein Freund Finne ist und mir diese Sprache auch etwas näher gebracht hat, das gerollte "R" und diese Sprachmelodie sind einfach so niedlich, dass ich ihn am liebsten immer abknutschen möchte, wenn er Deutsch spricht. Ihm gefällt auch mein deutscher Akzent und er ist immer begeistert, das freut mich natürlich auch sehr.

Ich beurteile Menschen auch nicht nach ihrem Akzent und ich finde es einfach sehr schön, wenn jemand gut Deutsch spricht, aber trotzdem noch einen kleinen Akzent hat. So einen anderen Akzent zu hören ist für mich irgendwie so "erfrischend" und etwas neues, das macht einfach großen Spaß und ich finde es schade, wenn sich Menschen wegen ihrem Akzent nicht trauen eine andere Sprache zu sprechen, da habe ich manchmal nämlich auch kleine Hemmungen.

Benutzeravatar

» soulofsorrow » Beiträge: 9228 » Talkpoints: 24,02 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich achte auch sehr stark auf Akzente. Das kommt daher, dass ich in einer sehr akzent-/ dialektreichen Gegend aufgewachsen bin. Ja, ich bezeichne auch die Deutschen Dialekte als Akzent, da jeder der nicht hochdeutsch spricht eben seinen Dialekt/ Akzent aus seiner Region drin hat.

Aber auch auf die Dialekte und Akzente bei Bürgerinnen und Bürgern, die aus anderen Ländern dieser Welt nach Deutschland gekommen sind achte ich stark. Während man den türkischen Akzent ja fast auswendig kennt und bei den meisten Menschen, die aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind auch absolut identisch ist, fasziniert es mich gerade, wenn ein Brite oder Amerikaner Deutsch spricht. Ich finde das ähnelt einem Singsang, der zumindest in meinen Ohren unfassbar toll klingt. Was ich dahingegen gar nicht mag, ist das Deutsch gesprochen von einem Franzosen. Ja, alle sagen, das klingt lieblich und so romantisch. Ich finde es einfach nicht schön, wie verwaschen und unklar das Deutsch bei ihnen klingt.

Aber das ist ja nur meine Meinung und jeder kann ja den Dialekt/ Akzent schön finden, den er mag. In Deutschland fasziniert mich übrigens sehr das urbayrische. Auch wenn alle sagen, dass genau das furchtbar klingt. Ich finde es total gemütlich und wenn man sich Mühe gibt zuzuhören, kann man vieles aus dem Kontext heraus erkennen.

» Darkness » Beiträge: 307 » Talkpoints: 3,60 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Solange ich die Person verstehe, ist mir der Akzent so ziemlich egal. Nur wegen dem Akzent habe ich nicht automatisch irgendwelche Assoziationen zum Bildungsstand, Charakter, Beruf oder was auch immer. So etwas finde ich albern und wenig nachvollziehbar. Ich glaube das liegt auch daran, mit wem man so alles zu tun hat. Wenn man überwiegend mit Menschen aus sozialen Brennpunkten zu tun hat, dann wird man andere Assoziationen haben als wenn man studiert und da viele ausländische Studenten trifft.

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ich muss auch sagen, dass ich einen Akzent noch nie mit etwas negativ behaftetem verbunden habe. Jeder Mensch ist doch anders und nur weil ein Akzent ähnlich ist, muss dass ja nichts heißen. Es ist ja nun mal so, dass sich Akzente von Menschen aus der gleichen Region oder dem gleichen Land meist sehr ähnlich anhören. Das würde ich gar nicht besonders überraschend finden. Ich habe es noch nie erlebt, dass ich auf Grund von eines Akzents oder Aussprache eines Menschen, an irgendwas erinnert wurde. Ich finde manche Akzente sogar angenehm und höre den Personen dann gerne zu. Andere dagegen empfinde ich eher als unschön.

Benutzeravatar

» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Schwierig zu sagen. Ich kann z.B. den sächsischen Akzent überhaupt nicht ausstehen, aber der Ur-Bayer nervt mich da auch auf die Dauer. Nicht über kurze Dauer, aber Dauer am Partner würde mir das echt auf das Säckle gehen. ;)

Einen amerikanischen Akzent kann ich da sehr wohl besser ertragen und finde ihn nicht schlimm. Aber um Himmels Willen bitte keinen französischen Akzent. Ich kapiere nicht, was Frauen oder Männer daran so dermaßen von sexy finden. Ich finde den sogar noch unerotischer, als jeden schweren sächsischen Akzent. Echt mal, aber das ist wohl eine reine Geschmackssache.

Bei Asiaten kann es manchmal schwierig sein, sie richtig mit Akzent zu verstehen. Mein ehemaliger Nachbar ist unglaublich schwierig zu verstehen, das macht sein Akzent natürlich aus und die mangelnden Deutschkenntnisse. Aber nun ja.

Südländischen Akzent? Ich habe da generell keine Verständigungsprobleme, aber gut klingen ist halt auch immer eine Angelegenheit des Gehörs. Mir gefällt es nicht, aber nicht jeder kann den Akzent so einfach ausblenden. Es kommt immer darauf an, wie schwer der Akzent ist und wie extrem er beim Sprechen wahrgenommen wird, um auch das Verständnis dann zu erhalten.

Manchmal kann auch so ein extremer russischer Akzent wirklich ätzend klingen. Man hat halt so Dinge, die man nicht dauerhaft gerne hören möchte.

Benutzeravatar

» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^