Verwandte selber pflegen - überhaupt machbar?

vom 06.06.2013, 12:07 Uhr

Der Opa von meinem Partner ist ja an Demenz erkrankt. Nun steht die Frage im Raum, was gemacht werden muss. Meine Schwiegermutter geht mittlerweile jeden Tag zu ihm, hat aber selber noch ein Geschäft zu führen. Seine Kinder wohnen alle weiter weg und mein Schwiegervater ist die Woche über in einer anderen Stadt auf Montage.

Nun stellt sich mir die Frage, wie andere das machen können. Man kann doch eigentlich nicht wirklich jemanden bei sich zu Hause pflegen oder? Da sind ja auch die Kosten. Man bekommt zwar etwas dazu, aber muss seinen Job ja bei einer Demenz aufgeben, weil der Verwandte ganztags gepflegt werden muss. Auch ist es ja keine angenehme Sache, wenn man jemanden, der einem nahesteht pflegt. Wir wiegen nun alle gemeinsam ab, weil man eben auch nicht so einfach den Laden schließen kann. Wie schaffen das Andere? Ist das Pflegen ohne Fachkraft überhaupt machbar oder ist es eine Aufopferung des eigenen Lebens?

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Es kommt mit Sicherheit auf die Krankheit und den Zustand des Verwandten an, aber es ist prinzipiell schon möglich, jemanden zu Hause zu pflegen. Leicht ist das sicher nicht, im Gegenteil. Meine Mutter war auch zu Hause, bevor sie gestorben ist und wir, meine Familie und ich, haben uns alleine um sie gekümmert. Morgens kam jemand von Pflegedienst, der sie gewaschen hat und wissen wollte, ob soweit alles in Ordnung ist, aber ansonsten kam niemand zum helfen.

Mein Vater hat seine Arbeitszeiten so gut es ging eingeschränkt und oft Urlaubstage gebraucht um zu Hause sein zu können. Meine Schwester, damals nicht nicht berufstätig, war meistens bis Mittags bei meiner Mutter, dann musste sie ihre Kinder aus dem Kindergarten beziehungsweise der Schule abholen. Mein Bruder kam wann immer es ging für einige Tage nach Hause und ich habe mein Studium pausiert, um komplett zu Hause sein zu können. Ich bin immer nur zwischendurch für wenige Tage mal zu mir gefahren.

Also ist es durchaus eine Aufopferung und viel "ich" gab es in der Zeit nicht. Normal nebenher weiter leben, bezogen auf Beruf oder Studium, das geht sicher nicht, selbst wenn sich mehrere Familienmitglieder kümmern können. Wenn nun sonst niemand helfen könnte und wirklich den kompletten Tag jemand bei dem Opa sein muss, wird es natürlich extrem schwierig das alleine zu schaffen. Besonders wenn ein Geschäft vorhanden ist, was man natürlich nicht mal eben so für ein paar Tage schließen kann.

Wie ihr euch nun entscheidet müsst ihr selber abwägen. Es ist auf jeden Fall machbar, jemanden zu Hause zu pflegen. Aber es ist alles andere als leicht und man braucht schon Unterstützung von anderen Familienmitgliedern. Je nach Krankheit und Zustand kann es aber schon notwendig sein, dass auch eine Fachkraft beantragt wird, die ebenfalls nach dem Patienten schaut.

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» Nana_2011 » Beiträge: 2250 » Talkpoints: 0,21 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Zusammen mit meiner Mutter habe ich meinen Vater gepflegt in den letzten Wochen und Tagen vor seinem Tod. Er war anfangs einfach nur schwach, aber klar im Kopf, sodass es reichte, wenn meine Mutter oder ich anwesend waren, um ihm jeweils zu helfen, beim Gehen auch einfach ein wenig zu stützen. Eine Woche vor seinem Tod wurde er plötzlich dement. Wir wissen nicht, warum das so plötzlich kam.

Aber seit dem Tag mussten wir immer mit zwei Leuten anwesend sein, denn er musste immer so gestützt werden beim Gehen, dass wir ihn auch wirklich hätten halten und heben können. Dazu kam dann aber auch vor allem, dass er Unsinn redete und sehr unruhig war, denn die Halluzinationen und die Demenz verwirrte ihn auch. Das war für meine Mutter und mich sehr schwer zu ertragen. Wir kamen psychisch kaum damit klar, denn um einigermaßen leben zu können, musste man ihn eher behandeln wie ein Kleinkind, dem man sagt, es hat nun zu schlafen oder es darf hier und dort nicht hin.

Dazu kam auch eine hohe körperliche Belastung, denn die Unruhe bewirkte auch, dass er keine Nacht durchschlief - selbst mit Medikamenten nicht. Zwei Stunden war das längste am Stück. Das hat meine Mutter und mich sehr geschlaucht. Vor allem meine Mutter konnte nur schlecht schlafen, denn mit einem Ohr war sie immer bei meinem Vater - ob er schon wieder wach war und vielleicht irgendetwas wollte. Insofern können wir auch froh sein, dass er dann recht schnell erlöst wurde, denn wir hätten nicht mehr länger durchgehalten.

Ich hoffe, diese Schilderung hilft Dir bei der Entscheidung. Ich hatte schon mal ein Jahr in der Behindertenpflege gearbeitet, wo ebenfalls jemand mit Demenz in einer Wohngruppe lebte. Selbst mit sechs Leuten in zwei Dienstgruppen haben wir uns nur durch diese Person aufgerieben, denn die Unruhe, die denjenigen befällt aufgrund des fehlenden Gedächtnisses und der falschen Erinnerungen oder auch Halluzinationen, ist kaum zu bewältigen. Kommt die persönliche Betroffenheit noch dazu, ist es eine unmenschliche Aufgabe.

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich denke, die Entscheidung kann einem niemand abnehmen. Ich persönlich hätte die Pflege meiner Eltern nicht übernommen, weil wir uns nicht so nahe standen. Ich hätte samt eigener Familie umziehen müssen und meinen Job aufgeben müssen.

Aber ich kenne Leute, die ihren Verwandten pflegen und dafür eine ganze Menge aufgeben, weil sie eben eine gute Beziehung zu den Eltern haben und eh zusammenwohnen. Je nach Pflegestufe gibt es ja auch Hilfe von einer Fachkraft.

Wie gesagt, das muss jeder selber entscheiden, bzw. mit der Familie absprechen. Ein Zurückstecken der eigenen Bedürfnisse ist es auf jeden Fall, bis hin zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Aber anscheinend ist es auch ein großer persönlicher Gewinn. Ich kann das nicht beurteilen, weil ich es nie gemacht habe

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich denke, es kommt darauf an, welche Krankheit das ist, weil es geht ja automatisch mit viel Verantwortung einher und so etwas ist ja kein Zuckerschlecken, es ist ja eine ziemlich belastende Sache, die sicherlich an den Nerzen und Kräften zerrt.

Man kann sehr wohl auch zu Hause die Person pflegen und sich um sie kümmern. Sollte es mal bisschen strapaziös werden, kann man ja eine Krankenschwester holen - es gibt ja mobile Krankenschwestern, die nach Hause kommen und kurz einmal nach sehen, so ist das ja nicht.

Wenn es die eigenen Eltern sind, dann kann man sich bestimmt um sie kümmern, aber nicht jeder ist so. Ich kenne leider viele Menschen, die absolut nicht damit klar kommen und total überfordert sind, sodass sie sogar die eigenen Eltern ins Heim geben. Sowas ist traurig. Ich meine, man wurde ja selber jahrzehntelang von den Eltern groß gezogen, da ist es ja nicht zu viel verlangt, wenn man dasselbige tut, wenn man erwachsen ist.

Klar, es ist auch eine Sache der Aufopferung, aber auch eine sehr emotionale und körperliche Sache. Ich denke, das muss jeder für sich entscheiden, aber dies gehört gründlich überlegt. Wenn die Person viel zu krank ist, dann gehört sie in professionelle Hände, das ist klar.

Ich kenne ein paar Bekannte, die sich um die eigene Mutter kümmern. Sie hat Parkinson und das ist nicht leicht für alle. Zwar gehen sie auch ihren eigenen Job nach und tun ihr Bestes, aber man kann schon merken, wie sehr es strapaziert und das Lachen schnell vergehen kann. Die tun mir echt leid!

Es ist jedem selber überlassen, wie er das macht. Wenn es meine Eltern betreffen würde, dann würde ich mich ohne zu Fragen sofort um sie kümmern und sehr wohl in meinem Leben integrieren. Dass sie ins Heim gesteckt werden, kommt erst gar nicht in Frage! Und sollte ich überfordert werden, hole ich mir sicherlich Hilfe von Außen.

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» kleineAmsel » Beiträge: 205 » Talkpoints: 0,57 » Auszeichnung für 100 Beiträge


kleineAmsel hat geschrieben:Wenn es die eigenen Eltern sind, dann kann man sich bestimmt um sie kümmern, aber nicht jeder ist so. Ich kenne leider viele Menschen, die absolut nicht damit klar kommen und total überfordert sind, sodass sie sogar die eigenen Eltern ins Heim geben. Sowas ist traurig. Ich meine, man wurde ja selber jahrzehntelang von den Eltern groß gezogen, da ist es ja nicht zu viel verlangt, wenn man dasselbige tut, wenn man erwachsen ist.

Ich kann es total nachvollziehen, wenn sich jemand gegen die häusliche Pflege entscheidet und in bestimmten Fällen ist es auch sicher ratsamer, die kranke Person wirklich in gute Hände zu geben. Selbst wenn man es will, das zu Hause pflegen geht nicht in allen Fällen. Aber ich stimme dir zu, was die Pflege der eigenen Eltern angeht. Meine Mutter selber meinte immer, sie will uns nicht zur Last fallen und will, dass ich andere Leute um sie kümmern. Meine Schwester und ich haben ihr aber immer wieder gesagt, dass sie uns schließlich damals auch gefüttert hat, aus dem Bett gehievt hat und für uns da war. Daher ist es das mindeste dass wir das, soweit es uns möglich war, auch für sie getan haben.

anlupa hat geschrieben:Aber anscheinend ist es auch ein großer persönlicher Gewinn. Ich kann das nicht beurteilen, weil ich es nie gemacht habe.

Ich glaube nicht, dass ich das unbedingt als persönlichen Gewinn bezeichnen würde. Aber ich glaube, ich weiß was du meinst. Man "wächst" schon irgendwie an dieser Aufgabe und geht an seine Grenzen. Ein Stück weit macht es einen sicher auch "erwachsener" und kann einen schon verändern. Ich wünsche mir, dass ich das niemals hätte durchmachen müssen, würde es aber jeder Zeit wieder machen, da ich so einfach nochmal viel Zeit mit meiner Mutter verbringen konnte und mir nicht vorwerfen kann, dass ich nicht für sie dagewesen wäre. Und mir persönlich war und ist meine Mutter einfach wichtiger, als mein Studium. Sodass ich da auch nicht bereut habe dieses pausiert zu haben.

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» Nana_2011 » Beiträge: 2250 » Talkpoints: 0,21 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


@kleineAmsel: Es ist doch aber ein Unterschied, ob man ein gesundes Kind groß zieht oder kranke Erwachsene pflegen soll. Viele Menschen sind dieser Situation auch emotional nicht gewachsen. Als mein Vater noch lebte, standen wir auch von heute auf morgen vor der Frage was nach dem Krankenhaus kommt. Ich hatte selbst zwei kleine Kinder und eine eigene Firma. Das konnte ich ja nun nicht einfach in die Ecke stellen, damit ich meinen Vater pflegen kann.

Meine Mutter war der ganzen Situation dann emotional nicht gewachsen. Das habe ich an dem Tag, als mein Vater ins Krankenhaus kam, deutlich gemerkt. Sie wäre selbst mit Unterstützung vom Pflegedienst einfach nur überfordert gewesen. Und es hätte niemanden etwas gebracht, wenn meine Mutter dabei kaputt gegangen wäre.

Daher sehe ich es als nicht verwerflich an, wenn pflegebedürftige Menschen dann in ein Heim gegeben werden. Wobei ja die Zahlungen der Pflegeversicherung eben auch dafür da sind, damit die pflegenden Verwandten zumindest versichert sind. Aber man sollte auch niemanden verurteilen, der eine Pflege nicht übernimmt.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Meine Mutter war vor kurzem in der Situation, ihren kranken Vater pflegen zu müssen. Mein Opa bekam vor 4 Jahren die Diagnose Darmkrebs. Nach einigen Operationen, Bestrahlungen und Chemotherapien wurde ihm dann im Oktober letzten Jahres mitgeteilt, dass man nichts mehr für ihn tun könnte. Seine Lebenswertung lag bei knapp einem Jahr. Mein Opa hatte echt Angst vor einem Heim und meine Mutter und meine Tante haben dann eben die Pflege übernommen. Anfangs mussten sie nur darauf achten, dass er seine Tabletten regelmäßig nahm und gingen für ihn einkaufen. Sein Zustand hat sich dann aber recht schnell rapide verschlechtert und er hat kaum noch gegessen. Laufen konnte er auch nicht mehr.

In den letzten beiden Wochen wurde er wirklich rund um die Uhr betreut, weil er auch in der Wohnung gestürzt ist und 3 Stunden auf dem Boden lag, weil er es einfach nicht mehr aus eigener Kraft geschafft hat, aufzustehen. Mein Opa hatte auch starke Schmerzen, allerdings ist meine Mutter auch examinierte Altenpflegerin und hatte die Situation ganz gut im Griff. Natürlich ist es immer etwas anderes, ob man den eigenen Vater pflegen muss oder eine fremde Person. Meine Mutter hat dann am Ende auch irgendwie nur noch funktioniert.

Für mich käme es ehrlich gesagt auch nicht in Frage, meine Mutter in ein Heim zu geben. Meine Mama steht mir wirklich wahnsinnig nahe und ich würde dann auch alles dafür tun, sie selbst pflegen zu können. Wenn dies natürlich absolut nicht möglich wäre, bliebe mir nichts anderes übrig, als sie pflegen zu lassen, aber daran möchte ich jetzt noch gar nicht denken. Ich verdanke meiner Mutter so viel, dass ich ihr das dann einfach auch zurückgeben möchte. Ich kann aber auch verstehen, dass Angehörige das einfach auch psychisch nicht schaffen, ihre Lieben zu pflegen. Das ist nicht nur körperlich sehr belastend, sondern auch seelisch. Diese Menschen sollte man dann auch nicht verurteilen.

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» MeL.G » Beiträge: 4918 » Talkpoints: 16,81 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


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