Schuldgefühle, auch wenn man keine Schuld hat?

vom 19.06.2013, 13:14 Uhr

Eine Bekannte hat seit einigen Monaten starke Schuldgefühle. Sie hat sich um 10 Minuten verspätet, als sie zu ihrer Mutter kommen sollte und hat ihre Mutter unten an der Kellertreppe gefunden. Sie hat sich wohl sehr stark verletzt und sitzt nun im Rollstuhl. Die Mutter gibt ihr die Schuld, weil sie etwas aus dem Keller holen wollte, was eigentlich meine Bekannte machen sollte. Die Mutter konnte nicht abwarten, bis die Tochter kommt.

Alles reden, dass sie keine Schuld an diesem Unfall hat, hilft nicht. sie meint, dass der Mutter nichts passiert wäre, wenn sie pünktlich gekommen wäre, weil sie dann in den Keller gegangen wäre. Ich habe ihr gesagt, dass ihre Mutter dann eben vom Stuhl gefallen wäre, weil ich der Meinung bin, dass immer und überall was passieren kann.

Wie kann man mit Schuldgefühlen fertig werden, besonders, wenn einem eigentlich auch keine Schuld trifft? Wie kann man auch der Mutter klar machen, dass ihre Tochter nichts dafür kann? Die Mutter ist der reinste Tyrann geworden und scheucht ihre Tochter von A nach B, weil sie ihr die Schuld auch einredet. Sie meint, dass sie verpflichtet ist zu helfen, weil sie ohne sie noch laufen könnte. Wie würdet ihr an der Stelle der Bekannten reagieren?

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» MissMarple » Beiträge: 6786 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



MissMarple hat geschrieben:Die Mutter konnte nicht abwarten, bis die Tochter kommt.

Darin liegt der Knackpunkt. Die Tochter hat ihre Mutter nicht gezwungen in den Keller zu gehen. Das war die Entscheidung der Mutter. Sie hätte ja auch einen guten Grund haben können zu spät zu kommen. Was wäre, wenn ihr jemand reingefahren wäre, sie mussten noch Adressen austauschen, auf die Polizei warten. Wäre sie dann auch dran schuld, dass die Mutter die Treppe runtergefallen ist? Jedem Ereignis geht eine Kette von Ereignissen voran. Aber alle anderen Ereignisse haben der Mutter keinen Schaden zugefügt. Die Verspätung der Tochter hat dazu geführt, dass die Mutter warten musste und sauer wurde. Aber einzig allein die Entscheidung selber in den Keller zu gehen, hat sie auf die Treppe und diese hinunterbefördert.

Das wird aber letztlich Mutter und Tochter schon klar sein. Aber die Mutter will es nicht eingestehen und die Tochter lässt sich die Schuld bereitwillig einreden. Die Gründe dafür liegen wahrscheinlich tiefer. Ich nehme mal an, dass sie auch vor diesem Tag nicht ein Herz und eine Seele waren.

"Verpflichtet" zu helfen, ist sie schon irgendwie. Nicht wegen dem Unfall, aber es ist ja immerhin ihre Mutter. Aber das trifft nicht auf Beschuldigungen und Umherscheuchen zu. Das muss sich niemand gefallen lassen. Aber das wird man nur durch sehr, sehr deutliche Worte beenden können. Und zu diesen ist deine Freundin nicht bereit. Um bereit zu werden, könnte es helfen, den wahren Grund zu finden. Oder einfach nur die Einsicht, dass sie keine Schuld trifft und dass sie das derzeitige Verhalten der Mutter nicht verdient.

Du kannst es ihr nur immer wieder sagen. Auf die unterschiedlichsten Art und Weisen. Es gibt unzählige solcher Geschichten. Vielleicht findest du welche, erzählst sie ihr und sie entdeckt sich in den Protagonisten wieder und erkennt ihre Fehler. Vielleicht braucht sie auch mal eine Pause? Wenn sie ununterbrochen unter der Fuchtel ihrer Mutter steht, hat sie gar nicht die Ruhe die Sache mal nüchtern, unbeeinflusst zu betrachten.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Hat deine Bekannte ihre Mutter gezwungen, die Treppe hinunter zu gehen? Oder hat sie sie herunter geschubst? Nein. Und wenn die Bekannte selber hinunter gegangen wäre und dabei gestürzt wäre, wäre es dann die Schuld der Mutter gewesen? Auch hier denke ich nein. Hat die Mutter gesundheitliche Probleme oder ähnliches gehabt, dass ihre Tochter für sie in den Keller gehen sollte? Wenn schon die Tochter vorbei kommen soll um zu helfen, kann man ja davon ausgehen, dass die Mutter nur bedingt in der Lage war, selber in den Keller zu gehen. Das wird sie ja gewusst haben, sonst hätte sie ihre Tochter nicht um Hilfe gebeten.

Dass die Mutter nicht mal noch ein paar Minuten warten konnte und selber in den Keller gegangen ist, ist dann eher ihre eigene Schuld. Ich kann schon verstehen, dass sich deine Bekannte schuldig fühlt, aber solche Gedanken wie "Wäre ich.. hätte ich.." bringen doch rein gar nichts. Ich finde es auch blöd von der Mutter, dass sie das ganze noch schlimmer macht, ohne anscheinend mal auf den Gedanken zu kommen, dass sie alleine entschieden hat ohne ihre Tochter in den Keller zu gehen. Hätte die Mutter gewartet, wäre nichts passiert. Ganz einfach.

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» Nana_2011 » Beiträge: 2250 » Talkpoints: 0,21 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich kann es ja irgendwie verstehen, dass deine Bekannte Schuldgefühle hat, zumal die Mutter diese Schuldgefühle durch ihr Haltung ja noch verstärkt. Das finde ich schon sehr unfair. Von außen betrachtet würde ich auch sagen, dass deine Bekannte keine Schuld an dem Vorfall hat. Immerhin hat sie sich ja nur verspätet und nicht ihrer Mutter gesagt, dass sie gefälligst selber in den Keller gehen soll oder so. Bis zu einem gewissen Punkt würde ich sicher der Mutter auch helfen und wahrscheinlich hätte ich gerade am Anfang auch Schuldgefühle.

Aber das kann doch nicht ewig so weitergehen. Die Mutter sollte einfach einsehen, dass die Tochter nicht Schuld an ihrem Schicksal ist. Das wird aber wahrscheinlich so schnell nicht passieren, solange die Tochter eben Schuldgefühle hat und sich von der Mutter herum kommandieren lässt. Ich finde es schwierig, dazu von außen etwas zu sagen, aber zu der Tochter kann man nur immer wieder sagen, dass sie nicht an der Lage die Schuld trägt. Vielleicht hat ja auch die Mutter Freundinnen, die in der Hinsicht mal auf sie einwirken können, damit diese nicht weiter ihre Tochter so unter Druck setzt.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



Ich sitze ebenfalls im Rollstuhl. Im Endeffekt ist dies passiert, weil ein Arzt Mist gebaut hat, denn er hat nicht erkannt, dass mein Bein gebrochen und damit instabil war. Als ich dann Jahre später auf eine Leiter gestiegen bin, hat das Bein nach gegeben und ich bin auf den Rücken gefallen mit der Folge, dass ich nun den Rest meines Lebens im Rollstuhl sitze. Trotzdem bin letzten Endes ich selbst Schuld.

Ich hätte darauf bestehen müssen, dass mein Bein weiter behandelt wird und ich hätte nicht auf die Leiter steigen dürfen, denn im Endeffekt wusste nur ich selbst, wie schlecht es um mein Bein bestellt war und wie unsicher ich damit war. Aber ich wollte nicht auf das, was mein Körper mir sagte, hören und bin trotzdem auf die Leiter gestiegen. Das ist meine Entscheidung gewesen und damit bin ich Schuld gewesen - nicht der Arzt. Seine moralisch vorwerfbare Schuld liegt woanders.

» rasenderrolli » Beiträge: 1058 » Talkpoints: 16,66 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich sehe es genauso, dass nicht die Tochter Schuld gewesen ist, sondern es war ein Unfall, der jederzeit an jedem Ort hätte passieren können. Allenfalls hat die Mutter selbst Schuld, denn nur sie kannte ihren wackeligen Zustand und sie traf letztendlich die Entscheidung, trotzdem in den Keller zu gehen. Das, was aus dem Keller geholt werden sollte, hätte wohl auch noch gut die zehn Minuten warten können - nichts auf der Welt ist es wert, dass man dafür jetzt im Rollstuhl sitzt!

Die Mutter ist letztendlich ein Opfer ihrer eigenen Ungeduld, ihrer eigenen Unvernunft, ihrer eigenen Nörgelei. Wäre sie etwas gelassener oder menschenfreundlicher, dann hätte sie wie jeder andere ruhig auf die Tochter gewartet und sie danach gebeten, in den Keller zu gehen. So aber hat sie sich nur maßlos und vollkommen unnötig aufgeregt und ist darüber gestürzt. Wenn es nicht an diesem Tag passiert wäre, wäre es an einem anderen Tag passiert, denn die Mutter wäre an den anderen Tagen kaum gelassener.

Eine Schande, dass eine Mutter so etwas ihrer Tochter antut. Ich würde der Tochter raten, ihre Mutter eine Weile nicht zu besuchen, denn sie muss sich erst mal selbst wieder aufbauen. Ansonsten geht sie an dieser Situation kaputt. Ihrer Mutter würde es wohl auch gut tun, wenn sie mal von Leuten umgeben wäre, die sie nicht bedauern und sich nicht rumscheuchen lassen, ihr vielleicht auch mal die Meinung sagen.

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Die Schuldgefühle deiner Bekannten kann ich gut nachvollziehen. Sie ist von ihrer Mutter so gedrillt worden, dass sie selbst glaubt, den Unfall durch ihr Zuspätkommen verursacht zu haben. Die Mutter scheint sehr starrsinnig geworden zu sein und ihre Tochter zu tyrannisieren. Sie weiß genau, dass sie selbst schuld an ihrem Unglück ist. Denn sie hätte auf ihre Tochter warten müssen. Das könnte die Tochter mal mit dem Arzt der Mutter besprechen. Dann wäre es das Beste, wenn die Tochter mal zwei Wochen Urlaub macht und eine Ersatzkraft, die der Arzt vermitteln könnte, die Mutter betreut. Diese müsste dann notgedrungen sich anders verhalten und käme vielleicht zur Besinnung.

Die Tochter wird von sich aus die Schuldgedanken nicht los werden. Da halte ich es für gut, wenn sie Hilfe in Anspruch nehmen könnte.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Ehrlich gesagt finde ich es sehr schlimm, dass sich deine Bekannte so starke Vorwürfe macht. Immerhin ist sie gar nicht schuld an dem Unfall ihrer Mutter. Immerhin war es die Entscheidung der Mutter, in den Keller zu gehen. Wenn sie sich einfach geduldet hätte, dann wäre das auch nicht passiert. Immerhin hat sie ja niemand dazu gezwungen, in den Keller zu gehen. Außerdem musste es ja auch nicht zwangsläufig zu so einem Unfall kommen.

Die Mutter wird wohl sehr genau wissen, dass ihre Tochter keinerlei Schuld an dem Unfall trägt. Immerhin hat sie sich ja schließlich selbst dazu entschieden, in den Keller zu gehen. Wenn sie auf ihre Tochter gewartet hätte, dann wäre das auch nicht passiert, weshalb sie also selbst schuld ist. Zudem ist ja auch jeder für sich selbst verantwortlich und die Mutter ist ja auch alt genug, um zu wissen, was sie da tut. Von daher ist es Quatsch, jemand anderem die Schuld für so einen Unfall zu geben.

Man kann wohl nicht viel machen, als der Frau immer wieder zu beteuern, dass sie selbst nichts für den Unfall kann. Allerdings glaube ich kaum, dass das ihr schlechtes Gewissen beruhigen wird. Von daher wird sie wohl erst einmal mit dieser Situation klar kommen müssen, bis Gras über die Sache gewachsen ist.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge


Sie müsste ja keine Schuldgefühle haben und ich denke, wenn die Beziehung zu der Mutter besser wäre, hätte sie die auch nach kurzer Zeit nicht mehr. Der zentrale Konflikt liegt für mich in der Beziehung der beiden zueinander. Die Mutter scheint hier über emotionale Erpressung zu handeln und die Tochter scheint nach emotionaler Nähe zu suchen und Liebe von der Mutter zu wollen, die sie scheinbar nicht bekommt. Sollte das der Fall sein, braucht sie eine Fachkraft, die ihr erklärt, dass sie die Liebe nicht bekommen wird und ihr Leben anders ausrichten muss. Gemeinsam kann man dann an den Schuldgefühlen arbeiten.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


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