Ausbildung nicht antreten wegen "Asi-Mitarbeitern"
Mein Neffe ist durchs Abitur gefallen und sucht nun in Berlin eine Lehrstelle als Bäcker. Die Chancen stehen nun entgegen unserer Befürchtungen gar nicht so schlecht. Mein Neffe hat von München aus ungefähr zwanzig Bewerbungen geschrieben und mindesten schon fünf Angebote für drei- bis viertägige Praktika bekommen.
Er ist nun in Berlin in einem Jugendhostel untergekommen und hat den ersten Tag seines ersten Praktikums hinter sich. Er mailte seiner Mutter heute, dass es ihm am Anfang gut gefallen hätte. Aber dann kam ein Lieferjunge, der ganz nett war, und die anderen haben sich über ihn lustig gemacht, ihn als "Nutte" bezeichnet und schwulen Spangenträger. Mein Neffe fand das höchst asozial und war wohl ziemlich schockiert. So ein Verhalten kennt er nicht und möchte nunsein Praktikum dort nicht weitermachen. Das finde ich auch in Ordnung. Seine Mutter hat ihm noch geraten, dem Bäckermeister auch zu sagen, warum er das nicht weitermachen möchte.
Wie hättet ihr euch verhalten? Hättet ihr auch gleich aufgehört oder hättet ihr euch als Neuer oder Neue gedacht, dass man erst einmal eine Zeit lang schauen muss, um die Situation richtig einzuschätzen? Eigentlich ist das eingetreten, was wir schon befürchtet haben, dass nämlich mein Neffe die Zustände in diesen Kreisen nicht kennt und zuerst einmal schockiert ist über die Ausdrucksweisen. Meint ihr, dass es in allen Bäckereien in Berlin so zugeht oder trifft man dort auch zivilisierte Leute?
Bei einem nur wenige Tage dauernden Praktikum hätte ich die Zähne zusammengebissen. Es macht sich doch viel besser, als wenn man die erste Arbeit gleich nach dem ersten Tag schmeißt. Wenn er sich jetzt weiter bewirbt, sollte er dieses Praktikum einfach gar nicht erwähnen. Sonst halten ihn die Arbeitgeber ihn für faul und die Geschichte für eine Ausrede. Das ist schade. Es wäre sehr viel besser gewesen, wenn er die paar Tage dort geblieben wäre und somit bei der nächsten Bewerbung angeben hätte können, dass er schon Einblicke gewinnen konnte.
Dass alle Bäcker so sein werden, ist von der Statistik her nicht möglich. Ich glaube nicht, dass man da von "Kreisen" reden kann. Bäcker sind auch nur Menschen. Somit werden einige so sein und andere so. Aber er muss natürlich sehen, dass andere Lehrlinge nicht auf dem Gymnasium waren. Es bestehen beträchtliche Unterschiede in der Bildung. Die Chancen auf Rassismus, Homophobie und Ähnliches sind da womöglich höher, aber auch nicht garantiert.
Ich kenne mich zwar in diesem Berufsbereich weniger aus, aber ich kenne es schon so, dass an manchen Stellen einfach ein sehr rauer Ton herrscht, der Außenstehende oder neue Mitarbeiter durchaus abschrecken kann. So etwas kann man auch in High-Tech-Unternehmen unter recht qualifizierten Facharbeitern und Technikern finden, es hat also wahrscheinlich eher nichts mit der Qualifikation zu tun.
Ich weiß auch nicht, woher ein solcher Umgangston kommt, vermutlich ist es einfach ein Zeichen, dass man offen miteinander redet und niemand Angst haben muss, etwas falsches zu sagen. Es ist dann meistens auch nicht persönlich gemeint, wenn mal ein etwas böseres Wort fällt.
Eine solch direkte Beleidigung, die du sie beschreibst, ist mir dabei aber auch noch nicht untergekommen. Ich glaube daher nicht, dass es sich bei dem Vorfall um das Phänomen, das ich oben beschrieben habe, handelt. Mit solchem Verhalten muss man aber eigentlich immer rechnen und man sollte es vielleicht einfach nicht so persönlich nehmen. Der Junge hat anscheinend irgendwelche Probleme, das hat dann ja nichts mit der eigenen Person zu tun.
Es ist doch die Frage, ob man es sich leisten kann ein Praktikum abzusagen. Ich denke nicht, dass man wegen einem rüden Umgang einfach absagen sollte. Immerhin möchte man ja arbeiten und auch eine Ausbildung machen. Es geht ja hierbei nur um schlechte Umgangsformen und das sollte man ignorieren können. Man kann eben nicht von jedem gute Manieren erwarten.
Ich kenne einige Berliner und habe bis jetzt noch keinen erlebt, der nicht frei Schnauze gesprochen hat. Sie sagen eben was sie denken und sind dabei manchmal sehr hart und auch ordinär, aber das ist meistens nicht böse gemeint. Berliner sind eben so und deswegen sollte man die Worte nicht so Ernst nehmen. Wenn man erst mal mit ihnen befreundet ist, weiß man was man an ihnen hat.
Ich denke, dass man gerade bei einer Ausbildung einiges in Kauf nehmen muss und nicht so leicht alles hinwerfen sollte. Ich hätte nicht aufgegeben und hätte dann eben auch meine Meinung gesagt und dann wäre es gut gewesen. Ansonsten gibt es ja auch nirgends den perfekten Job und gerade, wenn alle nach einer Stelle suchen würde ich mir nicht einreden, dass ich bessere Karten habe.
Ich mag es eigentlich gerne, dass viele Leute in Berlin nicht so verstockt sind und direkt sagen, was sie denken. Dann weiß jeder, woran er ist. In dem von dir beschriebenen Fall finde ich die Wortwahl nun auch nicht besonders gelungen, aber deswegen ein Praktikum abzubrechen oder sogar eine Ausbildung abzusagen, finde ich vollkommen übertrieben. Ist dein Neffe allgemein so zart besaitet? Ich kann das irgendwie nicht ganz glauben, dass jemand sein Praktikum aus einem solchen Grund nicht mehr fortsetzen möchte, obwohl ihm der Beruf an sich scheinbar zusagt.
In manchen Ausbildungsberufen muss man einfach damit rechnen, dass der Umgangston etwas anders ist als im geschützten Rahmen eines Gymnasiums. Ich war selbst auf einem recht konservativen Gymnasium und habe durchaus Unterschiede zu dem Ausbildungsbetrieb und der Berufsschule festgestellt. An der Universität wiederum ist es jetzt wieder anders und naturgemäß eher mit dem Gymnasium vergleichbar als mit der Berufsschule und der Firma, in der ich meine Ausbildung gemacht habe – und das, obwohl der Beruf nicht einmal besonders viele Chaoten anzieht.
Ich fühle mich auch manchmal etwas deplatziert, wenn ich mit Leuten konfrontiert bin, die sehr prollig sind. Aber solange ich das nur als Außenstehender erlebe, finde ich das eigentlich eher amüsant und nehme dieses Mackerverhalten auch nicht ernst. Man sollte das nicht zu ernst nehmen. Bei deinem Neffen kommt noch hinzu, dass er das Abitur nicht bestanden hat und daher auch nicht unbegrenzt anspruchsvoll sein kann. Man muss immer schauen, ob man es sich leisten kann, auf einen Praktikumsplatz und später vielleicht sogar auf einen Ausbildungsplatz zu verzichten. Ich könnte mir vorstellen, dass er das in seiner Position nicht kann und daher lieber die Zähne zusammenbeißen sollte anstatt sich zu beschweren.
Ich hatte in deinem Thread, in dem du mehr Informationen zu dem Beruf wolltest, ja bereits ausführlich geantwortet. Mir war damals an sich schon klar, dass das wahrscheinlich nicht das ist, was dein Neffe braucht und sucht.
Ganz generell ist der Umgangston im Handwerk generell härter und rauer. Da hat sich bis heute teilweise auch nicht viel dran geändert. Wobei es mich verwundert, dass man gerade im bunten Berlin noch so reagiert. Allerdings eben eine nicht untypische Reaktion im Handwerk. Das heißt nun nicht, dass ich das gut finde. Ich will es auch nicht gut reden. Aber als Auszubildender kann man das sicherlich nicht ändern. Noch dazu muss man wahrscheinlich lernen mit solche Äußerungen zu leben oder man lernt einen anderen Beruf.
Dein Neffe hat bereits jetzt schon Probleme mit dem Umgangston. Ich befürchte, wie ich bereits auch schon erwähnte, dass ihn die Tätigkeit wahrscheinlich geistig nicht wirklich fordern wird. Das zusammen kann einen zermürben. Eben weil er ja an sich zum Schaffen da ist und nicht zum Diskutieren. Davon mal abgesehen, habe ich selbst teilweise auch recht eigene politische Ansichten und ich habe die während meiner Ausbildung zum Teil auch offen mit mir rum getragen. Mein Ausbilder war eher sehr konservativ eingestellt. Allerdings hat er sich auch auf mich eingestellt und wir haben manche Diskussionen geführt. In anderen Betrieben wäre das nicht so gelaufen.
Ich denke, die Chancen, dass er einen Betrieb erwischt, in dem er seine soziale Ader voll ausleben kann und noch dazu eben sich dem erschaffen etwas sinnvollen widmen möchte, stehen eher schlecht. Wobei er in Berlin auch Glück haben könnte und eben einen Betrieb finden könnte, der eher Multikulturell eingestellt ist und vielleicht auch offener für Randerscheinungen der Bevölkerung ist.
Ansonsten denke ich auch, er kann noch nicht abschätzen, in wie weit diese Situation aus was entstanden ist. Ich für meinen Teil bin teilweise über den Umgangston heutiger Jugendlicher verblüfft bis schockiert. Wenn man dem aber mal eine Zeit lang folgt, dann weiß man, wie man manche Äußerung zu nehmen hat. Was man aber nicht aufgrund einer kurzen Situation beurteilen kann.
Leider muss man im Arbeitsleben die Zähne zusammenbeißen und solche Menschen ertragen, denn ansonsten könnte man überall kündigen. Ich arbeite in einem sozialen Beruf und habe schon die unmöglichsten Aussagen und Verhalten von Kollegen mitbekommen. Oftmals handelt es sich dabei um eine Gruppe, die sich alle gleicher Meinung sind. Eigentlich sind es die unsozialsten Menschen denen ich je begegnet bin.
Ich meine es nicht böse, aber warum will dein Neffe mit Abitur, oder fast Abitur Bäcker werden? Ist das nicht immer noch ein Beruf, der hauptsächlich von Menschen mit schlechteren Abschlüssen ausgeführt wird? Da ist das "Niveau" dann vielleicht auch ein anderes. Vielleicht hat er eines Tages den Mut bzw. kann es sich erlauben diesen Leuten die Meinung zu sagen. Als Auszubildender ist man halt ein kleines Licht und backt zunächst kleine Kuchen.
JeanSmith hat geschrieben:Ich meine es nicht böse, aber warum will dein Neffe mit Abitur, oder fast Abitur Bäcker werden? Ist das nicht immer noch ein Beruf, der hauptsächlich von Menschen mit schlechteren Abschlüssen ausgeführt wird?
Zwischen dem "fast-Abitur" und dem Abitur gibt es aber einen deutlichen Unterschied. Immerhin ist der Abschluss nicht vorhanden, also muss man auch gar nicht darüber spekulieren, was der junge Mann fast für einen Abschluss geschafft hätte. Er hat ihn nicht, Punkt. Ich weiß gar nicht, ob er damit nun trotzdem irgendeinen Abschluss hat, zum Beispiel die Fachhochschulreife oder wenigstens etwas, was mit dem Realschulabschluss vergleichbar ist.
Zu dem Job an sich kann ich sagen, dass ich auch eine Ausbildung in einem Bereich gemacht habe, in dem man eigentlich nicht so viele Abiturienten antrifft. Wenn es einem liegt und es sich um den persönlichen Traumberuf handelt, wenn man auf der Ausbildung aufbauen möchte oder wenn man erst einmal eine Lehre machen will, um sich über seinen weiteren Weg klar zu werden, ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Abiturient eine Ausbildung macht, die vielleicht unterhalb der eigenen Möglichkeiten liegt. Allerdings bleibt dem Neffen in diesem Fall ja auch keine Alternative zu einer Ausbildung, denn ohne Abitur (oder gar ohne Abschluss) kann er nicht auf die Universität gehen.
Dein Neffe scheint wirklich eine Mimose zu sein. Klar kennt er einen so rauen Umgangston nicht, Und solche Aussprüche einfach zu ignorieren, das hat er noch nicht gelernt. Aber nach einem Tag darf er nicht so reagieren und alles hinschmeißen. Er muss sich in einem Handwerksberuf schon etwas anpassen. Wenn er das nächste Praktikum macht, wird es ihm auch nicht anders ergehen. Warum wiederholt er das Abitur nicht und lernt tüchtig dafür? Dann hätte er doch ganz andere Möglichkeiten. Vielleicht müsste er sich dann solche Sprüche nicht anhören.
Ich weiß nun nicht, wie es allgemein in den Bäckereien in Berlin so zugeht, aber ich kann deinen Neffen auch nicht wirklich verstehen, dass er direkt alles hinwirft, ohne es richtig versucht zu haben. Immerhin war es ja nur ein Tag, den er dort gearbeitet hat. Natürlich war die Ausdrucksweise seiner potentiellen Kollegen nicht gerade toll und ich kann deinen Neffen verstehen, dass er über solche Sprüche entsetzt war. Aber so etwas ist doch nur eine Momentaufnahme und nach einem Tag kann er die Kollegen doch noch gar nicht richtig einschätzen und wissen, wie die Kommentare gemeint waren.
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