Warum fangen ältere Menschen ein Studium an?

vom 19.07.2013, 10:41 Uhr

Ich studiere nun seit knapp 3 Semestern an der Universität in Köln und mir fällt auf, dass auch sehr alte Menschen noch studieren. Besonders in Vorlesungen wie Geschichte ist der Anteil der älteren Menschen sehr hoch. In technischen Fächern wie Elektrotechnik oder Wirtschaftsinformatik sieht man keine dieser Leute. Ich kann mir nur vorstellen, dass für diese Gruppe von Menschen ein technisches Studium viel zu anstrengend ist.

Diese älteren Menschen treten ja auch tatsächlich zu den Prüfungen an, da jetzt allmählich das Semester zu Ende geht und sich über die Prüfungen unterhalten wird, schnappt man so einiges auf. Die einzige Frage, die sich mir stellt ist: Welches Ziel verfolgen diese Menschen damit? Ich meine das sind alles Rentner und anstatt sein Geld in ein Studium zu stecken, was einem sowieso nichts mehr bringt, kann man doch viel schönere Dinge machen.

Ein weiterer Kritikpunkt der sich mir aufzeigt ist, dass hierdurch einer Reihe von jungen Menschen der Studiumsplatz weggenommen wird. Hier an der Uni ist es randvoll und da ist es doch unnötig von der Uni ältere Menschen zu immatrikulieren, die für die Zukunft des Landes eine eher randständige Position einnehmen.

Meiner Meinung nach ist diesen Leuten das Leben als Rentner zu langweilig und man will sich selber nochmal etwas beweisen. Diese Personen sind wahrscheinlich im richtigen Lebensabschnitt nicht zum studieren gekommen und wollen dies jetzt nachholen. Habt ihr so etwas selber auch schon erlebt? Wie sind eure Eindrücke und Meinungen?

» FreedomFighter » Beiträge: 83 » Talkpoints: 37,52 »



Ja, ich habe auch vor einigen Jahren (allerdings nur ab und zu) grauhaarige Menschen in den von mir besuchten Vorlesungen erlebt. Mich persönlich hat es nicht gestört, außer, wenn sie sich meldeten und anstatt eine kurze Frage zu stellen anfangen wollten, ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Oder etwas wissenschaftlich Belegtes oder auch Umstrittenes versuchten, allein aufgrund ihrer Lebenserfahrung zu entscheiden ("Es muss so und so sein, weil meine persönliche Erfahrung das und das ergibt!"). Das hat mich dann schon genervt. Man sollte sich, egal ob jung oder alt, an die Struktur einer Vorlesung (und an die wissenschaftliche Arbeitsweise) anpassen und diese nicht "sprengen".

Ich denke allerdings, das der Hauptantrieb dieser Leute nicht darin besteht, sich selbst etwas zu beweisen. Nach meiner Meinung ist das höchstens ein kleiner Teil davon. In unserer Gesellschaft ist einfach ganz ganz viel auf (berufliche) Leistung und Erfolg ausgerichtet. Deswegen glaube ich, dass viele mit dem Ende ihres Berufslebens vor einem großen Loch stehen und nichts mehr mit sich anzufangen wissen. Ich habe mal gelesen, dass relativ viele Leute sterben, kurz nachdem sie in Rente gegangen sind - ihnen fehlt einfach der Lebenssinn oder -inhalt, ein Grund, morgens aufzustehen. Ein Studium ist da eine gute Möglichkeit, einen Teil der nunmehr vorhandenen freien Zeit sinnvoll auszufüllen. Ich finde das gut, dass Menschen auch im Alter noch etwas dazulernen wollen. Und vielleicht gibt es den "Rentner-Studenten" auch ein gutes Gefühl, nicht immer nur mit Älteren, sondern auch mal mit relativ jungen Menschen zusammenzusein.

Ein Problem sehe ich allerdings wirklich dann, wenn diejenigen Kapazitäten von solchen "älteren Semestern" ausgeschöpft werden, die eigentlich Jüngeren zugute kommen sollten, welche sich ja wirklich noch auf das Berufsleben vorbereiten müssen und nicht einfach bloß zum Spaß studieren. In diesem Fall würde ich mir von der Uni wünschen, nur ein bestimmtes Kontigent an Plätzen für (zum Beispiel) über Sechzigjährige anzubieten, um sicherzustellen, dass diese den Jüngeren die Plätze nicht wegnehmen. Denn "wichtiger" finde ich es, dass junge Leute erstmal ein Studium durchziehen können, als dass Ältere das als Zeitvertreib machen können. Rentnern steht ja nicht nur das Studium als Möglichkeit zur Verfügung, sie könnten sich auch ehrenamtlich betätigen oder ihre Hobbies ausbauen oder sich neue suchen etc.

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» Kate110 » Beiträge: 485 » Talkpoints: 0,35 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich finde es gut und schön, wenn auch ältere Menschen sich noch Ziele setzen und vielleicht etwas nachholen wollen, was sie früher versäumt hatten oder sich in jungen Jahren einfach nicht leisten konnten. Mit Sicherheit finden auch viele das Rentnerdasein langweilig und suchen sich eine sinnvolle Beschäftigung, statt zu Hause zu verblöden, komisch zu werden und den Bezug zum Leben zu verlieren. Und warum soll jemand sich jenseits der sechzig nicht auch noch mal was beweisen wollen? Wahrscheinlich fängt er das sogar ziegerichteter und nachhaltiger an als jeder junge Hüpfer.

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» Bellikowski » Beiträge: 7700 » Talkpoints: 16,89 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



In meinem Bekanntenkreis kenne ich jemanden, der durch seinen Beruf viel in der Welt herumgekommen ist und als er 60 Jahre war, ein Architekturstudium angefangen hat. Was er damit wollte, hat sich mir noch nicht erschlossen. Er hat das Studium durchgezogen und einen Abschluss gemacht.

Was jemand dazu bewogen hat, ein Studium aufzunehmen, weiß ich wirklich nicht. Aber ich vermute, dass derjenige früher schon studieren wollte, aber es ihm aus finanziellen Gründen nicht möglich war. So wird das dann nachgeholt, wenn es möglich ist, einfach dazu, sich zu beweisen, dass es geht. Denn je nachdem, was studiert wird, kann man mit dem fertigen Studium nichts mehr anfangen. Da wäre es wirklich angebracht, gewisse überfüllte Studienplätze nur für Schulabgänger zu reservieren.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Ich finde die Vorstellung, dass ein Studium "nichts mehr bringt", weil nach der Rente sowieso nur noch Pflegeheim und Sarg auf einen Menschen warten, ziemlich amüsant. Auch viele junge Leute studieren bestimmte Fächer und landen dann im Berufsleben in einer völlig anderen Branche. Oder werden Hausfrau und Mutter. Ist das Studium dann auch völlig "sinnlose" Zeit- und Geldverschwendung?

Mit ein bisschen Glück hat heute jemand, der mit 60 in Rente geht, noch 20 gute Jahre vor sich. Viele Menschen wollen diese Zeit eben so nutzen, wie sie selbst es für sinnvoll erachten und nicht nur in der Sonne sitzen und koffeinfreien Kaffee trinken, wie es sich für "ältere Mitbürger" anscheinend gehört. Im Fernsehen habe ich auch mal eine Reportage über rüstige Renter gesehen, die ihre Berufserfahrung als Arzt oder Ingenieur ehrenamtlich in Entwicklungsländern einsetzen, weil sie topfit sind und geistig reger als manche Dreißigjährige.

Meiner Meinung nach ist es durchaus sinnvoll, ein Universitätsstudium zu machen, weil das Fach interessant ist, egal, ob man danach eine Karriere darauf aufbaut als Privatgelehrte Bücher schreibt oder einfach nur die grauen Zellen an geistes- oder naturwissenschaftlichen Problemstellungen wetzen möchte. Die "Senior-Studenten", die ich im Studium kennen gelernt habe, waren mir als Mitstudenten sogar lieber als viele junge Kommilitonen, da man bei ihnen wenigstens gemerkt hat, dass sie das Fach und die Themen interessieren.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


So allgemein denke ich, dass ältere Menschen studieren gehen, weil sie entweder noch einmal etwas lernen wollen, das sie schon immer interessiert hat oder weil sie gerne mit ihrer Zeit noch etwas sinnvolles anfangen wollen. Schlimm finde ich das nicht, eher im Gegenteil. Ich finde es bewundernswert, wenn man sich als ältere Person, der es sicherlich nicht mehr so leicht fällt wie einem jüngeren sich in neue Dinge hinein zu denken, traut nochmal etwas neues zu beginnen.

Ich finde es nur dann etwas bedenklich, wenn dadurch der Platz einem jüngeren tatsächlich weg genommen werden würde. Gerade bei sehr beliebten Studienthemen ist das sicherlich ärgerlich, da die ältere Person in keinen dafür geeigneten Beruf mehr einsteigen wird. Jedoch gibt es auch Studiengänge, die selbst nach vielen Monaten noch nicht so gut besucht sind. Dort finde ich es in Ordnung, denn diese Plätze würde ja sonst niemand belegen.

Jedoch frage ich mich, wie man das jemandem verwehren will, der älter ist? Das wäre eine Art Diskriminierung, die man einfach nicht einführen darf und kann. Jeder sollte das Recht haben zu studieren, wenn er es kann, egal in welchem Alter. Auch ein älterer Mensch ist Teil unserer Gesellschaft und sollte sich daran beteiligen können. Dazu gehört auch ein Studium.

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» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Zunächst einmal ist es so, dass das Studium für die Rentner ja nicht viel Geld kostet. Da gibt es den Studentenwerksbeitrag und das war es schon. Die Lebenshaltungskosten haben sie so oder so, egal ob sie studieren gehen oder nicht. Umgekehrt kosten die paar Rentner für die Hochschulen auch nicht viel Geld, bei den genannten Studiengängen machen ein paar Leute mehr oder weniger nicht viel an den Kosten aus. Und selbst wenn - die meisten Rentner haben in ihrem Leben so viel Steuern bezahlt, dass man ihnen das gönnen kann.

Die Motivation der Rentner kann ich mir sehr gut vorstellen. Die meisten haben ihr Leben lang gearbeitet und haben dann von einen auf den anderen Tag gar nichts mehr zu tun. Für manche ist so etwas wirklich schwer zu ertragen und die suchen sich dann irgend eine Beschäftigung. Und eine solche Beschäftigung kann ein Studium sein.

Außerdem ist ja bekannt, dass viele Leute sehr schnell geistig abbauen, wenn sie nicht mehr gefordert werden. Diese Leute wirken durch ein Studium diesem Effekt sehr effektiv entgegen.

Außerdem gibt ein Studium den älteren Leuten die Gelegenheit, sich noch einmal intensiv mit Dingen zu beschäftigen, die sie interessieren. Vielleicht hat der ein oder andere schon sein Leben lang davon geträumt, ein gewisses Fach zu studieren, nur konnte er es nicht, weil er wegen Familie und anderen Verpflichtungen seinen Job nicht aufgeben konnte. Im Ruhestand hat eine solche Person zumindest noch einmal die Gelegenheit, dies nachzuholen.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich habe in meiner Klasse jemanden, der mit Anfang 40 dann noch mal studieren will. Das ist ja auch nicht gerade früh, aber schlimm finde ich das nicht. Auch bei einem Rentner stelle ich mir die Frage, ob er sich nicht mehr bilden darf. Muss er zu Hause sitzen und auf seine Enkel und Kinder warten? Ich denke nicht. Man kann seine Zeit auch durchaus sinnvoll nutzen und man kann ja auch die Zeit neben dem Studium viel besser genießen, weil man nicht mehr arbeiten gehen muss. Der Druck ist eben raus und dann kann man ein Studium auch locker angehen.

Ich finde es wirklich lobenswert, wenn Menschen im Alter noch mal nach Wissen streben und sich weiterbilden. Zu verlieren haben sie ja nun auch nichts und ich finde die Beschäftigung als solche sehr sinnvoll, weil man ja auch sein Gehirn beansprucht und das vielleicht noch mal ein paar Jahre bringt. Wie gesagt man sieht es dann ja auch nicht mehr so streng und deswegen finde ich, dass es sicherlich lockerer ist, wenn man im Alter noch studiert und man sich das dann auch ruhig geben kann. Besser als zu Hause zu sitzen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


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