Tobsuchtsanfälle und Trotzphasen bei einem 2jährigen Kind

vom 31.07.2013, 19:16 Uhr

Ich bin momentan am Rande der Verzweiflung. Mein Kind war immer sehr brav - bis vor Kurzem. Er ist momentan außer Rand und Band, kriegt Tobsuchtsanfälle und wenn er etwas nicht bekommt, beißt er. So wie neulich im Kindergarten hat er auch einen anderen Jungen gebissen - hat er noch nie gemacht. Er hört auch nicht, schaltet einfach auf Durchzug. Kennt ihr das? Was kann man tun, damit die Anfälle nicht so ausarten bzw. das er sich wieder beruhigt?

» Almchen1986 » Beiträge: 10 » Talkpoints: 3,71 »



Meine Tochter ist ebenfalls zwei Jahre alt und hat auch in letzter Zeit des öfteren mal eine Bock-Phase, wenn sie etwas nicht bekommt. Zwar schlägt und beißt sie nicht, doch sie lässt sich auf den Boden fallen und schreit wie am Spieß. Ich versuche dann immer möglichst ruhig dabei zu bleiben, denn wenn man selbst nervös oder aufgebracht ist, spüren das die Kleinen und schaukeln sich immer weiter hoch.

Zunächst einmal ignoriere ich sie immer, bis sie merkt, dass es eben nicht immer nach ihrer Nase gehen kann. Manchmal muss ich auch mit einem strengen Wort nachhelfen. (Aber auf keinen Fall selbst schreien) Meistens kommt sie dann immer an und will auf meinen Arm. Diese Gelegenheit nutze ich dann und schlage ihr etwas anderes vor, von dem ich weiß, das es ihr großen Spaß macht. Ich lenke also den Fokus auf etwas ganz anderes und schon sehr bald ist der eigentliche Grund für das herumbocken vergessen.

Was du gegen das beißen tun kannst, das kann ich dir nicht sagen. Meine Tochter hatte mal eine kurze Zeit lang die Angewohnheit, alles Mögliche umher zu werfen. Bauklötze, Legosteine, Schnuller samt Kette, Löffel und so weiter. Ich habe ihr immer wieder mit ernster aber ruhiger Stimme gesagt, dass man dies nicht macht und dass man anderen damit sehr weh tun kann. Irgendwann hat sie dann einfach aufgehört, so dass ich wohl sagen kann, dass es nur eine Phase war.

Vielleicht hilft es dir aber auch bei dir. Mache deinem Kind immer wieder unmissverständlich klar, dass es nicht in Ordnung ist, andere Kinder oder die Mama zu beißen. Schreie nicht, schlage nicht (auch keinen Klapps), sei einfach ernst und bestimmt. Achte darauf nicht zu lächeln, denn dann kann dich dein Kind nicht ernst nehmen - glaube mir, es kann deine Körpersprache besser interpretieren als du es kannst. Versuche dein Kind abzulenken, sobald du merkst, dass es sich etwas beruhigt hat und es aufnahmebereit ist.

Ich weiß nicht, ob es dir die Ratschläge helfen werden, doch hoffe ich, dass du das Problem schon sehr bald in den Griff bekommst. Wie auch immer die Lösung am Ende aussehen wird. Ich wünsche dir jedenfalls viel Erfolg und weiterhin gute Nerven.

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» Aglaja berenicta » Beiträge: 11 » Talkpoints: 8,41 »


Klar, mehr oder weniger kennen Eltern das, wenn ihre Kinder dieses Alter schon hinter sich haben. Wie stark die Trotzphase ist, hängt auch mit vom Charakter der Kinder ab. Manche brüllen bis sie blau werden und einpinkeln, manche trampeln auf den Boden oder werfen sich hin und strampeln und manche beißen eben oder treten gegen Menschen und Gegenstände.

Vielleicht hilft es dir, dass das zur ganz normalen und gesunden Kindesentwicklung gehört. Dein Kind macht das also nicht, weil es dich als Elternteil oder euch als Eltern nicht leiden kann. Gerade zu Hause im Elternhaus, wo das Kind sich geborgen und geliebt fühlt, sind die Zornausbrüche weit heftiger als bei Fremden. Bei euch kann sich das Kind sicher sein, dass es geliebt wird, auch wenn es aus der Rolle fällt und Grenzen testet. Dein Kind entdeckt gerade, dass es einen Willen hat und der einfach nicht immer mit eurem Deckungsgleich ist. Es ist am Anfang für so ein kleines Kind gar nicht so einfach den Frust auszuhalten, dass seine Bedürfnisse nun nicht mehr bedingungslos erfüllt werden, wie beim Säugling. Und wenn es im Vertrauen auf eure Liebe diese Grenzen eben ausgiebig testet, dann ist das eben eher ein Kompliment an dich als Elternteil, als als Angriff zu verstehen.

Auch wenn Kinder mit zwei noch nicht perfekt sprechen, sei gewiss, sie verstehen mehr als man meint. Wichtig ist aber, deinen Wunsch kurz und klar verständlich zu formulieren. Sätze wie: "Paul, sei jetzt leise!" sind dabei weit erfolgsversprechender als lange Vorträge oder komplizierte Sätze mit Verneinungen wie zum Beispiel: "Paul, Du sollst nicht schreien." Kinder mit zwei verstehen die Verneinung noch nicht und interpretieren letzteren Satz als Aufforderung zum Schreien und sind dann vollends verwirrt, warum die Eltern das dann nicht gut finden. Sie hören eben ein "Du sollst schreien" heraus und können den Umkehrsinn nicht verstehen. Dabei wie schon vom Vorredner erwähnt ernst und ruhig etwas grantig gucken. Auf jeden Fall ja nicht grinsen oder lächeln, das verwirrt.

Wütend selbst schreien sollte man nicht. Manchmal bringt es aber durchaus Erfolg, wenn man die Kinder in ihrem Bocken einfach exakt nachmacht und dem Kind so einen Spiegel vorhält. Natürlich ohne das Beißen. Dabei ist es aber wichtig, dem Kind zu zeigen, dass Beißen weh tut. Eine klare Ansage wie "Hör auf zu beißen. Das tut mir weh. Jetzt habe ich ein Aua. Mama / Papa ist jetzt traurig." damit verstehen auch schon kleine Kinder, dass sie was falsch gemacht haben.

Allerdings ist das für ein Kind ein schwerer Lernprozess. Bis sich ein Kind in einen anderen Menschen gefühlsmäßig herein versetzen kann, dauert das noch viele Jahre. Erst etwa im Schulalter ist diese gedankliche Leistung bon einem Kind zu erwarten, dass es versteht, dass andere genau so den Schmerz fühlen wie man selbst. Die kleineren müssen leider erst mal stur die Regel lernen.

Was das allerwichtigste ist: Konsequenz. Manche solche Lernprozesse brauchen bei kleinen Kindern viele Wochen. Sofortwunder sind selten zu erwarten. Fehlverhalten das heute verboten ist, muss es morgen, nächste Woche und die nächsten Monate auch jeden Tag verboten sein. Kinder probieren das durchaus auch aus, ob es mal die Chance auf eine Regeländerung gibt. Genau diese Chance dürfen sie eben nicht erfahren, weil sonst die Machtproben viel länger dauern.

Das hat auch nichts mit unerbittlicher Härte zu tun. Im Gegenteil erleichtert Konsequenz das Erziehen, weil die Regel irgendwann einfach sitzt und nicht ständig im Konflikt neu ausgehandelt werden muss. Das gibt für Kinder auch die Verlässlichkeit, dass die Regeln beständig sind. Allerdings sollte man bei zweijährigen noch nicht auf ein allzu lang ausgeprägtes Langzeitgedächtnis zählen, das geht Entwicklungsbedingt einfach noch nicht besser. Da können die Kinder nichts dafür, schuld ist da das Gehirn, das noch nicht weit genug entwickelt ist.

Letztlich kann man bei so einem Anfall schon auf Durchzug schalten, wenn man ein paar mal gesagt hat, welches Verhalten erwartet wird. Man darf eben dabei nur nicht die Aufsicht unterbrechen, da bockende Kinder oft jegliche Vorsicht bei Seite lassen. Und das Kind darf eben auch nicht den Eindruck erhalten, dass es machen kann was es will und eh keiner Notiz nimmt.

Wenn das Kind sich wieder beruhigt und wieder auf dem Boden ankommt, dann sollte man als Elternteil schnell wieder ein Friedensangebot machen und dem Kind für das erwünschte, friedliche Verhalten auch eine Belohnung zukommen lassen. (Keine Gegenstände natürlich, sondern Nähe und Zuneigung). Wenn das Kind sich wieder beruhigt hat, nimmt man es in den Arm und lobt, dass es nun endlich ruhig ist. Meist verstehen die Kinder schnell, welches eigene Verhalten bei den Eltern ein positives Feedback ergibt.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Vielen lieben Dank ihr Beiden, für die tollen Texte.

Es ist gut zu wissen, dass es nicht nur mir so geht. Teilweise ist dieses Verhalten sehr schwer für mich zu ertragen, aber dann ist er wieder so brav, dass alles vergessen ist. Ich habe ihn jetzt beobachtet und bemerkt, dass es wirklich nur Phasen sind. Manchmal regt er sich über eine Kleinigkeit furchtbar auf und dann wieder ist es ihm egal. Ich habe jetzt nur bemerkt, dass, wenn ich zu schimpfen beginne, auch er immer mehr in Rage gerät. Manchmal kommt es mir dann wie ein Machtkampf vor. Je ruhiger das man ist, umso schneller beruhigt er sich auch. Ich muss mich nur bemühen, dass ich mir das immer wieder vor Augen halte.

Festgestellt habe ich jetzt auch, dass nicht nur Kinder lernen müssen, auch Erwachsene müssen in der Erziehung immer wieder dazulernen. :)

» Almchen1986 » Beiträge: 10 » Talkpoints: 3,71 »



Almchen1986 hat geschrieben:Es ist gut zu wissen, dass es nicht nur mir so geht. Teilweise ist dieses Verhalten sehr schwer für mich zu ertragen, aber dann ist er wieder so brav, dass alles vergessen ist.

Dann sei froh, dass du, wie es hier klingt, nur ein Kind in diesem Alter hast. Ich selber habe zwei Kinder. Sie sind jetzt zwei und vier Jahre alt und können auch ganz schön anstrengend sein. Bei uns hat nicht nur der Kleine so seine Trotzphasen, so wie du sie beschreibst, sondern auch noch immer der Große. Zudem kommt dann noch der Streit, den sie zusammen haben, wenn der eine mit etwas spielt, was der andere dann auch ganz dringend braucht. Ich habe manchmal so das Gefühl, dass sich bei uns der Streit und das Gezeter nicht verdoppelt hat durch zwei Kinder, sondern dass es sich potenziert hat.

Ich denke einfach immer, dass es Kinder sind und dass ihre Trotz- und Streitphasen irgendwann vorbei gehen. Sie können sich einfach noch nicht anders helfen und kommen teilweise eben mit sich selber nicht klar. Da müssen dann die Eltern helfen und wenn sie sich dann wieder beruhigen, so ist es dann wieder für alle umso schöner.

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» Nettie » Beiträge: 7637 » Talkpoints: -2,59 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Auf jeden Fall muss man als Eltern in der Erziehung viel dazu lernen. Wer möchte schon 1 zu 1 so erziehen wie die eigenen Eltern? Man muss eben erst mal den eigenen Stil entwickeln und das braucht Zeit. Ich habe mehrere Kinder und muss sagen, dass mich jede wieder aufs neue heraus gefordert hat. Jedes Kind ist eben anders. Aber wenn man als Eltern die richtigen Fragen stellt, findet man auch Antworten und Wege und Stück für Stück wird das schon.

Klar ist das manchmal schwer zu ertragen. Aber wenn man versteht, was in der Entwicklung der Kinder während der Trotzphase abläuft, dann geht das etwas leichter zu ertragen, weil es für die gesunde Entwicklung zwingend notwendig ist und den Menschen angeboren ist, sich so zu entwickeln. In der Trotzphase entdecken die Kinder zum ersten Mal, dass sie eine Person oder eine Persönlichkeit sind. Es ist zwar schwierig, zu erforschen wie Kinder im Säuglingsalter denken, aber die Forschung geht davon aus, dass sich die Kleinen vor der Trotzphase irgendwie wohl als Teil der Eltern fühlen und noch nicht unabhängig als eigenen Menschen wahr nehmen. In der Trotzphase, die im Grunde wie eine erste kleine Pubertät ist, grenzt sich das Kind dann von den Eltern in kleines bisschen ab. Es entdeckt, dass es ein Mensch ist, dass es anders ist als andere, dass es andere dazu bringen kann, Wünsche zu erfüllen oder auch nicht. Es entdeckt, dass es mit seinem Verhalten die Stimmungen anderer beeinflussen kann.

Wenn man die Trotzphase (beispielsweise mit Gewalt) unterdrücke würde, dann bekommt das Kind leicht Schwierigkeiten mit der Persönlichkeitsentwicklung. Ebenso, wenn man dem Kind gar keine Grenzen setzen würde, würde das Kind Verhaltensprobleme entwickeln, denn jetzt muss es leider eben lernen, dass es nicht alles machen kann und darf. Vielleicht ist das ein kleiner Trost, dass diese Lernphase für die Kinder auch anstrengend ist.

Wichtig ist jetzt, dass dein Kind dich als starke, selbstbewusste und konsequente Bezugsperson erlebt. Das heißt nicht, dass du unerbittlich sein sollst oder grausam oder ein Prinzipienreiter oder Korintenkacker. Das soll heißen, dass das Kind eben jetzt erleben muss, dass man dich eben nicht mit ein bisschen nervenden Gebrüll total aus der Fassung bringen kann oder dich nicht total leicht manipulieren kann, damit man alles bekommt. Das erleichtert später das Erziehen enorm, weil du dann schon als Autorität akzeptiert bist. Es werden zwar immer mal wieder Versuche kommen (die völlig normal sind) ob man nun, wenn man größer ist etwas mehr darf oder nun endlich gegen die Eltern ankommen kann. Aber wenn man sich jetzt in der Trotzphase nicht als konsequent und standhaft hast du permanent Machtkämpfe, was auf Dauer viel mehr aufreibt, als eine vorübergehende Phase tapfer durch zu stehen.

Die Trotzphasen, die später noch kommen, fand ich leichter zu ertragen, weil man da mit dem Kind auch reden kann. Das ist aber letztlich sicher auch Geschmackssache. Man kann dann dem Kind die eigenen Gefühle bewusst machen und diese spiegeln, so dass es nicht so schnell überbordet. Mit der Zeit lernen die meisten Kinder eben auch, Gefühlsausbrüche nach und nach zu kontrollieren. Aber das bedarf eben Zeit und Übung. Zum Thema Trotzphase gibt es übrigens auch reichlich in Ratgebern für Eltern zu lesen. Manchmal helfen auch diverse Tricks oder Rituale, die man irgendwo gelesen hat und in den eigenen Alltag übernimmt.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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