Erbunwürdig - Was müsste man sich zu Schulden kommen lassen?

vom 20.06.2013, 13:43 Uhr

Ich habe heute Fernsehen geschaut und da kam auch die Sprache auf "erbunwürdig" und es wurde gesagt, wenn jemand einem nach dem leben trachtet und man das beweisen kann, dann ist man erbunwürdig und man kann denjenigen auch komplett enterben.

Ich habe mich dann gefragt, ob es vielleicht auch noch andere Gründe gibt, jemanden zu enterben und ihm nicht mal der Pflichtteil zu steht. Wie ist es, wenn ein Kind schon im Jugendalter sich vom Elternhaus entfernt und auch nach Jahren noch sagt, dass dieser keine Eltern mehr hat. Hat dieser Mensch dann dennoch Anspruch auf das Erbe, obwohl er sich ja selber entfernt hat und nichts mehr mit den Eltern zu tun haben wollte? Was muss man sich zu Schulden kommen lassen um völlig enterbt werden zu können? Also einem nicht mal das Pflichtteil zu steht?

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» MissMarple » Beiträge: 6786 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Die Erbunwürdigkeit ist geregelt im Abschnitt sechs des fünften Buches des BGB, §§ 2339 bis 2345 BGB. Nach § 2339 Absatz 1 Nr. 1 ist erbunwürdig, wer den Erblasser getötet oder dies zumindest versucht hat. Die Tat muss vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begangen sein; eine "nur" fahrlässige Tötung würde also nicht reichen, ebenso wenig eine zum Beispiel durch Notwehr gerechtfertigte oder im Zustand der Schuldunfähigkeit begangene. Erbunwürdig nach Nr. 1 ist auch, wer den Erblasser vorsätzlich in einen Zustand versetzt oder einen Zustand herbeiführt, der zur Folge hat, dass dem Erblasser aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen dauerhaft (also bis zum Eintritt seines Todes) ein Testieren (das ist das Errichten des Testaments) nicht mehr möglich ist (also zum Beispiel Herbeiführen von Krankheit durch Vergiften).

Nach § 2339 Absatz 1 Nr. 2 ist weiterhin erbunwürdig, wer verhindert, dass der Erblasser ein Testament errichtet oder aufhebt. Dadurch soll die Willensbildung des Erblassers geschützt werden. Die Verhinderung kann dabei etwa in physischer Gewalt, Täuschung oder Drohung, aber auch durch die Ausnutzung einer Zwangslage oder Willensschwäche des Erblassers bestehen.

Nach Nr. 3 kann sich die Erbunwürdigkeit auch daraus ergeben, dass man den Erblasser durch Täuschung oder Drohung dazu bringt, ein Testament zu errichten oder aufzuheben. Beispiel: Ein Ehegatte hat ein außereheliches Verhältnis, versichert dem Partner jedoch, dass er treu sei und weiß, dass dieser im Vertrauen darauf ein Testament zu seinen Gunsten errichten wird.

Nr. 4 schließlich greift ein, wenn der Erbunwürdige sich hinsichtlich eines Urkundsdelikts der §§ 267 ff StGB strafbar gemacht hat, also etwa Fälschung eines Testaments.

Das sind die gesetzlich vorgesehenen, abschließenden Gründe der Erbunwürdigkeit. Wie man sieht, handelt es sich um ziemlich heftige Verhaltensweisen des Erbunwürdigen. Das genannte Beispiel, dass man nichts mehr mit den Eltern zu tun haben möchte, reicht also nicht für die Erbunwürdigkeit aus. Nach § 2343 kann der Erblasser dem Erbunwürdigen jedoch (sogar die versuchte Tötung!) verzeihen, wodurch die Erbunwürdigkeit entfällt. Nach § 2345 BGB entfällt auch der Anspruch auf den Pflichtteil, wenn der Pflichtteilsberechtigte sich einer der in § 2339 genannten Verfehlungen schuldig gemacht hat.

Jemanden enterben ist allerdings wieder etwas anderes. Das bedeutet einfach nur, dass man im Testament anordnet, eine bestimmte Person soll als Erbe ausgeschlossen sein; das muss noch nicht mal begründet werden. (Erbe wird man durch Testament / Erbvertrag oder aufgrund der gesetzlichen Erbfolge. Der Ausschluss im Testament bezieht sich also auf die gesetzliche Erbfolge. Denn wenn man jemanden, der nicht der gesetzlichen Erbfolge unterliegt, vom Erbe ausschließen will, genügt die Errichtung eines neuen Testaments, das diese Person nicht erwähnt.) Aber: Den Pflichtteil erhält diese Person grundsätzlich trotz der "Enterbung", wenn sie pflichtteilsberechtigt ist (das sind die nächsten Angehörigen). Dieser Pflichtteil wiederum kann (neben den genannten Gründen) gemäß § 2333 BGB nur entzogen werden, wenn der Pflichtteilsberechtigte:

    - dem Erblasser oder einer ihm nahe stehenden Person nach dem Leben trachtet,
    - sich eines Verbrechens oder schweren Vergehens gegen eine der eben genannten Personen schuldig macht,
    - gegenüber dem Erblasser die gesetzliche Unterhaltspflicht verletzt hat,
    - wegen einer vorsätzlichen Straftat zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt wurde UND die Teilhabe am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist.
Das Pflichtteilsrecht wird aus Art. 14 GG (Eigentum und Erbrecht werden gewährleistet) in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG (Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Staates) hergeleitet. Weil es also aus den Grundrechten herrührt, ist es ein so wichtiges Recht, dass nicht "einfach so", zum Beispiel wegen Kontaktabbruchs entzogen werden kann, sondern nur aus den oben genannten Gründen. Ins Testament zu schreiben: "Mein Sohn soll nichts erben, weil er so früh ausgezogen ist und sich nie mehr gemeldet hat." würde also keineswegs zum Ausschluss des Pflichtteils führen.

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» Kate110 » Beiträge: 485 » Talkpoints: 0,35 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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